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LOKALPRÄPOSITIONEN IM L2-ERWERB – ALBANISCHSPRACHIGE DAZ-LERNER IN AKTION

Author: Lirim Selmani (WWU Münster)

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    LOKALPRÄPOSITIONEN IM L2-ERWERB – ALBANISCHSPRACHIGE DAZ-LERNER IN AKTION

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Abstract

Der Beitrag beschäftigt sich mit dem Zweitspracherwerb lokaler Präpositionen durch Lernende im Grundschulalter mit albanischer L1 anhand eigenständig erhobener empirischer Daten, die einer quantitativ-qualitativen Analyse unterzogen wurden, um zu eruieren, ob und wie sich die Unterschiede in den präpositionalen Lokalisierungssystemen des Deutschen und Albanischen auf den Erwerb des Deutschen als L2 auswirken. Die Lerner tun sich schwer mit dem zielsprachlichen Einsatz von lokal-direktiven Basispräpositionen. Diese Schwierigkeiten zeigen sich in besonderer Weise, wenn der Bezugsausdruck der Präposition abstrakt in der Vorstellung aufzubauen ist (z.B. Seite oder Straße) oder den Lernern die Bedeutung des Bezugsausdrucks nicht klar ist (Jugendherberge). Wie bei anderen DaZ-Lernern auch zu beobachten ist, wird von albanischsprachigen DaZ-Lernern die Präposition in übergeneralisiert, was als ein Transferphänomen verstanden werden kann.


The present article examines the acquisition of local prepositions in L2 German in experimental data from primary school children whose first language is Albanian. The data will be analysed quantitatively and qualitatively in order to demonstrate how the differences with regard to the localization systems in first and second language influence the acquisition of German as second language. My study shows that the learners have great difficulties regarding the local prepositions in German. I conclude that the complex semantics of nominal phrases (such as Jugendherberge ‘youth hostel’, Seite ‘side’, Straße ‘street, road’) integrated in prepositional phrases are more demanding than well-known ones. Furthermore, the children overgeneralize the German preposition in ‘in, into’. The overgeneralization of in could be interpreted as a result of transference.

Keywords: Präpositionen, Lokalisierung, Deutsch als Zweitsprache, L1 Albanisch, Lernerkorpora, Transferenz, prepositions, localization, German as second language, L1 Albanian, transference

How to Cite:

Selmani, L., (2022) “LOKALPRÄPOSITIONEN IM L2-ERWERB – ALBANISCHSPRACHIGE DAZ-LERNER IN AKTION”, Korpora Deutsch als Fremdsprache 2(2), 93–121. doi: https://doi.org/10.48694/kordaf.3547

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Published on
2022-12-22

Peer Reviewed

1. Einleitung

Der Beitrag behandelt in einer quantitativ-qualitativen Analyse anhand eigenständig erhobener schriftlicher Daten den Erwerb deutscher Lokalpräpositionen von DaZ-Lernern mit L1 Albanisch im Grundschulalter. Die Wahl einer albanischsprachigen Lernergruppe ist damit zu begründen, dass es sich um eine Gruppe handelt, die von der Zweitspracherwerbsforschung bisher nicht wahrgenommen wurde.

DaZ-Lerner stehen vor einer schwierigen Erwerbsaufgabe. Da das deutsche Präpositionensystem sehr ausdifferenziert ist, bilden Präpositionen einen anspruchsvollen Erwerbsgegenstand. Sie müssen a) die richtige Präposition aus einem umfangreichen Inventar von Präpositionen wählen, b) der angeschlossenen Phrase den richtigen Kasus zuweisen und c) die semantische Inbeziehungsetzung – die Relationierung – der präpositionalen Bezugsausdrücke beachten, die mit dem Verb, mit der Prädikation und dem Kasus interagiert. In diesem Beitrag wird der Erwerb der lokalen Relationierung in den Fokus genommen, weil die präpositionalen Lokalisierungen in Ausgangs- und Zielsprache stark differieren und deswegen a priori Erwerbsprobleme zu erwarten sind. Es wird von folgenden Forschungsfragen ausgegangen:

  1. Destabilisieren die im Vergleich zum Deutschen weniger ausdifferenzierten Lokalpräpositionen in der Ausgangssprache Albanisch die Versprachlichung lokaler Relationen in der Zielsprache Deutsch?

  2. Stellen die Präpositionen IN, AN, AUF und ZU ein Erwerbsproblem für albanische DaZ-Lerner dar?

  3. Greifen albanische DaZ-Lerner aufgrund der großen strukturellen Differenz zwischen dem deutschen und albanischen präpositionalen Beziehungssystem beim Erwerb und beim Gebrauch der lokalen Relationierung auf ihr erstsprachliches Wissenssystem in Form von Transferenzen2 zurück?

Man muss sich vor Augen führen, dass die Verwendung der Präpositionen der lexikalischen Füllung der Bezugsphrase folgt: aus dem Regal (konzeptualisiert als Raum), vom Regal (konzeptualisiert als Fläche). Deswegen wird der Erwerb der Relationierung anhand spezifischer Bezugsausdrücke skizziert. Wie an der zweiten Forschungsfrage zu sehen ist, werden insbesondere die Präpositionen in, auf, an und zu bei unserer Untersuchung fokussiert. Denn hier sind die größten Schwierigkeiten zu erwarten: Das Albanische hat für diese vier Präpositionen nur zwei Entsprechungen.

Es liegen wenige Untersuchungen anhand von Lernerkorpora zum Erwerb und Gebrauch von Präpositionen und Präpositionalphrasen im DaZ- und DaF-Zusammenhang vor, was sicherlich auch damit zusammenhängt, dass gegenwärtig lediglich 15 Lernerkorpora (z.B. ALesKO, CLEG, KOBALT, MERLIN)3 mit der Zielsprache Deutsch vorliegen (Englisch als Zielsprache dominiert mit 102 Lernerkorpora deutlich die Lernerkorpuslandschaft) (vgl. Weber 2020: 118). Die allermeisten Untersuchungen zu Präpositionen im DaZ-Erwerb (vgl. z.B. Grießhaber 1999; Turgay 2010a; Bryant 2012) basieren auf eigenständig erhobenen Daten, die nicht frei zugänglich sind.

Lernerkorpuslinguistische Untersuchungen zum Erwerb von Präpositionen durch DaF-Lernende haben Breindl (2013) und Sieradz / Bordag (2014) vorgelegt, die Präpositionen-Artikel-Kontraktionen (zum, am, im) in den Fokus nehmen. Die Lernerdaten beider Untersuchungen entstammen dem Lernerkorpus FALKO. Weber (2020) hat eine umfassende quantitative Studie zum Erwerb und Gebrauch von Präpositionen durch DaF-Lernende unter Einbeziehung der drei Einflussvariablen Erstsprache, Satzfunktion der Präpositionalphrase sowie semantischer Gehalt der Präposition geliefert. Die Datengrundlage bildet das MERLIN-Korpus (vgl. Weber 2000: 128–137). MERLIN ist ein dreisprachiges Lernerkorpus, das aus drei Subkorpora mit insgesamt 154335 Token besteht (vgl. Weber 2020: 132). Den Zielsprachen entsprechend setzt sich das aus schriftlichen Daten bestehende Korpus aus einem deutschen, italienischen und tschechischen Subkorpus zusammen.

Der Themenschwerpunkt dieses Heftes befasst sich mit lernerkorpuslinguistischen Zugängen zum L2-Grammatikerwerb. Für das Albanische stehen keine öffentlichen Ressourcen dieser Art zur Verfügung, weshalb hier eigene Daten (schriftliche Texte von Grundschülern mit albanischer L1) verwendet wurden. Dies verweist einmal mehr auf die noch lückenhafte Datenlage im Bereich der Lernerkorpuslinguistik.

In Kap. 2 werden die präpositionalen Lokalisierungssysteme der L1 und L2 am Beispiel der Präpositionen behandelt. In Kap. 3 wird der Forschungsstand zum gewählten Schwerpunkt der lokalen Relationierung skizziert. Auf die Daten und die Methode gehen wir in Kap. 4 ein. Die quantitativ-qualitative Analyse entlang der Forschungsfragen erfolgt in Kapitel 5. In Kapitel 6 wird ein Fazit gezogen und ein Ausblick gegeben.

2. Lokale Relationierung im Deutschen und Albanischen

2.1 Lokale präpositionale Relationierung im Deutschen

Den Raum, den man sich als einen dreidimensionalen Anschauungsraum vorstellt, kann man topologisch in verschiedene Teilräume strukturieret werden: Innenraum, Begrenzung des Innenraums, den Rand, einen Außenraum und eine Peripherie (vgl. Becker 2012: 34–36):

Abbildung 1
Abbildung 1

Topologische Teilräume (vgl. Becker 2012: 36)

Den Innenraum eines Raumobjekts kann man sich wie ein Behältnis vorstellen, das einen Gegenstand komplett oder partiell einschließen kann. Für den Ausdruck dieser Relation hat sich die Präposition in funktionalisiert: in der Garage. Die Grenze des Innenraums, der Rand, die äußere Fläche kann mit auf (horizontal ausgebreitete Fläche: auf der Garage) und an (vertikal ausgebreitete Fläche: an der Garage) versprachlicht werden. Diese „typologisch ungewöhnliche Differenzierung“ (Becker 2012: 44) ist charakteristisch für das Deutsche. Die Begrenzung des Innenraums eröffnet zudem eine Peripherie, den Bereich in unmittelbarer Nachbarschaft des Innenraums. Verbalisiert wird die Peripherie, die Becker (2012) nicht weiter ausdifferenziert, mit bei: bei der Garage.

In einer Lokalisierung wird der Ort eines zu lokalisierenden Objekts relativ zum Ort eines zweiten Bezugsobjekts bestimmt: „Das zu lokalisierende Objekt stellt das Thema, das Objekt, relativ zu dem die Lokalisierung erfolgt, das Relatum dar“ (Becker 2012: 35). Die räumliche Relation wird so etabliert, dass ein Teilraum des Relatums spezifiziert und das Thema diesem Teilraum zugeordnet wird. Im Deutschen ist die Unterscheidung zwischen statischen und dynamischen Lokalisierungen grammatikalisiert. Statisch ist die Lokalisierung dann, wenn das zu lokalisierende Objekt eine feste Raumposition einnimmt, dynamisch, wenn das zu lokalisierende Objekt seinen Ort verändert, von einem Startpunkt zu einem Endpunkt. Statische Verben (z.B. Kontaktverben wie sitzen, liegen) regieren durch die Präposition hindurch den Dativ, der eine Ruhelage ausdrückt. Dynamische Verben (z.B. Fortbewegungsverben wie fahren, gehen) regieren durch die Präposition hindurch den Akkusativ. Solche Präpositionen sind Wechselpräpositionen, die durch eine Akkusativ-Dativ-Alternanz gekennzeichnet sind. Ihnen ist eine lokale Bedeutung eingeschrieben: in, an, auf, unter, über, neben, vor.

Präpositionen explizieren auf der Oberfläche, wie ein zu lokalisierender Gegenstand diesen Teilräumen zugeordnet ist und sind damit Beziehungswörter.

Abbildung 2
Abbildung 2

Präpositionen als Beziehungswörter

Auf der Oberfläche indiziert die Präposition auf einer ersten Stufe eine Beziehung zwischen zwei Teilen. Auf einer zweiten Stufe wird diese Beziehung dann spezifiziert. Die Differenzen der einzelnen Präpositionen bestehen also darin, wie die Relation spezifiziert wird. So drückt auf eine andere Beziehung (Kontakt) zwischen Buch und Tisch aus als in (Inklusion).

