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ON THE USE OF DATA FROM FOLK AND DEREKO FOR THE INVESTIGATION AND DIDACTICISATION OF THE FORMS ‘NACH DEM MOTTO’ AND ‘VON WEGEN’

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  • ON THE USE OF DATA FROM FOLK AND DEREKO FOR THE INVESTIGATION AND DIDACTICISATION OF THE FORMS ‘NACH DEM MOTTO’ AND ‘VON WEGEN’

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    ON THE USE OF DATA FROM FOLK AND DEREKO FOR THE INVESTIGATION AND DIDACTICISATION OF THE FORMS ‘NACH DEM MOTTO’ AND ‘VON WEGEN’

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Abstract

Ausgehend von Bückers (2008, 2009, 2013) Studien zu den Formen nach dem Motto und von wegen wird eine Korpusuntersuchung zu deren Verwendungsmöglichkeiten in gesprochen-sprachlichen Daten aus dem Forschungs- und Lehrkorpus für gesprochenes Deutsch und in schriftlichen Daten aus dem Deutschen Referenzkorpus (Pressetexten der Süddeutschen Zeitung) durchgeführt. Daraus ergeben sich textsortenspezifische Verwendungsmuster, die in der DaF-Didaktik nutzbar gemacht werden können. Insbesondere wird gezeigt, wie die Ergebnisse der Korpusanalyse als Grundlage zur Erstellung von illustrativen korpusbasierten Unterrichtsmaterialien dienen können.  

 

Drawing on Bücker’s (2008, 2009, 2013) studies on the German forms nach dem Motto and von wegen, a corpus study is conducted on their possible uses in spoken-language data from the Research and Teaching Corpus for Spoken German and in written data from the German Reference Corpus (journalistictexts from the Süddeutsche Zeitung). From this, usage patterns are derived, which can be made useful in the teaching of German as a foreign language. In particular, it will be shown how the results of the corpus analysis can serve as a basis for creating illustrative corpus-based teaching materials.

Keywords: Quotativkonstruktionen, Redewiedergabe, gesprochenes Deutsch, DaF-Unterricht, quotative constructions, reported speech, spoken German, German as a Foreign Language

How to Cite:

Moroni, M., (2021) “ON THE USE OF DATA FROM FOLK AND DEREKO FOR THE INVESTIGATION AND DIDACTICISATION OF THE FORMS ‘NACH DEM MOTTO’ AND ‘VON WEGEN’”, Korpora Deutsch als Fremdsprache 1(1), 51-78. doi: https://doi.org/10.48694/tujournals-39

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Published on
2021-08-08

Peer Reviewed

1. Einleitung

Im Zuge des zunehmenden Interesses für gesprochen-sprachliche Daten – vor allem im Bereich der Interaktionalen Linguistik (Imo / Lanwer 2019) – haben seit den 80er Jahren zahlreiche Untersuchungen1 neue Erkenntnisse in der germanistischen Linguistik hervorgebracht. Diese erlauben es, die traditionelle und zumeist an der Schrift oder an der Introspektion orientierte Grammatikschreibung zu integrieren bzw. korrigieren. Dabei handelt es sich um sprachliche Eigenschaften und Strukturen, die ausschließlich im gesprochenen bzw. mündlich konzipierten Deutsch auftreten, oder die dieses besonders kennzeichnen. Der Zugriff auf digitale Korpora der gesprochenen deutschen Sprache ermöglicht, neue Einsichten in das Deutsche zu gewinnen und das Spektrum der untersuchten Textsorten zu erweitern (Fandrych / Meißner / Wallner 2018). Der Einbezug mündlicher Textsorten in sprachwissenschaftlichen Untersuchungen ist nicht nur aus wissenschaftlichen Gründen relevant, sondern auch im Hinblick auf die stark handlungsorientierte Auffassung des Sprachenlehrens und -lernens, die dem Europäischen Referenzrahmen für Sprachen und der europäischen Sprachenpolitik zugrunde liegt (Trim / North / Coste 2001; vgl. auch Kaiser / Schedl 2021). Der Aufbau immer größerer und vielfältigerer Korpora des schriftlichen Deutschen erlaubt es wiederum, die an der Schrift orientierte Forschung fundierter weiterzutreiben und die bisherigen Ergebnisse zu präzisieren (Flinz / Katelhön 2019; Flinz 2020). Der Einsatz in der Sprachwissenschaft von auf digitalen mündlichen und schriftlichen Korpora basierenden Erkenntnissen erweist sich somit sowohl für die Sprachbeschreibung als auch für die DaF-Didaktik als wünschenswert (Fandrych / Tschirner 2007).