Die Relationierung wird nicht exklusiv mittels der Präposition expliziert. Vielmehr kommt es zu einer Interaktion von Bezugsausdrücken, Verb und Präposition. In einigen Fällen kann noch der Kasus die Relationierung unterstützen. Die Präposition markiert auf der Oberfläche die Beziehung selbst. In den folgenden Beispielen charakterisieren die Präpositionen die unterschiedlichen Relationen, der Dativ kommt in allen Relationen vor:

    1. (1)
    1. am Museum
    1. (2)
    1. vor dem Museum
    1. (3)
    1. im Museum

In vielen Fällen ist die Präposition relationendifferenzierend, nicht die Kasus. Die Kasus sind dann relationendifferenzierend, wenn dieselbe Präposition eingesetzt wird: in die Stadt fahren, in der Stadt (herum) fahren.

Spezifisch für Präpositionen ist zudem die von ihnen ausgehende „kategorisierende Kraft“ (Grießhaber 1999: 92), die auf das unmittelbar folgende Bezugsobjekt einwirkt. Die Spezifikation der Bezugsgrößen geht auf die Eigenbedeutung der Präposition zurück, die sie in die Konstruktion einbringen. Mit der Spezifikation der Bezugsgrößen geht auch die Spezifikation der Beziehung einher. An der Verdeutlichung der Relation partizipiert auch die lexikalische Besetzung der Bezugsausdrücke. Lokale Relationen können – bei identischer Präposition – anhand der lexikalischen Besetzung der Nominalphrasen von temporalen, kausalen u.a. Relationen unterschieden werden: der Supermarkt vor der Schule, das Fest vor den Ferien, die Angst vor dem möglichen Gegentor. Temporalität, Kausalität usw. sind nicht Teil der Bedeutungsstrukturen der Präpositionen, sondern gehen zurück auf das synsemantische Umfeld. Das Verb selegiert in vielen Fällen eine bestimmte Präposition, auch wenn ein Verb sich mit unterschiedlichen Präpositionen verbinden kann. So erzwingt ein Kontaktverb wie liegen den Einsatz einer spezifischen Präposition:

    1. (4)
    1. Das Buch liegt auf dem Tisch.
    1. (5)
    1. *Das Buch liegt über dem Tisch.
    1. (6)
    1. *Das Buch liegt in der Straße.

Wohnen regiert eine Lokalergänzung, deswegen selegiert dieses Verb eine statische Lokalpräposition. Fahren verbindet sich mit einer direktiven Präposition usw. Dies hängt mit der Klassifizierungsleistung der Präpositionen zusammen.

Grießhaber (1999: 97–98) verdeutlicht die Klassifizierung der Bezugsobjekte am Beispiel von Lokalpräpositionen. Die Bezugsgrößen haben einerseits wahrnehmbare, andererseits abstrakte Eigenschaften. Daher ist ein Wahrnehmungsraum von einem Vorstellungsraum zu unterscheiden. Präpositionen wirken in beiden Räumen auf vergleichbare Art. In beiden Räumen lassen sich jeweils vier Objektklassen differenzieren:

Tabelle 1

Objektklassen des Wahrnehmungs- und Vorstellungsraumes (vgl. Grießhaber 1999: 98.102)

Wahrnehmungsraum Vorstellungsraum
Objektklassen Fläche Bezirk
Raum Amt
Punkt Siedlung
Person Aktant

Die Objektklassen des Wahrnehmungsraumes haben Entsprechungen im Vorstellungsraum. Die folgenden Beispiele zeigen das klassifizierende Wirken der Präpositionen im Wahrnehmungs- und Vorstellungsraum:

    1. (7)
    1. Pauline geht auf die Schule.
    1. (8)
    1. Pauline geht auf der Schule (herum).

Schule ist in (7) Objektklasse der Kategorie des Vorstellungsraumes. Gemeint ist nicht das Gebäude, sondern die Institution, das Amt Schule, die abstrakt in der Vorstellung aufzubauen ist, und Pauline ist Aktant, also Schülerin. In (8) ist Schule eine Objektklasse des Wahrnehmungsraums. Gemeint ist das Dach der Schule, also eine Fläche, Pauline muss nicht zwangsläufig eine Schülerin sein.

Lokale Präpositionen klassifizieren nicht nur ihre Bezugsausdrücke, sondern sie explizieren außerdem die Distanz zwischen diesen. Grießhaber (1999: 90, 102ff.) nimmt „obligatorische, elementare Beziehungen“ und „komplexe lokale Relationen an“, die miteinander kombiniert werden können, wie aus der folgenden Tabelle hervorgeht:

Tabelle 2

Kombination der obligatorischen elementaren Relationen und der komplexen lokalen Relationen (vgl. Grießhaber 1999: 103)

obligatorische elementare Relationen
komplexe lokale Relationen Merkmal Ursprung Statisch Direktiv Passage
Inklusion aus in in/nach durch
Konnex von auf auf
enge Region von an an
offene Region von bei zu
Umgebung um

Statisch ist nicht mit Ruhe gleichzusetzen: im Wald, an den Wald. Statisch bedeutet, dass LO (das zu lokalisierende Objekt) „in einem festen Bereich von BO [Bezugsobjekt] lokalisiert wird“ (Grießhaber 1999: 90). Die Vereindeutigung übernimmt das Verb, welches deutlich macht, dass Verben Teil dieses Beziehungssystems sind.

Tabelle 3

Beispiele für komplexe lokale Relationen (vgl. Grießhaber 1999: 103)

Merkmal Erklärung Beispiele
Inklusion LO wird durch BO umschlossen das Auto in der Garage
Konnex Kontakt zwischen LO und BO das Buch auf dem Tisch
enge Region LO befindet sich in einem nahem Bereich bei BO die Fische am Meeresgrund
offene Region LO befindet sich in einen unbestimmten Bereich bei BO das Haus beim Wald
Umgebung BO wird durch LO umschlossen der Zaun um das Haus

Anders als Becker (2012), die den Rand als topologischen Teilraum nicht weiter ausdifferenziert, wird hier der Rand binnendifferenziert in eine enge Region und offene Region. So kann man den Einsatz von an und bei unterscheiden.

Lokale Relationen und die Klassifizierung der Bezugsausdrücke sind im Deutschen somit lexikalisiert. Eine solche lexikalische Differenzierung gibt es im Albanischen nicht, wie wir im folgenden Kapitel zeigen werden.

2.2 Lokale präpositionale Relationierung im Albanischen

Raum und räumliche Bewegung werden im Albanischen anders kategorisiert als im Deutschen (vgl. Buchholz / Fiedler 1987: 373–384; Selmani 2019: 208–247). Charakteristisch für albanische Präpositionen ist ihre Polysemie, ihre unspezifische Verwendungsbreite. So werden im Albanischen die topologischen Teilräume anders versprachlicht:

Abbildung 3
Abbildung 3

Albanische Präpositionen in den topologischen Teilräumen (in Anlehnung an Becker 2012: 36)

Die albanischen Präpositionen und te sind polysem und leisten, was im Deutschen in, auf, an und bei leisten. Die Polysemie hat Konsequenzen für die Klassifizierung des Bezugsausdrucks, die (im Deutschen) präpositional gesteuert ist. Wenn z.B. eine lokale Präposition unterschiedliche lokale Relationen wiedergeben kann, dann ist die Klassifizierung ihres Bezugsausdrucks durch den Äußerungszusammenhang determiniert (Verbidiosynkrasie, lexikalische Besetzung der Nominalphrase). Eine albanische Lokalpräposition klassifiziert ihren Bezugsausdruck nicht als eine Fläche oder als einen umgrenzten Raum, wie das im Deutschen z.B. durch lokales auf (Fläche: auf der Straße) und lokales in (Raum: in der Garage) ausgedrückt werden kann. Im Albanischen gibt es auch keine Wechselpräpositionen.

Wir übertragen das Beschreibungsmodell von Grießhaber (1999) auf albanische Lokalpräpositionen, um die Unterschiede in der Klassifizierungsleistung herauszuarbeiten:

Tabelle 4

Präpositionale Klassifizierung von Objektklassen des Wahrnehmungsraums im Deutschen und Albanischen

Objektklasse statisch direktiv ursprungsbestimmt
Fläche auf auf von
në, mbi në, mbi prej/nga
Raum in in aus
prej/nga
Punkt nach von
në/te prej/nga
Person bei zu von
te te prej/nga

Der deutschen horizontalen Flächenpräposition auf stehen im Albanischen zwei Entsprechungen (në, mbi) gegenüber. ist aber nicht als vertikale Flächenpräpositionen (dt. am Boden) zu begreifen, da sie einerseits auch horizontale Flächen (dt. am Rand) als Bezugsobjekt hat, andererseits ist Bezugsobjekt von ein Raum oder ein Punkt. Das albanische ist demnach kompatibel mit drei unterschiedlichen Objektklassen, was im Deutschen nicht möglich ist. Die Präposition mbi ist eine Flächenpräposition (horizontal), allerdings kann sie auch die ÜBER-Relation ausdrücken. Für die Klassifizierung der Objektklasse Person steht im Albanischen eine Präposition zur Verfügung (te), hier wird lexikalisch nicht zwischen direktiv und statisch unterschieden (wie im Deutschen: zu vs. bei). Da im Albanischen sowohl mit Fläche als auch mit Raum verträglich ist, differenziert das Albanische lexikalisch nicht zwischen aus und von. Als Bezugsobjekte kommen die Objektklassen Fläche und Raum in Frage. Im Deutschen ist die Umklassifizierung präpositionengesteuert, eine Präposition kann nicht ihr Bezugsobjekt unterschiedlich klassifizieren, also umklassifizieren. Eine Umklassifizierung des Bezugsobjekts erfolgt durch eine andere Präposition. Das bezieht sich vor allem auf die Objektklassen Fläche (auf, von) und Raum (in, aus). Eine solche umklassifizierende Kraft haben die Präpositionen im Albanischen nicht. Die Klassifizierung hängt von der lexikalischen Besetzung der Wortgruppe und von der Verbsemantik ab, auch wenn die Bedeutung der Präposition mit hineinspielt.

Die Kombination elementarer und komplexer lokaler Relationen im Albanischen stellt sich so dar:

Tabelle 5

Kombination elementarer und komplexer Relationen im Deutschen und Albanischen

obligatorische elementare Relationen
komplexe lokale Relationen Merkmal Ursprung Statisch Direktiv Passage
Inklusion aus in in/nach durch
prej/nga neper
Konnex von auf auf
prej/nga në/mbi në/mbi
enge Region von an an
prej/nga në/te në/te
offene Region von bei zu
prej, nga te te
Umgebung um
rreth

Für die Verbalisierung von Inklusion, Konnex und enge Region (vgl. Tab. 3) (statisch und direktiv) stehen im Deutschen drei Präpositionen zur Verfügung (in, auf, an), im Albanischen wird hierfür in erster Linie eine Präposition gebraucht (). Albanisch unterscheidet demnach lexikalisch nicht zwischen der IN-Relation, AUF-Relation und AN-Relation. Mit te kann sowohl eine enge Region als auch eine offene Region versprachlicht werden. Anders als das Deutsche (bei vs. zu) differenziert das Albanische lexikalisch nicht zwischen statisch und direktiv (offene Region): te.

Die Darstellung verdeutlicht einige zentrale Unterschiede zwischen der Systematik der lokalen Präpositionen im Deutschen einerseits und im Albanischen andererseits. Es ist davon auszugehen, dass diese Unterschiede sich auch auf den Erwerb des Deutschen als L2 durch Lernende mit L1 Albanisch auswirken. Insgesamt steht der sehr ausdifferenzierten Raumkategorisierung im Deutschen die sehr unausdifferenzierte Raumkategorisierung im Albanischen gegenüber. Genauer fällt dabei auf, dass

  1. das Albanische eine Entsprechung für die deutschen Präpositionen IN, AUF und AN hat, nämlich die Präposition NË,

  2. im Albanischen keine Differenzierung zwischen enger (AN) und offener Region (BEI) vorgenommen wird, die albanische Präposition TE drückt beides aus und

  3. im Albanischen nicht zwischen statischen (BEI) und direktiven (ZU) Lokalisierungen unterschieden wird und die Präposition TE beides wiedergeben kann.

In Kapitel 5 werden wir aufzeigen, wie sich diese strukturellen Differenzen in L1 und L2 im L2-Erwerb niederschlagen.

3. Forschungsstand zum Erwerb lokaler Präpositionen

DaZ-Lerner stehen hinsichtlich des Präpositionensystems vor einer Herausforderung. Sie müssen die präpositionale Kasusrektion (vgl. Turgay 2010a; Diehl et al. 2014; Marx 2014;), die präpositional kodierten Satzfunktionen (vgl. Hufeisen / Gibson 2002; Weber 2020) und schließlich die richtige Präposition aus einem umfangreichen Bestand auswählen und damit einhergehend die präpositionalen Bezugsausdrücke zielsprachlich relationieren (vgl. Pfaff 1984; Becker / Caroll 1997; Grießhaber 1999; Turgay 2010a, 2010b, 2011; Bryant 2011, 2012; Becker 2012). Führt man sich die genannte komplexe Erwerbsaufgabe vor Augen, so leuchtet auch ein, dass der Erwerb des präpositionalen Basissystems in der Zweitspracherwerbsforschung als Erwerbsproblem erkannt wurde. Untersucht wurde der Gebrauch vor allem von Lernergruppen mit L1 Türkisch (vgl. Grießhaber 1999; Turgay 2010a; Becker 2012; Bryant 2012), Russisch (vgl. Bryant 2012), Italienisch (vgl. Turgay 2010a) und Griechisch (vgl. Pfaff 1984). Studien zu Lernern mit L1 Albanisch gibt es nicht. Insofern bearbeitet unser Beitrag ein Forschungsdesiderat.

Der Einfluss der L1 auf den Erwerb des Deutschen als Zweisprache wird vor allem vor dem Hintergrund der Wahl der Präposition diskutiert. Hier sind insbesondere lokale Präpositionen in den Fokus gerückt – denn räumliche Konzeptualisierungen sind einzelsprachspezifisch unterschiedlich lexikalisiert, wie etwa die Studie von Becker (1994) zeigt (vgl. Kapitel 2). Weil in diesem Bereich die Differenzen zwischen Erst- und Zweitsprache groß sein können (bei typologischer Distanz), kann bei der Verbalisierung statischer und dynamischer Lokalisierungen durch DaZ-Lernende mit salienten Erwerbsproblemen gerechnet werden. Die Orientierung in Raum ist so elementar, dass Lerner nicht umhinkommen, Lokalisierungsausdrücke im frühen Erwerb einzusetzen.

Becker (2012) untersucht die Verbalisierung der Lokalisierung durch erwachsene Zweitsprachlernende. Ähnlichkeiten und Differenzen in der erst- und zweitsprachlichen Konzeptualisierung von lokalen Relationen wirken sich auf die Erwerbsabfolge und auf das Erwerbstempo aus. So haben Lernende mit L1 Türkisch und Spanisch (aufgrund der strukturellen Distanz zwischen der Erstsprache und dem Deutschen) „große und anhaltende Schwierigkeiten, die in de[r] Zielsprache Deutsch […] erforderlichen Differenzierungen nach Innenraum und Rand auszuarbeiten“ (Becker 2012: 44). Vor allem die für das Deutsche charakteristische Unterscheidung zwischen der AUF- und AN-Relation bereitet Lernern Probleme. So dehnen die Lerner die Bedeutung von auf auf alle randbezogenen Lokalisierungen aus: Kein Lerner setzt an ein (vgl. Becker / Caroll 1997:141; Becker 2012: 44). Da das Italienische dem Deutschen typologisch näher ist als das Türkische, haben Lerner mit italienischer L1 einen Vorteil beim Erwerb von Raumreferenzen (vgl. Caroll / Becker 1997: 143). Die subtile Ausdifferenziertheit des deutschen Lokalisierungssystems kann dazu führen, dass DaZ-Lerner im Früherwerb Präpositionen auslassen (vgl. Grießhaber 1999:169–170; Gutzmann / Turgay 2011: 196–201). Im Türkischen werden Relationen abstrakt über Kasussuffixe realisiert, was vielleicht solche Auslassungen erklären könnte. Es ist die typologische Distanz (vgl. Kapitel 2) zwischen dem Türkischen und Deutschen, die zu Transferenzen führen kann.

Bryant (2012: 209–283) untersucht in einer Sprachproduktionsstudie den Erwerb von Lokalisierungsausdrücken von DaZ-Lernern mit L1 Russisch und L1 Türkisch. Beide DaZ-Populationen erwerben zuerst die Präposition unter. Sehr unsicher ist der Gebrauch von in, vor allem Lerner mit Türkisch L1 tun sich mit in lange schwer. Die Übergeneralisierung von in führt dazu, dass diese Präposition in Kontexten eingesetzt wird, in denen aber die Präpositionen an oder auf funktional wären. Vor allem an stellt dabei ein Erwerbsproblem dar (vgl. Kapitel 5).

Interessant und aufschlussreich ist, dass Kinder mit L1 Türkisch eine spezifische Lernstrategie entwickeln (vgl. Bryant 2011: 74–79): Die gemeinten Relationen werden mit präpositionalen Adverbien (drin, drauf) markiert, die postpositional erscheinen. Solche Strukturen gehen auf ein muttersprachliches Wissen zurück, das die Kinder dann hier in die Zielsprache transferieren, also erstsprachliche Strukturen übertragen (vgl. Bryant 2012: 230). Im Türkischen etwa kommen postpositional erscheinende Ortsbereichsnomen zum Einsatz (vgl. Becker / Caroll 1997: 83–85). Aufgrund der geringeren Salienz sind präpositionale Strukturen schwerer zu erwerben als postpositionale – für Lerner mit muttersprachlicher postpositionaler Kodierung von Raumrelationen stellt dann der Erwerb des präpositionalen Systems eine Herausforderung dar (vgl. Bryant / Rinker 2021: 330).

    1. (8)
    1. Der Brief ist bei den Umschlag drin.
    1. (9)
    1. Der Apfel ist in einer Schüssel drin.
    2. (Bryant 2012: 230)

Im Laufe des Erwerbs wird dann die dysfunktionale Präposition durch die zielsprachlich korrekte Präposition ersetzt: der Brief ist in dem Umschlag drin. Grießhaber (1999: 169–170) stellt in seiner Sprachproduktionsstudie fest, dass einige Kinder mit L1 Türkisch Präpositionen auch auslassen (vgl. Keim 1984).

Anders gestaltet sich der Erwerb bei Lernern mit L1 Russisch (vgl. Bryant 2012: 222–226). Obwohl das Russische im Unterschied zum Türkischen über ein Präpositionensystem verfügt, tun sich Lernende schwer mit dem Erwerb von Basispräpositionen: „Das muttersprachliche Lokalisierungssystem ist nicht ausdifferenziert und liefert daher kein konzeptuelles Fundament für den Zweitspracherwerb“ (Bryant 2012: 224). Der intensive Frühkontakt mit dem Deutschen mit seinen vokalischen Präpositionen (auf, in) führt dazu, dass die Lernenden die russische Basispräposition v (in) akustisch nicht mehr wahrnehmen. Es kommt zu einer radikalen Übergeneralisierung der silbischen Präposition na (auf) in der Muttersprache: „Die akustisch salientere Distinktion (in/auf) des Deutschen hat offenbar bewirkt, dass von der muttersprachlichen Distinktion (v/na) nur die vokalische Präposition wahrgenommen wird“ (Bryant 2012: 225). Die Übergeneralisierung in der Muttersprache führt dann auch zu einer Übergeneralisierung in der Zweitsprache (vgl. Bryant 2012: 226):

    1. (10)
    1. Ein Hund ist auf ein Haus drinne.

Bryant (2012: 235–236) fasst die Ergebnisse ihrer Studie so zusammen: DaZ-Lernern mit L1 Türkisch und L1 Russisch gelingt es nicht oder nur teilweise, die fünf Basispräpositionen in, an, auf, unter und über vor Schuleintritt zu erwerben. Türkischen L1-Sprechern gelingt die zweitsprachliche lokale Differenzierung früher als Lernern mit L1 Russisch, weil die zweitsprachliche salientere phonologische Unterscheidung das erstsprachliche Lokalisierungssystem destabilisiert.

Mit der Wahl der richtigen Präposition hängt auch die präpositionale Klassifizierung des Bezugsausdrucks zusammen, wie Grießhaber (1999) am Beispiel türkischer L1-Sprecher zeigt. Es ist die strukturelle Differenz der präpositional kodierten Kategorisierung des Raumes, der Fläche, der engen und offenen Region in Erst- und Zweitsprache, die den Erwerb erschweren kann (vgl. Kapitel 2.2). Was im Deutschen die Lokal- und Direktivpräpositionen leisten, realisieren im Türkischen z.B. die abstrakten Kasus Dativ, Lokativ und Ablativ (vgl. Selmani 2011). Elementare lokale Beziehungen sind also nicht präpositional lexikalisiert. Am Beispiel von schriftlichen Daten von Grundschülern (verbalisiert wurde eine Bildergeschichte) zeigt Grießhaber (1999: 195–257) die fehlerhafte Klassifizierung von Bezugsobjekten. Am häufigsten werden zu, in und auf verwendet: Zu wird nur in einem Fünftel der Fälle richtig gebraucht (vgl. Grießhaber 1999: 202–203). Werfen wir einen kurzen Blick auf zwei Beispiele aus Grießhabers (1999: 208–221) Daten:

    1. (11)
    1. als der Bus wieder in der Straße war
    1. (12)
    1. und dann kommt der Bus in einer andre Schstraße

Straße als Bezugsobjekt meint ein als Fläche konzeptualisiertes Bezugsobjekt. Der Bus wird mithilfe eines Krans auf die Straße abgelassen. In (11) und (12) wird Straße mit in als abstrakter Wohnraum klassifiziert, was aber aus der Bildvorlage nicht hervorgeht und damit eine zielsprachliche Fehlrealisierung darstellt. Mit Seite ist die Straßenseite gemeint. In ist eine Fehlrealisierung, weil suggeriert wird, dass der Bus in die Straße als umgrenzten Bereich einbiegt, was aber auszuschließen ist.

Auch zwischen der Ausgangssprache Albanisch und der Zielsprache Deutsch gibt es große Unterschiede im Lokalisierungssystem, wie wir in Kapitel 2 gezeigt haben. Aus diesem Grund sind auch bei DaZ-Lernern mit albanischer L1 Schwierigkeiten hinsichtlich des Erwerbs raumreferenzieller Präpositionen zu erwarten.