Hieran ansetzend versuche ich im vorliegenden Aufsatz, exemplarisch an zwei in der Forschung und Lehre vernachlässigten Formen – nach dem Motto und von wegen – eine Korpusuntersuchung durchzuführen, um das Verwendungsspektrum der beiden Formen aufzudecken und die daraus resultierenden Ergebnisse einem Didaktisierungsvorschlag zugrundezulegen. Nach dem Motto und von wegen gehören zu den lexikalischen Mitteln des Deutschen, die u.a. dazu dienen, Zitate bzw. Redewiedergabe einzuführen. Jedoch werden sie in der Regel in DaF-Lehrwerken und DaF-Übungsgrammatiken nicht behandelt, denn dort wird im Bereich der Redewiedergabe der Schwerpunkt vielmehr auf grammatische Mittel (Strukturen aus Matrixsatz mit verba dicendi und Nebensatz; Konjunktiv I) gelegt. Dies liegt daran, dass nach dem Motto und von wegen erst in den letzten Jahren durch die Aufsätze von Jörg Bücker (2008, 2009, 2013) in das Interesse linguistischer Forschung gerückt sind.

Für die Untersuchung ziehe ich Daten aus dem Deutschen Referenzkorpus (DeReKo, vgl. Kupietz / Keibel 2009) und aus dem Forschungs- und Lehrkorpus des gesprochenen Deutsch (FOLK, vgl. Schmidt 2014) heran. DeReKo stellt die größte Sammlung geschriebener deutscher Sprache dar und umfasst Texte unterschiedlicher Textsorten (vor allem Belletristik, Presse und Populärwissenschaft) aus der Gegenwart und der neueren Vergangenheit. FOLK beinhaltet Audiodateien (in einigen Fällen auch Videoaufnahmen) und die dazugehörigen Transkripte von Gesprächen aus unterschiedlichen Bereichen des Lebens (Privatgesprächen in der Familie, unter Freunden, Unterrichtsstunden in Schulen, Sprechstunden an der Universität, Verkaufsgesprächen u.a.). Aufgrund der Größe, des breiten Spektrums der vertretenen Textsorten und der einfachen Zugänglichkeit und Erfragbarkeit bieten sich DeReKo und FOLK für sprachwissenschaftliche Untersuchungen zum heutigen Deutsch sehr gut an.

Der Aufsatz ist wie folgt aufgebaut. Zunächst wird das bestehende sprachwissenschaftliche Wissen über die Formen nach dem Motto und von wegen skizziert. Anschließend folgen jeweils eine Analyse deren Vorkommen in Daten aus DeReKo und FOLK. Schließlich werden illustrative korpusbasierte Materialien zur Didaktisierung der Ergebnisse erarbeitet, wobei im Mittelpunkt der Vergleich zwischen Schriftlichkeit und Mündlichkeit steht.

2. Stand der Forschung zu nach dem Motto und von wegen

Die Formen nach dem Motto und von wegen wurden erst von Bücker (2008, 2009, 2013) eingehend untersucht, der anhand von gesprochen-sprachlichen Daten ihre Rolle als Einleiter von Rede- bzw. -Gedankenwiedergabe – Bücker spricht von Quotativkonstruktionen – herausarbeitete. Darauf aufbauend haben Katelhön / Moroni (2018) gezeigt, dass diese Formen in informellen Unterhaltungen dazu eingesetzt werden können, um fiktive Redewiedergaben bzw. Rededarstellungen2 (Katelhön 2005) einzuleiten, mit denen Sprecher bestimmte Szenen in ihrer Narration veranschaulichen, Bewertungen (des zitierten Sprechers) realisieren und zugleich das Gespräch spannender bzw. unterhaltsamer machen. So lassen sich nach dem Motto und von wegen einer Klasse von sprachlichen Mitteln zuordnen, die dazu dienen, Redewiedergabe im Gespräch erkennbar zu machen. Dazu zählen zum Beispiel ich so/sie so (Golato 2000; Mertzlufft 2014) und der Einsatz prosodischer Eigenschaften wie der Variation der Sprechgeschwindigkeit und der Verstellung der Stimme (Günthner 1997 und 2002; Couper-Kuhlen 2007).

Bücker (2008) unterscheidet drei Typen von Motto-Konstruktionen. Zum ersten Typ gehören Motto-Komplemente, d.h. Nominal- oder Präpositionalphrasen mit dem Substantiv Motto in Komplementfunktion. Unter Komplementen versteht Bücker Argumente des Verbs. Hier zwei Beispiele (Bücker 2009: 219):

    1. (1)3
    1. „Alle ans Fest!“ lautete das Motto der Feier zum 50-Jahr-Jubiläum der AHV.
    2. (St. Galler Tagblatt, 23.11.1998)
    1. (2)
    1. Was immer er organisiert und managt, es geschieht nach dem Motto: „Erfolg bedingt Vertrauen.“
    2. (St. Galler Tagblatt, 27.05.1997)

In (1) ist Motto der substantivische Kopf der Nominalphrase das Motto der Feier zum 50-Jahr-Jubiläum der AHV, die als Subjekt der Äußerung fungiert. In (2) ist Motto Teil der Präpositionalphrase, die ein adverbiales Argument des Verbs geschehen ist.

Zum zweiten Typ gehören Präpositionalphrasen mit Motto, die als Supplemente – das heißt adverbiale Satzglieder, die keine Verbargumente sind – fungieren. Hierzu führt Bücker (2009: 220) folgenden Beleg an:

    1. (3)
    1. Nach Andreas Khols politischem Motto, daß die Wahrheit eine Tochter der Zeit sei, interpretieren neuerdings auch hochrangige ÖVP-Mitglieder der Regierung die österreichische Geschichte anders, als sie sich zugetragen hat.
    2. (Die Presse, 18.11.2000)

Die Motto-Konstruktionen des ersten und des zweiten Typs sind durch syntaktische Integration gekennzeichnet. Was die Semantik betrifft, bedeutet Motto bei diesen zwei Verwendungstypen durchgängig ‚Leitspruch‘.

Beim dritten Typ tritt Motto immer in der Präpositionalphrase nach dem Motto auf. Diese leitet dann eine Redewiedergabe ein und ist im Gegensatz zu den Komplementen und Supplementen der ersten zwei Typen syntaktisch desintegriert. Während bei den Konstruktionen der ersten zwei Typen Motto mit seiner vollen lexikalischen Bedeutung ‚Leitspruch‘ verwendet wird, ist diese bei den Konstruktionen des dritten Typs nicht vorhanden bzw. verblichen. Bücker (2009: 234) führt hierzu einen Auszug aus der Radio-Phone-in Sendung „Domian“ an, in dem der Anrufer (C) dem Moderator Domian (D) berichtet, dass er oft gehänselt wird.

    1. (4)4

An (4) lässt sich feststellen, dass nach dem Motto außerhalb der syntaktischen Struktur auftritt bzw. nach der Äußerung in Zeile 83 folgen in Zeile 84 zwei abgebrochene Strukturen und anschließend leitet nach dem Motto die direkte Rede in Zeile 86 ein, die das Hänseln veranschaulicht bzw. exemplifiziert, wobei es sich nicht um die Formulierung eines Leitspruchs handelt. Laut Bücker (2009) stellen die Verwendungen von nach dem Motto dieser Art im Gegensatz zu denen vom ersten und zweiten Typ eine typische Ressource der gesprochenen Sprache mit niedrigem Planungsaufwand dar. Tabelle 1 gibt eine Übersicht über die drei Typen von Motto-Konstruktionen:

Tabelle 1

Übersicht über die Motto-Konstruktionen (in Anlehnung an Bücker 2009)

Typ Beispiel syntaktische Integration Semantik ‚Leitspruch‘
Typ1 Motto-Komplement (1) „Alle ans Fest!“ lautete das Motto der Feier zum 50-Jahr-Jubiläum der AHV. + +
Typ 2 Motto-Supplement (3) Nach Andreas Khols politischem Motto, daß die Wahrheit eine Tochter der Zeit sei, interpretieren neuerdings auch hochrangige ÖVP-Mitglieder der Regierung die österreichische Geschichte anders, als sie sich zugetragen hat. + +
Typ 3 nach dem Motto + Redewiedergabe - -

Kommen wir nun zur präpositionalen Fügung von wegen. Nach Bücker (2008: 1) wird diese Form im heutigen Deutsch kaum als (kausale) Präposition verwendet. So sind Verwendungen wie in (5) aus Bücker (2008: 1) äußerst selten:

    1. (5)
    1. Im Wiener Landesgericht ist am Mittwoch der 35-jährige Wiener Christof B. von wegen Mitwirkung am Selbstmord zu einer teilbedingten 15-monatigen Freiheitsstrafe verurteilt worden.
    2. (Kleine Zeitung, 02.09.1999)

Im heutigen Deutsch wird von wegen vielmehr als Einleiter von zitathaften Beispielen verwendet (Bücker 2008), wie in (6) (Bücker 2008: 2):

    1. (6)
    1. Und bitte keine Ausreden von wegen „ich weiss auch nicht immer alles, was an der Türe passiert“.
    2. (St. Galler Tagblatt, 27.09.1999)

Ähnlich wie nach dem Motto im oben angeführten Beispiel (4) kann auch von wegen Redewiedergabe einleiten, wie in Auszug (7) aus Bücker (2008: 17-18):

    1. (7)

Der Auszug ist Teil einer Folge der Radio-Phone-in Sendung „Domian“. An dieser Stelle berichtet der Anrufer C über einen eigenen Anruf an eine Lottogesellschaft, um zu prüfen, ob er tatsächlich im Lotto gewonnen hatte. Durch von wegen in Zeile 21 leitet Sprecher C die Redewiedergabe von dem ein, was er am Telefon gesagt hat.

Ferner kann von wegen eine oppositive Funktion haben. In diesem Fall distanziert sich der Sprecher bzw. Schreiber von einer zitathaften Äußerung. So drückt von wegen in (8) (aus Bücker 2008: 21) Distanz in Bezug auf die darauffolgende zitathafte Äußerung (uralter Brauch) aus, was an dem Text nach dem Doppelpunkt (Der Adventskranz ist…) deutlich wird:

    1. (8)
    1. Von wegen uralter Brauch: Der Adventskranz ist nach Überzeugung der wissenschaftlichen Volkskunde ein Paradebeispiel für falsche Vorstellungen rund um Bräuche.
    2. (Frankfurter Rundschau, 27.11.1999)

Bei (9) (aus Bücker 2008: 2) handelt es sich insofern um ein oppositives von wegen, als dieses die Gültigkeit der vorangegangenen Äußerung in Frage stellt. Im Gegensatz zu den anderen Verwendungen ist hier von wegen nicht kataphorisch, sondern anaphorisch bzw. zurückverweisend.

    1. (9)
    1. Nur die Innerrhödler können feiern? Von wegen!
    2. (St. Galler Tagblatt, 04.09.2000)

Die Verwendungen von von wegen lassen sich nach syntaktischen, funktionalen und prosodischen Eigenschaften von von wegen und der Äußerung, in der von wegen auftritt, weiter klassifizieren (Bücker 2008: 26). Für die Zwecke der vorliegenden Arbeit beschränke ich mich auf die allgemeine Einteilung in die zwei Haupttypen, die in Tabelle 2 zusammenfassend gegenübergestellt werden:

Tabelle 2

Übersicht über die von wegen-Konstruktionen (in Anlehnung an Bücker 2008)

Beispiel oppositiv kataphorisch
Haupttyp 1 (6) Und bitte keine Ausreden von wegen „ich weiss auch nicht immer alles, was an der Türe passiert“.
- +
Haupttyp 2 (8) Von wegen uralter Brauch: Der Adventskranz ist nach Überzeugung der wissenschaftlichen Volkskunde ein Paradebeispiel für falsche Vorstellungen rund um Bräuche.
(9) Nur die Innerrhödler können feiern? Von wegen! (anaphorisch bzw. nicht kataphorisch)
+ +/-