4. Daten und Methode

4.1 Einflussvariable, Forschungsfragen und Hypothesen

Die untersuchte Einflussvariable im Gebrauch und Erwerb der Präpositionen durch albanischsprachige DaZ-Lerner ist die präpositionale lokale Relationierung, die vor dem Hintergrund des erstsprachlichen Wissens analysiert wird. Es wird, wie schon in Kapitel 1 dargelegt wurde, von den folgenden Forschungsfragen ausgegangen:

Forschungsfrage

    1. FF1
    1. Destabilisieren die im Vergleich zum Deutschen weniger ausdifferenzierten Lokalpräpositionen in der Ausgangssprache Albanisch die Versprachlichung lokaler Relationen in der Zielsprache Deutsch?
    1. FF2
    1. Stellen die Präpositionen IN, AN, AUF und ZU ein Erwerbsproblem für albanische DaZ-Lerner dar?
    1. FF3
    1. Greifen albanische DaZ-Lerner aufgrund der großen strukturellen Differenz zwischen dem deutschen und albanischen präpositionalen Beziehungssystem beim Erwerb und beim Gebrauch der lokalen Relationierung auf ihr erstsprachliches Wissenssystem in Form von Transferenzen zurück?

Die Hypothese ist „eine Umformulierung einer Fragestellung in eine Aussage, die durch eine empirische Untersuchung überprüft (…) werden kann“ (Lemnitzer / Zinsmeister 2015:116). Die Hypothesen lauten wie folgt:

Hypothesen

Hypothesen zu den Forschungsfragen 1–3:

    1. H1
    1. Unsicherheiten im Ausdruck von Lokalisierungen gehen auf eine fehlerhafte Klassifizierung der Bezugsobjekte zurück.
    1. H2.1
    1. Die Präposition IN wird auf AUF-und AN-Kontexte übergeneralisiert.
    1. H2.2
    1. Die Lerner ‚umgehen‘ den zielsprachlichen Einsatz der Präposition AN.
    1. H3
    1. Fehlrealisierungen sind das Ergebnis von Transferenzen.

Auf die Forschungsfragen und die Hypothesen wird in der quantitativ-qualitativen Analyse in Kapitel 5 eingegangen.

4.2 Daten

Korpuslinguistische Untersuchungen zu albanischsprachigen DaZ-Lernenden gibt es nicht. Auch gibt es keine öffentlich zugänglichen Lernerkorpora, die für unsere Analyse hätten herangezogen werden können. Aus diesem Grund werden in diesem Beitrag eigenständig erhobene Daten von albanischsprachigen DaZ-Lernern zugrunde gelegt. Es handelt sich um schriftliche Textprodukte von hauptsächlich Grundschülern (8 bis 10 Jahre alt) einer nordrheinwestfälischen Großstadt, auf die im folgenden Kapitel eingegangen wird.

Lernerbiographien 

In mündlichen Interviews mit der Lernergruppe konnten lernerbiographische Daten gewonnen werden. Alle Probanden sind in der L2 Deutsch alphabetisiert. Literale Aktivitäten in der L1 Albanisch, die den Lernern die albanische Schriftsprache näherbringen könnten, sind rar. Ihren ersten intensiven Kontakt mit der L2 Deutsch haben die Lerner erst in vorschulischen Einrichtungen. Die Lerner besuchen in der Regel einmal wöchentlich einen muttersprachlichen Ergänzungsunterricht, in dem auch die Erhebung stattgefunden hat. Da die Klassen sehr klein sind, werden oftmals Schüler der 3. und 4. Klasse, manchmal auch die der 5. Klasse gemeinsam unterrichtet. Weil die Probanden unterschiedliche Varietäten des Albanischen, die sich sehr stark voneinander unterscheiden können, zuhause sprechen, bevorzugen sie in der Klasse das Deutsche als Medium der Kommunikation. Mit ihren Geschwistern sprechen die meisten der Probanden Deutsch. Mit den Eltern sprechen sie zumeist Albanisch, wechseln aber oft ins Deutsche.

Elizitieraufgabe 

Die Testpersonen sollten in Einzelarbeit zwei verschiedene Bildergeschichten, die ihnen aus der unterrichtlichen Praxis vertraut sind, narrativ vertexten und zu einer Phantasieerzählung ausbauen. Andere Materialien wurden nicht herangezogen. Die Bildergeschichten wurden deswegen ausgewählt, weil sie insbesondere den Einsatz lokal-direktiver Präpositionen elizitieren. Für die Verschriftung der Bildergeschichten wurden 40–60 Minuten benötigt.

Abbildung 4
Abbildung 4

Bildergeschichten: Die vergessenen Rosinen 4 (links) und Klassenfahrt mit Hindernissen 5 (rechts)

Die Übersicht in Tabelle 6 zeigt, dass an der Datenerhebung 19 Probanden teilgenommen haben, die mit Ausnahme von zwei Lernern alle jeweils zwei Texte produziert haben, sodass die Anzahl der Lernertexte insgesamt 36 beträgt. 12 Lerner besuchen die dritte, 6 die vierte und ein Lerner die 5. Klasse. Auf die 36 vertexteten Bildergeschichten verteilen sich insgesamt 3304 Token.

Tabelle 6

Metadaten I

KL AL ALT Schreibimpuls Anzahl Token6 Anzahl Präpositionen
3. 12 23 2 Bildergeschichten 1935 88
4. 6 11 2 Bildergeschichten 1129 65
5. 1 2 2 Bildergeschichten 240 11
19 36 36 3304 164
  • KL = Klasse, AL = Anzahl Lerner, ALT = Anzahl Lernertexte

Bei der Zählung werden Präpositionen als Präfixe von Verben (ankommen) und als Teile von Adverbien (danach) nicht berücksichtigt. Auch werden Präpositionen als Teile von idiomatischen Verbindungen wie auf einmal oder zum Glück, die holistisch als Chunks erworben werden und kaum fehleranfällig sind, nicht mitgezählt. Tabelle 7 zeigt die Metadaten der Untersuchung. Die Lerner setzen im Schnitt 10 Präpositionen in 173 Token (Median) ein. Insgesamt werden bei 3304 Token 164 Präpositionalphrasen produziert.

Tabelle 7

Metadaten II

KL Lerner-ID ALT Token Sätze Präpositionen
BK BR BK BR BK BR
3. ALB3 2 105 141 246 9 11 20 7 7 14
3. FLO 2 105 89 194 12 7 19 6 4 10
3. GEN 2 106 87 193 11 7 18 9 1 10
3. ELY 2 56 60 116 8 7 15 3 2 5
3. SHE 2 53 90 143 6 9 15 9 3 12
3. ANI 2 57 95 152 6 8 14 3 4 7
3. EZA 2 84 69 153 10 10 20 1 5 6
3. MIL 2 82 68 150 8 6 14 4 3 7
3. ARO 2 62 68 130 8 8 16 4 3 7
3. EDO 2 86 109 195 9 14 23 6 4 10
3. ALBE 1 89 - 89 16 - 16 1 - 1
3. X2 2 97 77 174 13 10 23 3 8 11
4. ALBA 1 - 121 121 - 7 7 - 3 3
4. ALBC 2 95 78 173 10 7 17 4 1 5
4. SHP 2 86 70 156 10 6 16 3 6 9
4. MIR 2 164 149 313 10 12 22 7 8 15
4. ERZ 2 79 97 176 6 8 14 5 7 12
4. RIN 2 113 77 190 12 9 21 5 6 11
5. RINO 2 120 120 240 12 9 21 3 8 11
36 1639 1665 3304 176 155 331 81 83 164
Median 87.5 88 173 10 8 17 4 4 10
Min 53 60 89 6 6 7 1 1 1
Max 164 149 313 16 14 23 9 8 15
  • BK = Bildergeschichte „Klassenfahrt mit Hindernissen“, BR = Bildergeschichte „Die vergessenen Rosinen“

Präpositionen machen 4.9 Prozent der gesamten Worttoken aus. Die nachstehende Tabelle gibt die absolute Häufigkeit und relative Häufigkeit (normalisiert auf Token) der in den Lernertexten vorkommenden Präpositionentypes (n = 17) an. Es werden überwiegend Lokal- und Direktionalpräpositionen eingesetzt (n = 14).

Tabelle 8

Absolute und relative Häufigkeit der eingesetzten Präpositionen

Rang Präposition absolute Häufigkeit relative Häufigkeit
1 IN 54 0.016
2 AUF 26 0.007
3 MIT 25 0.007
4 ZU 20 0.006
5 NACH 7 0.002
6 AN 6 0.001
VON 6 0.001
7 UNTER 4 0.001
8 VOR 3 0.0009
9 FÜR 2 0.0009
AUS 2 0.0006
DURCH 2 0.0006
NEBEN 2 0.0006
ÜBER 2 0.0006
OHNE 2 0.0006
10 GEGEN 1 0.0003
BEI 1 0.0003
164

Die Präpositionen in (n = 54, 32 Prozent), auf (n = 26, 15 Prozent), mit (25, 15 Prozent) und zu (n = 20, 12 Prozent) haben die höchste Vorkommensfrequenz.

4.3 Zur Datenauswertung

Die rohen, linguistisch also nicht annotierten Daten7 wurden manuell extrahiert und korpusgestützt quantitativ und qualitativ analysiert (vgl. Lemnitzer / Zinsmeister 2015: 34–37). Bei der quantitativen Analyse werden die absolute und relative Häufigkeit (normalisiert auf Token) als typische Kennzeichen der Korpusanalyse der tokenisierten Präpositionen in den Primärdaten ermittelt. Im Anschluss daran erfolgt eine quantitative Erfassung der präpositionalen Relationierung als Einflussvariable, um den dysfunktionalen Gebrauch zu eruieren. Die quantitative Analyse wird in einem zweiten Schritt qualitativ interpretiert.

5. Lokalrelationierung in den Lernertexten: quantitativ-qualitative Analyse

Aus den Sprachverwendungsstudien von Grießhaber (1999), Bryant (2012) und Becker (2012), die oben (Kapitel 3) ausführlich referiert wurden, geht hervor, dass DaZ-Lernende mit L1 Türkisch und L1 Russisch mit der Kategorisierung von Raum- und Flächenobjekten durch Basispräpositionen Erwerbsdefizite zeigen, die mit den erstsprachlichen Lokalisierungssystemen in Verbindung gebracht werden können.

Im Folgenden werden wir entlang der formulierten Forschungsfragen und Hypothesen den Gebrauch lokal-direktiver Präpositionen durch die albanischsprachigen Lerner untersuchen. Methodisch wird so vorgegangen, dass die dysfunktionalen Relationierungen quantitativ (absolut und relativ) erfasst werden und den funktionalen (also zielsprachlichen) Verwendungsweisen gegenübergestellt werden, um anschließend qualitativ interpretiert zu werden.

Bevor wir auf die quantitativ-qualitative Analyse eingehen, sind die Limitationen der Untersuchung zu nennen. Hier wurden vor allem Einzelfälle mit wenig Lernenden und wenigen zielsprachlichen Strukturen untersucht. Zudem wurde keine L1-Kontrollgruppe mit deutschen Lernenden herangezogen. Das schränkt die Generalisierbarkeit unserer Ergebnisse selbstverständlich ein.

5.1 Forschungsfrage 1

Die erste Forschungsfrage (FF1) hat eher einen allgemeineren Charakter und soll Ausgangspunkt der anschließenden zwei Forschungsfragen sein, die dann Spezifisches in den Blick nehmen. Wir rufen uns erneut die Forschungsfrage in Erinnerung:

    1. FF1
    1. Destabilisieren die im Vergleich zum Deutschen weniger ausdifferenzierten Lokalpräpositionen in der Ausgangssprache Albanisch die Versprachlichung lokaler Relationen in der Zielsprache Deutsch?

Die albanischsprachigen Lernenden verwenden, wie wir schon erläutert haben, insgesamt 164 Präpositionalphrasen (PPn). In einem ersten Schritt klammern wir alle Präpositionen, die keine lokal-direktive Semantik (mit, für und ohne) haben (n = 29) und damit keine lokale Relationierung ausdrücken, aus und erhalten 135 lokale Präpositionalphrasen. Von den 135 PPn sind 44 dysfunktional, die Nichtzielsprachlichkeitsrate beträgt bezugsausdrucksübergreifend 32 Prozent, wie aus nachstehender Tabelle hervorgeht (vgl. Tabelle 9). Tabelle 9 zeigt die absolute und relative (d.h. den Anteil an Relationierungen pro Klasse) Häufigkeit der fehlrealisierten Relationierung.

Tabelle 9

Absolute und relative Häufigkeit nicht zielsprachlicher Relationierungen

Kl. absolute Häufigkeit davon nicht zielsprachlich nicht zielsprachlich, relative Häufigkeit (Anteil nicht zielsprachlicher Realisierungen/Klasse)
3 71 25 0.35
4 53 17 0.32
5 11 2 0.18
135 44 0.32

Fast jede dritte lokal-direktive Präposition wird nicht zielsprachlich eingesetzt. Offenbar haben die Drittklässler etwas größere Probleme mit der lokalen Relationierung als die Viertklässler. Während Dritt- und Viertklässler in ca. jedem dritten Fall lokal-direktive Präpositionen nicht zielsprachlich verwenden, treten derartige Normabweichungen in der fünften Klasse deutlich seltener auf. Dabei ist zu beachten, dass lokal-direktive Präpositionen in der analysierten Stichprobe in der fünften Klasse insgesamt nur sehr selten auftraten und dieser Befund deshalb wenig belastbar ist. Da die Nichtzielsprachlichkeitsrate auffällig und so bei monolingualen Lernenden nicht zu beobachten ist (vgl. Turgay 2010a), kann vermutet werden, dass die im Albanischen weniger ausdifferenzierten Lokalpräpositionen die Versprachlichung lokaler Relationen in der Zielsprache Deutsch destabilisieren.

In einem zweiten Schritt werfen wir einen genauen Blick auf die Bezugsobjekte in den inkorrekten PPn und kommen damit zu unserer Hypothese (H1), die die Nichtzielsprachlichkeit der PPn mit den Bezugsausdrücken in Verbindung bringt. Die Hypothese lautet:

    1. H1
    1. Unsicherheiten im Ausdruck von Lokalisierungen gehen auf eine fehlerhafte Klassifizierung der Bezugsobjekte zurück.

Die Präpositionen werden in den Lernertexten mit ganz verschiedenen Bezugsausdrücken kombiniert. Hier werden besonders aussagekräftige Kontexte extrahiert, die zeigen sollen, mit welchen Bezugsausdrücken die Lerner besondere Schwierigkeiten haben: Jugendherberge, Seite und Straße, die das informationsstrukturelle Gerüst der Bildergeschichte Klassenfahrt mit Hindernissen bilden. Die absolute und relative (d.h. der Anteil an der absoluten Frequenz pro Bezugsausdruck) Häufigkeit der nicht zielsprachlichen Kombinationen geht aus Tabelle 10 hervor. 70 Prozent der Verwendungen dieser drei Bezugsausdrücke sind nicht zielsprachlich.

Tabelle 10

Absolute und relative Häufigkeit nicht zielsprachlicher Realisierungen mit den Bezugsausdrücken Jugendherberge, Seite und Straße

Bezugsausdruck absolute Häufigkeit davon nicht zielsprachlich nicht zielsprachlich, relative Häufigkeit oder Anteil nicht zielsprachlicher Realisierungen/Bezugsausdruck
Jugendherberge 22 11 0.5
Seite 10 8 0.8
Straße 5 3 0.6
31 22 0.7

Die Bildvorlage determiniert die Klassifizierung der Bezugsausdrücke, die dann eine spezifische Präposition für die entsprechende Relationierung selegieren. Jugendherberge ist das Ziel der Klassenfahrt. Die Reise wird dann als eine Bewegung zu diesem Zielort konzeptualisiert. Dies erklärt auch den fast ausschließlichen Gebrauch von Richtungspräpositionen. Schaut man sich den Gebrauchszusammenhang von Jugendherberge genauer an, stellt man fest, dass vor allem die Lerner (8 von 10) der 3. Klasse das Wort semantisch nicht erschlossen haben. Sein Einsatz in den Texten geht auf die Bildvorlage zurück. Die Unsicherheiten in der präpositionalen Kategorisierung dieses Bezugsausdrucks stehen wohl zu wesentlichen Teilen in Verbindung mit seinem Fehlen im Lexikon der Lerner. Jugendherberge ist eine abstrakte Objektklasse des Vorstellungsraumes: eine Institution. Dies könnte zu den Problemen mit der Wahl der korrekten Präposition führen.

Mit dem Bezugsobjekt Seite ist die Straßenseite gemeint, auf die der Bus aufgrund eines Hindernisses, das die Weiterfahrt beeinträchtigt, mithilfe eines Krans abgelassen wird. Straße ist in der Bildergeschichte Objektklasse des Wahrnehmungsraumes und meint einen befestigten Verkehrsweg, der eine Fläche darstellt. Die Straße ist in der Bildergeschichte die Verbindung zwischen Ausgangs- und Zielpunkt der Fahrt.

Die Bezugsobjekte, die durch den Kontext als Zielpunkt (Jugendherberge) und Fläche (Straße, Seite) zu klassifizieren sind, werden in den Lernertexten mit fünf Präpositionentypen kombiniert, die schließlich die Bezugsausdrücke unterschiedlich klassifizieren, wie Tabelle 11 zeigt:

Tabelle 11

Mit den Bezugsobjekten Jugendherberge, Seite und Straße kombinierte Präpositionen

Bezugsobjekt Präpositionen absolute Häufigkeit Klassifizierung des Bezugsobjekts
Jugendherberge IN 12 Raum
ZU 8 Bewegung zu einem Zielpunkt
NACH 1 Ortschaft
BEI 1 offene Region
Seite IN 5 Raum
AUF 2 Fläche
AN 2 Bewegung zu einem Zielpunkt
ZU 1 Grenzbereich
Straße AUF 2 Fläche
AN 1 Grenzbereich
ZU 1 Bewegung zu einem Zielpunkt
IN 1 Raum

Die Klassifizierung der Bezugsobjekte bereitet den Lernern offenbar große Probleme, wie folgenden Lernerbeispiele zeigen:

    1. (1)
    1. Ein Zug fährt die Kinder in der Jugendherberge. (GEN, 3. Klasse)
    1. (2)
    1. Ein Bus fährt mit ihre Klasse in Jugendherberge. (MIL, 3. Klasse)
    1. (3)
    1. Und dann ist der Bus weiter gefahren im Jugendherberge. (ANI, 3. Klasse)
    1. (4)
    1. Dan bringt der Kran den Bus in die Straße. (MER, 3. Klasse)
    1. (5)
    1. Ein Kran hat den Bus in der anderen Seite getragen. (MIR, 4. Klasse)

Jugendherberge wird 14-mal (63 Prozent) nicht zielsprachlich, 12-mal als ein Raum klassifiziert (54 Prozent), in die der Bus gewissermaßen, eindringt‘ bzw. ,hinein fährt‘. Eine solche Lesart legt die Bildvorlage nicht nahe. Seite wird insgesamt 8-mal nicht zielsprachlich klassifiziert (80 %), 5-mal als ein den Bus aufnehmender Raum, 2-mal als ein Grenzbereich und 1-mal als ein Zielpunkt. Straße wird 3-mal nicht korrekt als Fläche klassifiziert (60 Prozent).

Im Unterschied zu diesen Bezugsobjekten werden Bezugsobjekte wie Ofen oder Pistole, die thematisch wichtige Nennwörter in der Bildergeschichte „Die vergessenen Rosinen“ sind, zielsprachlich als dreidimensionale Gebilde klassifiziert. Versprachlicht werden sollte, wie ein Kuchen in den Ofen gelegt und wie ein Gewehr mit Rosinen befüllt wird. Tabelle 12 sind die absolute und relative (normalisiert auf Tokenanzahl des jeweiligen Bezugsausdrucks) Frequenz der zielsprachlichen Kombinationen zu entnehmen:

Tabelle 12

Zielsprachliche Frequenz der Bezugsobjekte Ofen und Pistole

Bezugsausdruck absolute Häufigkeit davon zielsprachlich zielsprachlich, relative Häufigkeit oder Anteil zielsprachlicher Realisierungen/Bezugsausdruck
Ofen 17 15 0.88
Pistole 5 5 1
22 20 0.90

Man kann aus der quantitativ-qualitativen Analyse ableiten, dass die Klassifizierung spezifischer Bezugsausdrücke im Erwerb problematisch ist. Insofern können auch die Ergebnisse von Grießhabers (1999) Studie bestätigt werden. Vor allem die Klassifizierung abstrakter, unklarer oder nicht bekannter Bezugsobjekte (Jugendherberge, Seite) scheinen die Lerner in der vorliegenden Studie vor Probleme zu stellen. Das Bezugswort Jugendherberge ist zudem ein seltenes Wort, wodurch die Schwierigkeiten erklärt werden könnten. Sicher ist aber die Klassifizierung von Bezugsobjekten, die nicht abstrakt in der Vorstellung erst aufgebaut werden müssen: Ofen und Pistole. Die Hypothese trifft daher nur teilweise zu.

5.2 Forschungsfrage 2

Mit der zweiten Forschungsfrage (FF2) wird ein Perspektivenwechsel von den Bezugsausdrücken zu den Präpositionen vorgenommen. Sie nimmt die bezugsausdruckübergreifende Verwendung der wichtigen und frequenten Präpositionen in, auf, zu und an in den Blick:

    1. FF2
    1. Stellen die Präpositionen IN, AUF, AN und ZU ein Erwerbsproblem für albanische DaZ-Lerner dar?

Die Präpositionen in, auf, zu und an machen 63 % (n = 101) des präpositionalen Gesamtaufkommens (n = 164) aus. Tabelle 13 zeigt die absolute und die relative (auf Präpositionentoken normalisierte) Häufigkeit dieser Präpositionen:

Tabelle 13

absolute und relative Häufigkeit von in, auf, zu, an

IN AUF ZU AN
absolute Häufigkeit 54 26 20 6 101
relative Häufigkeit 0.32 0.15 0.12 0.03

Von den 101 präpositionalen Verwendungen der Präpositionen in, auf, zu und an sind 39 nicht zielsprachlich. 39% der Präpositionen sind damit Fehlrealisierungen in der semantischen Inbeziehung-setzung der präpositionalen Bezugsausdrücke.