Die Studien von Bücker (2008, 2009, 2013) deuten darauf hin, dass die Verwendungen von nach dem Motto und von wegen textsortenabhängig bzw. die Verwendungstypen aus den Tabellen 1 und 2 unterschiedliche Distributionen aufweisen, je nachdem ob sie in Pressetexten oder in spontanen Gesprächen auftreten. Die Distribution der beiden Formen in Relation zur Textsorte steht bei Bücker (2008, 2009, 2013) allerdings nicht im Mittelpunkt. Vielmehr richtet der Autor sein Augenmerk auf gesprochen-sprachliche Daten, wobei er ausschließlich qualitativ vorgeht und nicht auf die Häufigkeit der einzelnen Verwendungsweisen eingeht. Ein systematischer quantitativer und qualitativer Vergleich von Korpusdaten aus Pressetexten aus DeReKo und aus Gesprächen aus FOLK lohnt sich meines Erachtens, um die Distribution und das Verwendungsspektrum genauer zu bestimmen und daraus Materialen für die DaF-Didaktik abzuleiten, mit denen diese Formen im Zusammenhang mit ihrem authentischen Verwendungskontext vermittelt werden können. Dabei gehe ich von der Hypothese aus, dass syntaktisch integrierte Motto-Konstruktionen und oppositives von wegen eher typisch für die geschriebene Sprache – hier Pressetexte – sind und dass nach dem Motto bzw. von wegen als Einleiter von (fiktiver) Redewiedergabe eher in spontanen Gesprächen auftreten. Im Folgenden versuche ich diese Hypothese anhand von Daten aus DeReKo und FOLK zu verifizieren.

3. Korpusanalyse

An Bücker ansetzend wurde eine Korpusanalyse zur Distribution von nach dem Motto und von wegen in DeReKo und FOLK durchgeführt, die als Basis zur Didaktisierung dieser beiden Formen dienen soll. Alle Daten wurden im März 2019 extrahiert. Für nach dem Motto wurden alle Belege in FOLK und die ersten 60 Belege aus dem Jahrgang 2018 der Süddeutschen Zeitung untersucht, die durch Cosmas II aus DeReKo extrahiert wurden. Für nach dem Motto wurden lediglich die ersten 60 Belege aus den Pressetexten der Süddeutschen Zeitung analysiert, weil nach dem Motto insgesamt extrem häufig in dieser Textsorte – nämlich 194-mal – auftritt. Dies zielte ferner darauf ab, ein gewisses Gleichgewicht zwischen den Belegen aus der gesprochenen Sprache und denen aus der Presse zu wahren. Parallel hierzu wurden alle Belege für von wegen aus FOLK und aus dem Jahrgang 2018 der Süddeutschen Zeitung entnommen und analysiert. Die Texte der Süddeutschen Zeitung aus dem Jahr 2018 sollen als Beispiel für aktuelle5 nationale deutsche Presse dienen. Tabelle 3 fasst die Eckdaten der Datenbasis zusammen:

Tabelle 3

Verteilung der Belege für nach dem Motto und von wegen in FOLK und DeReKo

Anzahl der Belege in FOLK (Gesprochene Sprache) Anzahl der Belege in DeReKo (Jahrgang 2018 der Süddeutschen Zeitung, Schriftsprache)
nach dem Motto 30 60 (von insgesamt 194)
von wegen 65 88

Auf die Distribution der verschiedenen Verwendungen der beiden Formen in den mündlichen und schriftlichen Daten gehe ich im Laufe der Analyse einzelner Belege ein.

3.1 Nach dem Motto

Wie die folgenden Beispiele illustrieren, tritt in FOLK nach dem Motto ausschließlich als Einleiter von Redewiedergabe auf. Schauen wir hierzu Auszug (10) an. Er stammt aus einer Theaterprobe. An dieser Stelle besprechen die Schauspieler ein Stück und gehen auf die Eigenschaften der einzelnen Figuren ein. Sprecher RK erklärt in Zeile 937 mit einer durch so nach dem Motto (Zeile 935) eingeleiteten direkten Rede seine Hypothese über den Gemütszustand/die Einstellung der Figur von Cilie.

    1. (10)
    1. FOLK_00330_01 Theaterprobe

Sprecher RK signalisiert, dass er die folgende Äußerung als Zitat (re)konstruiert, auf mehreren Ebenen bzw. durch mehrere Mittel: Durch das so nach dem Motto kündigt er eine Passage mit zitathaftem Charakter an. Auf das syntaktische desintegrierte nach dem Motto folgen ein Disfluenzmarker (ähm) und eine Pause und schließlich markiert die Verstellung der Stimme den Anfang der Redewiedergabe. Demgegenüber ist die rechte Grenze bzw. das Ende der Redewiedergabe nicht so deutlich angezeigt wie der Anfang. Möglicherweise endet sie bei „mache“.

In Auszug (11) ist ein weiteres Beispiel für nach dem Motto aus den mündlichen Daten zu beobachten. An dieser Stelle erzählt ein Vater im Gespräch mit seiner Friseurin, dass er normalerweise immer versucht, seiner kleinen Tochter grausame Sachen auf eine Weise so zu erklären, dass sie nicht erschreckt.