In wird mit 15 verschiedenen Bezugsobjekten kombiniert. 19 von 54 Verwendungen sind zielsprachlich nicht korrekt (35 %). 16 Fehler sind den Drittklässlern zuzuschlagen (84 %). Nachstehende Tabelle zeigt die absolute und relative Häufigkeit (Anteil an der Gesamtfrequenz der Präposition in pro Klasse) der Fehlrealisierungen:

Tabelle 14

Absolute und relative Häufigkeit der Fehlrealisierungen von in

Klasse IN absolute Häufigkeit davon inkorrekt inkorrekt, relative Häufigkeit (Anteil nicht zielsprachlicher Realisierungen/Klasse)
3. 28 16 0.57
4. 21 2 0.09
5. 5 1 0.2
54 19 0.35

Vor allem mit dem Bezugsobjekt Jugendherberge wird in nicht zielsprachlich kombiniert (n = 9). Dadurch wird Jugendherberge als ein Raum – der Objektklasse des Wahrnehmungsraumes ist – kategorisiert, in den der Bus hineindringt, wonach dann zwischen Bus und Jugendherberge ein Inklusionsverhältnis besteht. Hier ist aber nur ein enges Näheverhältnis möglich, also ist zu einzusetzen. Es ist möglich, dass in aufgrund der relativ hohen Vorkommensfrequenz im Input und der Verwendungsbreite – übergeneralisierend – ins Visier der Lerner gerät (vgl. Bryant / Rinker 2021: 331).

Die Präposition auf kommt 26-mal vor, folgt in auf dem 2. Rang und wird mit 14 unterschiedlichen Bezugsobjekten verknüpft. Sieben Gebrauchsweisen (26 % davon sind nicht zielsprachlich). 4 Fehlrealisierungen stammen von Drittklässlern und 3 von Viertklässlern:

Tabelle 15

Absolute und relative Häufigkeit der Fehlrealisierungen von auf

Klasse AUF absolute Häufigkeit davon inkorrekt nicht zielsprachlich, relative Häufigkeit (Anteil nicht zielsprachlicher Realisierungen/Klasse)
3. 10 4 0.40
4. 12 3 0.25
5. 4 0 0
26 7 0.26

Mit auf wird oft das Bezugsobjekt Kuchen in der Bildergeschichte „Die vergessenen Rosinen“ nicht zielsprachlich als Fläche konzeptualisiert, zu der das zu lokalisierende Objekt (Rosinen) ein Konnexverhältnis hat. Die Bildvorlage legt eine andere Lesart nahe: Die Rosinen dringen in den Kuchen ein, weswegen Kuchen als dreidimensionales Gebilde zu sehen ist, zu dem Rosinen in einem Inklusionsverhältnis stehen.

Die nicht-inklusive direktive Präposition zu wird in den Lernertexten insgesamt 20-mal eingesetzt. Verbunden wird sie mit 10 unterschiedlichen Bezugsobjekten. 7 Verwendungsweisen sind zielsprachlich nicht korrekt (35 %). 4 Fehlrealisierungen sind den Drittklässlern, 2 den Viertklässlern und 1 den Fünftklässlern zuzuweisen.

Tabelle 16

Absolute und relative Häufigkeit der Fehlrealisierungen von zu

Klasse ZU absolute Häufigkeit davon inkorrekt nicht zielsprachlich, relative Häufigkeit (Anteil nicht zielsprachlicher Realisierungen/Klasse)
3. 11 4 0.36
4. 8 2 0.25
5. 1 1 1
20 7 0.35

Mit zu wird ein Lokalisationsbereich, der durch eine Bewegung erreicht wird, wiedergegeben, ohne dabei ein zwingendes Kontaktverhältnis auszudrücken (vgl. Schröder 1986: 224). Die Lerner kombinieren zu in der Bildergeschichte Die vergessenen Rosinen mit den Bezugsobjekten Zimmer und Kuchen (in Interaktion mit dynamischen Verben) und versprachlichen dadurch nur die Bewegung zu den als Zielpunkte reanalysierten Bezugsobjekten. Die Bildvorlage legt eine andere Lesart fest: Die zu lokalisierenden Objekte (Rosinen, der Junge) dringen in den Kuchen und in das Zimmer ein. Daher ist statt zu die Inklusionspräpositionen in zu wählen. Grießhaber (1999: 224) beobachtet, dass Lerner mit L1 Türkisch einen Trend zur Präposition zu aufweisen, weniger zur Präposition in. Albanische DaZ-Lerner setzen beide Präpositionen ungefähr gleich oft ein, ein klarer Trend zu einer Präposition ist nur bei den Drittklässlern zu sehen. Ob die Lerner hier eine lexikalische Lücke haben oder die Präposition nicht beherrschen, lässt sich anhand dieses einzelnen Bezugsausdrucks nicht sagen.

An wird (auch im Vergleich zu anderen Lokalpräpositionen) relativ selten gebraucht: n = 6. Die Präposition macht 3.6 Prozent am präpositionalen Gesamtaufkommen (n = 164) aus.

Tabelle 17

Absolute Häufigkeit der Fehlrealisierung von an

Klasse AN absolute Häufigkeit davon inkorrekt nicht zielsprachlich, relative Häufigkeit (Anteil nicht zielsprachlicher Realisierungen/Klasse)
3. 6 6 1
4. 0 0 0
5. 0 0 0
6 6 1

Nur Lerner der 3. Klasse (n = 4) setzen diese Präposition ein. Verbunden wird an mit fünf verschiedenen Bezugsausdrücken, darunter Straße und Seite, auf die der Bus abgelassen wird. Mit der Präposition an wird nur die Nähe zu einer Grenzregion versprachlicht, ohne dass der Bus hinter den Grenzbereich eindringt, wie die Bildvorlage suggeriert. Alle Verwendungsweisen sind nicht zielsprachlich realisiert. Die Nichtzielsprachlichkeit wird darin manifest, dass die AN-Relation fälschlicherweise als Konnexrelation (auf) umgedeutet wird.

Wie die Daten zeigen, stellen die lokal-direktiven Präpositionen in, auf, zu und an für unsere Probanden vermutlich eine Erwerbshürde dar. Hypothese 2.1 (H2.1) fokussiert das Verhältnis dieser Präpositionen im Gebrauch zueinander. Angenommen wird eine in-Übergeneralisierung:

    1. H 2.1
    1. Die Präposition IN wird auf AUF-und AN-Kontexte übergeneralisiert.

Da in die mit Abstand am häufigsten eingesetzte Präposition ist, ist sie stark übergeneralisierungsverdächtig. Eine in-Übergeneralisierung beobachten auch Bryant (2012: 221), Turgay (2010a: 179.224) und Kaltenbacher / Klages (2006: 88–89) bei ihren Probanden. Unsere Daten zeigen: In 6 Belegen wird in auf auf-Kontexte (Bezugsobjekte: Straße und Seite) übergeneralisiert. Häufiger (n = 9) wird in aber auf zu-Kontexte übergeneralisiert. Diese Übergeneralisierung bezieht sich ausschließlich auf das Bezugsobjekt Jugendherberge. Dass die Differenzierung der IN- und AUF-Relation offenbar Schwierigkeiten bereitet, sieht man auch daran, dass umgekehrt auf auf in-Kontexte (n = 4) übergeneralisiert wird. In Tabelle 18 sind alle in-Übergeneralisierungen aufgeführt:

Tabelle 18

Belege für in-Übergeneralisierung

Nr. Lerner-ID Klasse Belege
(1) GEN 3 ein Zug fährt die Kinder in der Jugendherberge
(2) GEN 3 das war die Geschichte von den Kindern in der Jugend Herberge
(3) MER 3 eine Klasse will ein ausflug machen im Jugendherberge
(4) MER 3 der Bus ich [ist] in Jugendherberge da
(5) MIL 3 ein Bus fährt mit ihre Klasse in Jugendherberge
(6) ARO 3 ein Bus färt mit ihre Klasse in der jugendherberge
(7) SNE 3 dan wahr er ange kommen In den jugend Herberger
(8) ANI 3 und dann ist der Bus weiter gefaren im Jugendherberge
(9) RIN 4 eines tages wollte die Klasse: 4c in Jugendherberge
(10) MER 3 Dan bringt der Kran den Bus in die Straße
(11) X2 3 dan bringt der Kran den Bus ihn die andere Seite
(12) X2 3 dan war der Bus in der anderen Seiten
(13) SNE 3 der hat den Bus in die Andere seite gebracht
(14) ARO 3 und brengt den Bus in der andren seite
(15) MIR 4 ein Kran (…) hat den [Bus] in der anderen Seite getragen
(16) ALB 3 der färt in ein Berg

Die Hypothese trifft also nur zu Teilen zu. Aus den Daten unserer Studie lässt sich eine in-Übergeneralisierung ableiten; kaum auf an-Kontexte, aber deutlich häufiger auf auf-Kontexte. In wird überwiegend von den Lernern der 3. Klasse übergeneralisiert (n = 14), weniger von den Viertklässlern (n = 2). Dass an nicht das Ziel der in-Übergeneralisierung bildet, hängt vermutlich damit zusammen, dass die Lerner die AN-Relation noch nicht internalisiert haben, wie wir anhand der folgenden Hypothese (H2.2) zeigen wollen.

    1. H 2.2
    1. Die Lerner „umgehen“ den zielsprachlichen Einsatz der Präposition AN.

Augenfällig ist, dass die Präposition an insgesamt nur 6-mal (3.7 % der Präpositionentoken) eingesetzt wird, kombiniert mit den hier untersuchten Bezugsausdrücken 4-mal (darunter 3-mal mit dem Bezugsausdruck Seite). Das ist angesichts der Gesamtmenge lokaler Präpositionen (n = 135) in den Lernertexten ein niedriger Wert – und in keinem Beleg ist der Gebrauch zielsprachlich. Eingesetzt wird an nur von Lernern der 3. Klasse.

Tabelle 19

an-Belege

Nr. Lerner-ID Klasse Belege
(17) ANI 3 dann hat der Kran den Bus an die Straße gebracht
(18) ANI 3 und hat den Bus an die andere seite gebracht
(19) X2 3 dan ist der Bus wider an der andere Seite
(20) X2 3 die haben mit der Pistole die Rosinen an den Kuchen geschossen
(21) EDO 3 die haben eine Pistole an der Hand gehalten
(22) ALB3 3 da hatt Tom sich die Hand en [an] den kopf gelegt

Mit der Präposition an, die die vertikale Seitenfläche einer Größe, den Rand, angibt, wird lediglich die Bewegung an die Grenze ausgedrückt, ohne in den Raum hinter der Grenze einzudringen. An konstituiert hier eine Nähe zum Grenzbereich und lässt offen, ob sich das zu lokalisierende Objekt Bus im Zielbereich befindet.

Die scheinbare an-Scheu albanischer DaZ-Lerner deckt sich auch mit den Daten von Becker (2012: 44), Bryant (2012: 221) und Turgay (2010a: 177–216). Die Hypothese trifft (zumindest auf die Drittklässler) zu. Die Belege machen deutlich, dass an auf auf- und in-Kontexte übergeneralisiert wird.

5.3 Forschungsfrage 3

Die dritte Forschungsfrage (FF3) kann man sich als eine Zusammenfassung der ersten beiden Forschungsfragen dahingehend vorstellen, als hier die Nichtzielsprachlichkeit der quantitativ festgestellten präpositionalen Lokalrelationierungen mit Transferenz aus der Ausgangsprache in Verbindung gebracht wird.

    1. FF3
    1. Greifen albanische DaZ-Lerner aufgrund der großen strukturellen Differenz zwischen dem deutschen und albanischen präpositionalen Beziehungssystem beim Erwerb und beim Gebrauch der lokalen Relationierung auf ihr erstsprachliches Wissenssystem in Form von Transferenzen zurück?

Es lässt sich nicht leicht feststellen, ob eine nicht zielsprachliche Konstruktion das Ergebnis einer Übertragung aus der Ausgangssprache ist. Um Transferenz handelt es sich in (1). Die dem Substantiv Deutschland suffigierte Endung a ist eine Transferenz des türkischen Dativmorphems, das der deutschen Präposition nach entsprechen kann:

    1. (1)
    1. Ich Deutschlanda kommen.
    2. (L1 Türkisch, Keim 1984:142)
    3. „Ich kam nach Deutschland.“

Transferenzen werden eher dann vorgenommen, wenn sich in der Zielsprache Hinweise für ihre Richtigkeit finden (vgl. Bryant / Rinker 2021: 339). Ähnlich argumentiert auch Pfaff (1984: 266): „The results of semantic extension of in support the hypothesis that typological distance is a crucial factor constraining L1 transfer. Only where L1 and L2 are structurally parallel can lexical transfer take place“. Beispiele wie in (1) können in unseren Daten nicht beobachtet werden. Nichtsdestotrotz ist die Präpositionenwahl in einigen Belegen so auffällig, dass die Annahme, dass das erstsprachliche Wissen bei der Verbalisierung lokal-direktiver Relationen in der Zielsprache Deutsch eine Rolle spielt, naheliegt. Damit kommen wir zu unserer Hypothese (H3):

    1. H3
    1. Fehlrealisierungen sind das Ergebnis von Transferenzen.

Die inkorrekte Klassifizierung der Bezugsobjekte Jugendherberge, Seite und Straße, die vor allem mit in kombiniert werden, kann mit dem erstsprachlichen Wissen in Verbindung gebracht werden, weil Teilräume dieser Bezugsobjekte im Albanischen mit der lexikalischen Entsprechung versprachlicht werden, die semantisch – anders als ihre deutsche Entsprechung – unterspezifiziert ist und eine weite Verwendungsbreite hat. Daher könnte es sich hier vielleicht um Transferenz handeln. Einen solchen Transfer beobachtet auch Pfaff (1984: 294–296) bei griechischsprachigen DaZ-Lernern, die die griechische semantisch unterspezifizierte Entsprechung se in die Zielsprache Deutsch übertragen. Eine ausgeprägte in-Übergeneralisierung kann damit in Verbindung gebracht werden, dass sie „keine Perspektivierung implizieren und in diesem Sinne kognitiv einfach sind“ (Kaltenbacher / Klages 2006: 88). Solche Übergeneralisierungen sind bei einsprachig deutschen Lernern in dieser Frequenz nicht festzustellen, die Schwierigkeiten hängen damit zusammen, „dass sich die Raumkonzepte und ihre Versprachlichung in den Herkunftssprachen und der Zielsprache Deutsch unterscheiden und damit zwei Systeme in Konflikt geraten“ (Kaltenbacher / Klages 2006: 88.89). Denkbar ist aber auch, dass in aufgrund der relativ hohen Vorkommensfrequenz im Input und der Verwendungsbreite in Form von Übergeneralisierungen ins Visier der Lerner gerät (vgl. Bryant / Rinker 2021: 331).

Die geringe Vorkommensfrequenz und der fehlerhafte Gebrauch von an können vermutlich durch die L1 erklärt werden. Im Albanischen gibt es keine lexikalische Differenzierung zwischen der AN-/AUF- und IN-Relation. Insofern destabilisiert die L1 den Erwerb der zielsprachlichen Versprachlichung der AN-Relation. Man kann aber nicht von Transferenz im engeren Sinne sprechen, weil das Lexem ja im Albanischen fehlt. Was nicht da ist, kann auch nicht in die Zweitsprache übertragen werden – die „Leerstelle“ bleibt beim Transfer erhalten.

5.4 Zusammenfassung der Ergebnisse

Zunächst kann man festhalten, dass es insgesamt ein verhältnismäßig kleines Leistungsgefälle zwischen Lernern der dritten und vierten Klasse gibt. Die Fehlerrate der lokalen Relationierung liegt bei den Drittklässlern bei 35 Prozent und bei den Viertklässlern bei 32 Prozent. Leistungsunterschiede zeigen sich bei der Klassifizierung der Bezugsobjekte Jugendherberge, Seite und Straße, die den Drittklässlern deutlich schwerer fällt.

Die Analyse hat gezeigt, dass die lokale Relationierung in der L2 Deutsch für die albanischen Testpersonen eine Erwerbshürde sein kann. 32 Prozent der lokal-direktiven Beziehungen sind nicht zielsprachlich realisiert. Dass das erstsprachliche Lokalisierungssystem den Erwerb erschweren kann (FF1), kann als Erklärungsgrundlage herangezogen werden. Fehlrealisierungen sind gebunden an spezifische Bezugsausdrücke (H1) – das kann man vorsichtig sagen. Verdeutlich wurde dies exemplarisch an der nicht zielsprachlichen Klassifizierung der Bezugsobjekte Jugendherberge, Straße und Seite, die mit fünf Präpositionentypes kombiniert werden, in erster Linie mit in, auf, zu und an.

Diese Präpositionen gehören (mit Ausnahme von an) zu den frequentesten und fehleranfälligsten (FF2). Fehlrealisierungen zeigen sich in der Übergeneralisierung von in auf zu-Kontexte und auf-Kontexte (und umgekehrt) (H2.1). Wie wir in Kapitel 2.1 veranschaulicht haben, drücken in, auf und an unterschiedliche Teilräume (und Begrenzungen davon) aus. Auch wenn der Gebrauch unsicher ist, kann man sagen, dass die Lerner oft zwischen der IN-Relation und AUF-Relation differenzieren können (bei Bezugsobjekten des Wahrnehmungsraumes), gibt es doch viele zielsprachliche Belege. Anders verhält es sich aber mit an, das von den Lernenden kaum eingesetzt wird (obwohl beide Bildergeschichten viele AN-Kontexte eröffnen) (H2.2). Eine Differenzierung zwischen der AUF-Relationen und AN-Relation kann den Lernern nicht attestiert werden. Alle an-Verwendungen sind zielsprachlich fehlrealisiert.

Saliente Fehlrealisierungen in den Daten können als Ergebnis von Transferenz gesehen werden (FF3 und H3). Das stärkste Argument für eine solche Annahme ist die in-Übergeneralisierung, denn die albanische Entsprechung für in ist semantisch durch eine Offenheit gekennzeichnet, sodass sich damit auch AN- und AUF-Relationen ausdrücken lassen, der Kontext lädt sie semantisch auf. Diese Unterspezifikation wird dann auf die deutsche Präposition in übertragen. Denkbar ist aber auch, dass die Übergeneralisierung auf die in-Frequenz im Input zurückzuführen ist. Daher kann Transferenz nur sehr vorsichtig angenommen werden.

6. Fazit und Ausblick

Nach Auswertung der Daten kann angenommen werden, dass albanische DaZ-Lernende mit dem Erwerb und Gebrauch von Lokalpräpositionen Schwierigkeiten haben. Abstrakte Bezugsausdrücke (Institutionen wie Jugendherberge oder nicht leicht zu klassifizierende Bezugsobjekte wie Seite) werden häufiger mit einer inkorrekten Präposition kombiniert als Bezugsausdrücke, die nicht in der Vorstellung aufzubauen und damit Teil des Wahrnehmungsraumes sind: Ofen, Pistole, die fast immer mit einer korrekten Präposition kombiniert werden. Salient ist an den Daten die in-Übergeneralisierung, die vor allem von Drittklässlern vorgenommen wird. In wird auf zu- und auf-Kontexte übergeneralisiert, was mit dem Lokalisierungssystem der Ausgangssprache in Zusammenhang gebracht werden kann. Das Albanische differenziert lexikalisch nicht zwischen der IN-und AUF-Relation. So ist die albanische Präposition semantisch viel vager als in und damit unterspezifiziert. Diese Unterspezifikation kann vermutlich Transferenz in die Zielsprache begünstigten. Die Lerner greifen kaum auf an zurück. In den Lernerdaten finden sich lediglich 6 Belege (alle von Drittklässlern). Keine Verwendung ist zielsprachlich. Die Differenzierung zwischen der AN-und AUF-Relation ist eine typologische Eigenheit des Deutschen (im Albanischen gibt es keine lexikalische Entsprechung für an). So kann man die Verzögerungen im Erwerb von an erklären. Das erstsprachliche Lokalisierungssystem destabilisiert der Erwerb der Präposition an.

Die Ergebnisse unserer Studie sind aufgrund der vergleichsweise geringen Datenmenge selbstverständlich nicht repräsentativ. Aus einer eingeschränkten Repräsentativität lässt sich nur eine restringierte Evidenz ableiten, aber doch Tendenzen, die wir skizziert haben. Es wäre wünschenswert, wenn man unsere Befunde mit noch größeren Datenmengen, anderen Lernergruppen und L1-Kontrollgruppen vergleichen und auch untermauern könnte. Hierfür wären öffentlich zugängliche Lernerkorpora eine gute Voraussetzung.

Notes

  1. Aufgrund der besseren Lesbarkeit wird das generische Maskulinum eingesetzt. [^]
  2. Unter Transferenz ist in der Zweitspracherwerbsforschung das Übertragen von erstsprachlichen Strukturen auf die Zielsprache zu verstehen. Die Übertragung kann zielsprachlich sein oder nicht. [^]
  3. Dazu auch: Lemnitzer / Zinsmeister (2015: 142–156). [^]
  4. E.O. Plauen (2015). [^]
  5. Zeichnung von Jochen Rehbein. Diese Bildergeschichte ließ auch Grießhaber (1999) seine Probanden vertexten. [^]
  6. Einschließlich der Satzzeichen. [^]
  7. Alle PPn-Belege befinden sich im Anhang. [^]
  8. Belege orthographisch nicht bereinigt. [^]

Literatur

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Becker, Angelika (2012): Konzeptorientierte Ansätze. Der Ausdruck von Raum. In: Ahrenholz, Bernd (Hrsg.): Einblicke in die Zweitspracherwerbsforschung und ihre methodischen Verfahren. Berlin u.a.: de Gruyter, 27–48.

Becker, Angelika / Carroll, Mary (1997): The acquisition of spatial relations in a second language. Amsterdam, Philadelphia: John Benjamins.

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Bryant, Doreen (2011): Präpositionaladverbien im Erst- und Zweitspracherwerb – Pleonasmen oder Funktionsträger? In: Zeitschrift für germanistische Linguistik 39, 55–89.

Bryant, Doreen (2012): Lokalisierungsausdrücke im Erst- und Zweitspracherwerb: typologische, ontogenetische und kognitionspsychologische Überlegungen zur Sprachförderung in DaZ. Baltmannsweiler: Schneider.

Bryant, Doreen / Rinker, Tanja (2021): Der Erwerb des Deutschen im Kontext von Mehrsprachigkeit. Tübingen: Narr.

Buchholz, Oda / Fiedler, Joachim (1987): Albanische Grammatik. Leipzig: VEB.

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Pfaff, Carol W. (1984): On Input and Residual L1 Transfer Effects in Turkish and Greek Children’s German. In: Andersen, Roger (Hrsg.): Second Languages. A cross-linguistic perspective. Rowley, MA: Newbury House, 271–298.

Plauen, E. O. (2015): Vater und Sohn. Sämtliche Abenteuer. Köln: Anaconda.

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Turgay, Katharina (2010a): Der Zweitspracherwerb der deutschen Präpositionalphrase: eine Studie zum Sprachentwicklungsstand von Kindern mit Migrationshintergrund. Trier: WVT.