    1. (11)
    1. FOLK_00077_01 Gespräch beim Friseur

Nach dem Motto ist syntaktisch desintegriert und leitet hier eine direkte Rede ein, die ein Selbstgespräch des Sprechers veranschaulicht. Der Einsatz der Redewiedergabe wird in diesem Fall durch die Partikel kay (okay) angezeigt. Vereinzelt (in 3 Fällen) leitet nach dem Motto im Korpus eine indirekte Redewiedergabe ein. Hierzu Auszug (12):

    1. (12)
    1. FOLK_00126_01 Podiumsdiskussion

Der Auszug stammt aus einer Podiumsdiskussion in der Mannheimer Musikhochschule, die aus Redebeiträgen der Ministerin für Wissenschaft, Forschung und Kunst Baden-Württembergs Theresia Bauer und anderer Vertreter aus dem Umfeld Politik, Kultur und Musik besteht. In (12) reagiert Erhard Wetz, Vizepräsident der Mannheimer Musikhochschule, auf einen Redebeitrag Bauers. Dabei leitet er durch nach dem Motto eine indirekte Redewiedergabe mit Konjunktiv I ein. Diese setzt Wetz ein, um zum Ausdruck zu bringen, dass aus seiner Sicht Frau Bauer die Lage des Studienangebots der Musik in Baden-Württemberg als positiv bzw. positiver als in anderen Bundesländern bewertet. Nach dem Motto dient also hier dazu, Implizites durch eine fiktive Redewiedergabe zu veranschaulichen. Auch in diesem Fall ist nach dem Motto syntaktisch desintegriert.

Die hier angeführten Beispiele sind allen anderen Vorkommen von nach dem Motto in FOLK ähnlich. Insgesamt lässt sich Folgendes zur Verwendungsweise von nach dem Motto in FOLK festhalten. Nach dem Motto stellt eine Ressource zur Veranschaulichung nicht-aktueller eigener oder fremder Gedanken bzw. Einstellungen dar. Dabei ist es durchgängig syntaktisch desintegriert, d.h., es befindet sich außerhalb der Satzstruktur. Darauf folgt die Redewiedergabe, die syntaktisch von nach dem Motto unabhängig ist. Zwischen nach dem Motto und der Redewidergabe können Disfluenzmarker wie leere und gefüllte (z.B. mit hm) Pausen auftreten, die typischerweise auf Schwierigkeiten bzw. Formulierungsprobleme des Sprechers hinweisen. Die oft auftretende Partikel so in so nach dem Motto zeugt für den Vagheitscharakter der Wiedergabe. Der Anfang des fiktiven Zitats kann durch Partikeln wie ja, okay oder Interjektionen signalisiert werden. An den angeführten Beispielen lässt sich ferner beobachten, dass Motto in FOLK desemantisiert ist, d.h. nicht in seiner ursprünglichen Bedeutung von ‚Leitspruch‘ verwendet wird, da es eben keine Redewendung bzw. Devise einleitet.

Kommen wir nun zur Verwendung von nach dem Motto in Pressetexten. Unter den ersten 60 Vorkommen von nach dem Motto im Jahrgang 2018 der Süddeutschen Zeitung sind neben der bereits in FOLK festgestellten Verwendung als Einleiter von Redewiedergabe drei weitere Verwendungen belegt. So tritt nach dem Motto in einigen Belegen zusammen mit dem dazugehörigen Zitat bzw. dem dazugehörigen festen Ausdruck im Vorfeld (Beispiel 13) bzw. Mittelfeld (Beispiel 14) auf. In einigen Fällen steht nach dem Motto im Mittelfeld, wobei der dazugehörige Ausdruck im Nachfeld realisiert wird (Beispiel 15). Im Gegensatz zu den Vorkommen aus FOLK, bei denen nach dem Motto durchgängig syntaktisch desintegriert ist, ist nach dem Motto bei diesen drei Verwendungen aus den Pressetexten der Süddeutschen Zeitung durchgängig syntaktisch integriert.