Turgay, Katharina (2010b): Unterspezifikation von Präpositionen - eine Studie zum Erwerb von PPs mit Wechselpräpositionen. In: Pohl, Inge (Hrsg.): Semantische Unbestimmtheit im Lexikon. Frankfurt a.M. u.a.: Peter Lang, 223–243.

Turgay, Katharina (2011): Der Erwerb des deutschen Kasus in der Präpositionalphrase. In: Zeitschrift für Germanistische Linguistik 3, 24–54.

Weber, Tassja (2020): Präpositionen und Deutsch als Fremdsprache: Quantitative Fallstudien im Lernerkorpus MERLIN. Dissertation Universität Mannheim.

Anhang

Lernerbelege 

Nr. Klasse Lerner-ID Beleg
(1) 3 ANI (…) haben die Torte in den Ofen rein gesteckt8
(2) 3 ANI der Junge ist dann zu Schlafzimmer gegange
(3) 3 ANI und dann haben die auf die Torte gezillt
(4) 3 ANI der Bus fehrt zum Jugendherberge
(5) 3 ANI und hat den Bus an die andere seite gebracht
(6) 3 ANI (…) den Bus Wider an die die Straße gebracht
(7) 3 ANI ist der Bus weitter gefahren im Jugendherberge
(8) 3 GENT stecken sie den Kuchen in den Ofen
(9) 3 GENT In der Jugendherberge [Titel]
(10) 3 GENT der fährt die Kinder in der Jugend herberge
(11) 3 GENT Leider können die nicht durch ein Berg
(12) 3 GENT die zeigte auf den Bus
(13) 3 GENT die farten ins Hotel
(14) 3 GENT das die ins Hotel gehen können
(15) 3 GENT war die Geschichte von den Kindern in der Jugend Herberge
(16) 3 EDO die Rosinen waren untern dem Tisch
(17) 3 EDO haben die zwei Pistolen auf der Want auf gehengt
(18) 3 EDO Ein Pistole an der Hand gehalten
(19) 3 EDO die haben Rosinen in der Pistole reingesteckt
(20) 3 EDO die haben mit der Pistole
(21) 3 EDO (…) Rosinen an den Kuchen geschossen
(22) 3 EDO Hat das Bus nach oben gezogen
(23) 3 EDO die waren über das Loch
(24) 3 EDO der Mann hatt mit den Henden den Kran geholfen
(25) 3 EDO das der Buss nach unten gomt
(26) 3 ELY der Herbert hat Tag [Teig] auf den Henden
(27) 3 ELY nimt die Rosine und zielt auf den Kuchen
(28) 3 ELY die ganze Klasse Färt nach Jugendherberge
(29) 3 ELY der Kran zieht den Bus nach rechts
(30) 3 ELY der Polizist winkt mit der Hand
(31) 3 MIL tuhen sie den Kuchen ins Ofen
(32) 3 MIL fült die Pistole mit Rosinen
(33) 3 MIL schiest die Rosinen in die Torte hinein
(34) 3 MIL ein Bus fährt mit ihre Klasse
(35) 3 MIL (…) fährt in Jugendherberge
(36) 3 MIL steht ein großer Berg vor ihm
(37) 3 MIL trägt ein Kran in zur der Anderen Seite
(38) 3 FLO Tim backt mit seinem Papa
(39) 3 FLO tun den Kuchen in den Ofen
(40) 3 FLO der Kuchen ist bereits in den Ofen
(41) 3 FLO Tim geht in seinen Zimmer
(42) 3 FLO versucht den Kuchen mit der Pistole
(43) 3 FLO mit Rosinen zu schisen
(44) 3 FLO machen einen Ausflug in den Wald
(45) 3 FLO da steht ein Berg for den Bus
(46) 3 FLO nimt der Bus nach oben
(47) 3 FLO der fliegt über den Wasser
(48) 3 ALBE eine Klasse wollte zur Jugend-herberge
(49) 3 ARO chtegt der Vata das pudig in den ofen
(50) 3 ARO er nimt fon den Vata die Wafen
(51) 3 ARO und chist mit die Rosinen
(52) 3 ARO ein Bus färt mit ihre Klasse
(53) 3 ARO färt in der jugendherberge
(54) 3 ARO brengt den Bus in der anderen seite
(55) 3 ARO dan ist der Bus wider an der andren Seite
(56) 3 SHE der Buss feart zu schulle
(57) 3 SHE hat den Buss in die Andere seite ge bracht
(58) 3 SHE wahr ange kommen In den jugend-Herberger
(59) 3 SHE Max bakt mit sein Vater
(60) 3 SHE Max bakt mit sein Vater
(61) 3 SHE schiben den Kuchen in den Ofen
(62) 3 SHE sieht max den Kartong mit Rosinen
(63) 3 SHE er sagt zu den Vater
(64) 3 SHE sagte der Vater zu max
(65) 3 SHE holte max vür sein Vater
(66) 3 SHE stekte der Vater Rosinen in die Pistole
(67) 3 SHE schiste Rosinen auf die Torte
(68) 3 EZA haben die das in den Offen getan
(69) 3 EZA ging ein Bus zur Klassenfart
(70) 3 EZA dann war da auf der Straße eine grose büke
(71) 3 EZA hat den Bus zur Straße getragen
(72) 3 EZA da war eine große büke mit wasser
(73) 3 EZA und hat in auf der Straße ab gelassen
(74) 3 ALB3 und die Rosinen unterm Tisch fergessen
(75) 3 ALB3 und in den Ofen reingetan
(76) 3 ALB3 hatt Erbatt sich neben den Ofen gesetzt
(77) 3 ALB3 hatt Tom sich die Hand en den kopf gelegt
(78) 3 ALB3 Erbatt hat in dem karton ein pust rohr gefunden
(79) 3 ALB3 den Kuchen raus geschtellt auf einen Tisch
(80) 3 ALB3 und mit der puste röhre
(81) 3 ALB3 der färt in ein Berg
(82) 3 ALB3 hat er den Buss in die andere richtung getragen
(83) 3 ALB3 hat der besitzer des Busses mit der Hand
(84) 3 ALB3 hat nach unten gezeigt
(85) 3 ALB3 war da eine kaputte Brüke knap neben den Buss
(86) 3 ALB3 da ging er zu eine Schule
(87) 3 ALB3 da haben Kinder auf den Buss gewartet
(88) 4 ALBA tuhen sie das Kuchen auf das Offen
(89) 4 ALBA ist Fabian zu den Zimmer gegangen
(90) 4 ALBA Zimmer von ihn gegangen
(91) 4 ALBC ist zu jugend Herberge gefahren
(92) 4 ALBC zu den Krafwerken gefahren
(93) 4 ALBC wollte den Bus reparieren mit der Kraftwerk
(94) 4 ALBC fahren die zu jugend Herberge
(95) 4 ALBC dann ist der Son zu papas zimmer gegangen
(96) 4 ERZ ein Bus mit ne Klasse
(97) 4 ERZ ein Bus wil in Jugendherberge fahren
(98) 4 ERZ den Bus auf die andere seite gebracht
(99) 4 ERZ damit die nicht ihn die große Brücke fallen
(100) 4 ERZ sie sind aus dem Bus raus
(101) 4 ERZ eine Torte mit Rosinen
(102) 4 ERZ sie stellten es im Offen
(103) 4 ERZ da sa Tom die Rosinen untern Tisch
(104) 4 ERZ er geht ihn sein Zimmer
(105) 4 ERZ legt sie in der Pistole
(106) 4 ERZ schießte von weiten die Rosinen
(107) 4 ERZ Die Torte ohne Rosinen
(108) 4 MIR bereit für den Ofen war
(109) 4 MIR haben sie den Kuchen auf ein Kuchenblech gelegt
(110) 4 MIR es dann in den Ofen gelegt
(111) 4 MIR hat Max einen Packung Rosinen unter den Tisch gefunden
(112) 4 MIR hat sich auf ein Hocker gesetzt
(113) 4 MIR den Kuchen im Ofen angekugt
(114) 4 MIR in dieser Zeit ist Max geklettert
(115) 4 MIR ist Max auf dem Bett geklettert
(116) 4 MIR den Kuchen mit den Rosinen abgeschossen
(117) 4 MIR Ein Ausflug nach Sauerland machen
(118) 4 MIR Fuhren mit dem Bus
(119) 4 MIR direkt vor dem Bus ein großen Berg gesehen
(120) 4 MIR hat den in der anderen Seite getragen
(121) 4 MIR dann würden sie in das Loch fallen
(122) 4 MIR hat er hilfe gebraucht von einem Mann
(123) 4 MIR dann sind sie zur Jugendherberge gefahren
(124) 4 SHP backe einen Kuchen mit mein Vater
(125) 4 SHP haben wir den Kuchen in den Ofen reingetahn
(126) 4 SHP die Waffe von mein Vater genommen
(127) 4 SHP haben wir Rosinen in die Waffe reingetahn
(128) 4 SHP für den Kuchen
(129) 4 SHP haben wir Rosinen auf den Kuchen geschossen
(130) 4 SHP die Klasse will zu Jugendherberge
(131) 4 SHP wie kommen wir zu Jugendherberge
(132) 4 SHP dann konnten Alle zur Jugendherberge
(133) 4 RIN tut den Kuchen in Ofen rein
(134) 4 RIN zeigte Luca auf die Rosinen
(135) 4 RIN Jen sitz sich auf dem Stuhl
(136) 4 RIN Luca hüpfte auf den Bett
(137) 4 RIN nahm die Waffe auf die Hand
(138) 4 RIN und pustete auf den Kuchen
(139) 4 RIN wollte die Klasse:4c in Jugendherberge
(140) 4 RIN mit einem Bus gefahren
(141) 4 RIN kamm fast an beim Jugendherberge
(142) 4 RIN die Frau zeigte mit seinem Finger
(143) 4 RIN sind aus dem Bus ausgestiegen
(144) 4 X2 stehcken den Kuchen in den Ofen
(145) 4 X2 mit voller Kraft
(146) 4 X2 schist die Rosinen auf den Kuchen
(147) 4 X2 im Jugendherberge
(148) 4 X2 ein aus Flug machen im Jugendherberge
(149) 4 X2 der Bus knallt knap gegen den Berg
(150) 4 X2 bringt der Kran den Bus ihn die andere Seite
(151) 4 X2 war der Bus in der anderen seiten
(152) 4 X2 bringt der Kran den Bus in die Straße
(153) 4 X2 der bus ich in Jugendherberge da
(154) 5 RINO brangen ihn auf der anderen Seite
(155) 5 RINO die Kinder im Bus
(156) 5 RINO packten den Bus auf der Erde
(157) 5 RINO steckt den Kuchen in den Offen
(158) 5 RINO der Vater sitz auf dem Stuhl
(159) 5 RINO Hält die Rosinen Schachtel in der Hand
(160) 5 RINO der Sohn ging in das Schlafzimmer
(161) 5 RINO Steckte die Rosinen in das Rohr
(162) 5 RINO ließ den Kuchen auf ein Tisch
(163) 5 RINO pustete der Vater durch das Rohr
(164) 5 RINO eine nach der anderen Rosine flogen zum Kuchen

Biografische Notiz

Lirim Selmani arbeitet seit 2019 am Germanistischen Institut der WWU Münster im Bereich der Sprachdidaktik als wissenschaftlicher Mitarbeiter. Er forscht und lehrt in den Bereichen Grammatik und Grammatikdidaktik, Deutsch als Zweitsprache und Sprachvergleich Deutsch-Albanisch-Türkisch-Arabisch.