    1. (13)
    1. Ähnlich äußert sich nach ihrer Wiederwahl Fraktionschefin Göring Eckardt. Nach dem Motto alles nur geklaut hätten Union und SPD bei den Sondierungen abgekupfert, was die Grünen etwa zum Thema Pflege vorgelegt hätten.
    2. (U18/JAN.01332 Süddeutsche Zeitung, 13.01.2018, S. 6; Die Laune war schon mal besser)
    1. (14)
    1. Sollten wir Menschen vielleicht insgesamt wieder etwas häufiger nach dem Motto Pi mal Daumen agieren, um uns auf die wirklich wichtigen Dinge des Lebens besser konzentrieren zu können?
    2. (U18/JAN.00923 Süddeutsche Zeitung, 10.01.2018, S. 8; Mittlerweile denken wir nur noch in Zahlen)
    1. (15)
    1. Überflüssig ist es allerdings, dass sich die Partei dabei gleich dem Verdacht aussetzt, nach dem Motto zu verfahren: Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht nass.
    2. (U18/FEB.02617 Süddeutsche Zeitung, 14.02.2018, S. 4; FPÖ)

In (13) treten nach dem Motto und der feste zitathafte Ausdruck alles nur geklaut6 im Vorfeld des Satzes auf. Zusammen bilden sie nach der Klassifikation von Bücker ein Motto-Supplement, d.h. ein adverbiales Satzglied, das nicht als Verbalargument fungiert. In (14) stehen nach dem Motto und der feste Ausdruck Pi mal Daumen (mit der Bedeutung ‘ungefähr’) im Mittelfeld und bilden ein Komplement des Verbs agieren. Und in (15) tritt nach dem Motto im Mittelfeld auf, wobei die dazugehörige Redewendung im Nachfeld nachgetragen wird. Diese zusammen mit nach dem Motto bildet wie nach dem Motto Pi mal Daumen in (14) ein Komplement des Verbs (hier verfahren). Die Positionierung der Redewendung Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht nass im Nachfeld lässt sich zweierlei begründen. Zum einen handelt es sich um eine schwere Konstituente, die nach dem Gesetz der wachsenden Glieder von Behaghel (1932: 6) nach rechts tendiert. Zum anderen sorgt die Position im Nachfeld dafür, dass die Redewendung in den Vordergrund der Information gestellt wird. Diese drei Belege illustrieren die in den Daten festgestellte allgemeine Tendenz von Motto, in der ursprünglichen Bedeutung von ‚Leitspruch‘ aufzutreten. Das heißt, im Gegensatz zu den Daten aus FOLK dominiert in den für diese Untersuchung herangezogenen Pressetexten die nicht desemantisierte Verwendung von nach dem Motto.

Tabelle 4

Distribution von nach dem Motto im Korpus

Pressetexte (DeReKo, Süddeutsche Zeitung Jahrgang 2018) Gespräche (FOLK)
Syntaktisch desintegriert mit der Bedeutung ‚Leitspruch‘ 19 4
Syntaktisch desintegriert ohne die Bedeutung ‚Leitspruch‘ 17 26
Syntaktisch integriert mit der Bedeutung ‚Leitspruch‘ 24 0
Summe 60 30

Tabelle 4 stellt die Verteilung der verschiedenen Verwendungen von nach dem Motto in den FOLK-Gesprächen der in den Pressetexten der Süddeutschen Zeitung meines Korpus gegenüber. Während in den Pressetexten beide syntaktischen Verwendungstypen (nicht-integriertes und integriertes nach dem Motto) belegt sind, tritt im FOLK nur die Verwendung von nach dem Motto als syntaktisch nicht integrierte Einleitung von Redewiedergabe auf. Während in den Pressetexten nach dem Motto in der Mehrheit der Fälle mit der Bedeutung ‚Leitspruch‘ verwendet wird, überwiegt in den gesprochen-sprachlichen Daten die desemantisierte Verwendung. Desintegriertes und desemantisiertes nach dem Motto scheint dabei ein gesprächsrhetorisches Mittel darzustellen, das vor allem mit den Bedingungen der spontanen informellen Interkation einhergeht.

3.2 Von wegen

Zunächst führe ich Beispiele für nicht-oppositives von wegen an. In Auszug (16), der aus einem Gespräch unter Freundinnen stammt, leitet von wegen eine direkte Redewiedergabe ein:

    1. (16)
    1. FOLK_00052_01 Tischgespräch

An dieser Stelle erzählt SK, dass es in Florenz ein Museum über berühmte Serienmörder gibt. Im Anschluss daran beginnt eine Sequenz gleichlaufender negativer Bewertungen, die von AM und LP abwechselnd realisiert werden. Diese Sequenz stellt ein Beispiel für ein Bewertungsbündel dar. In diesem Bündel gleichlaufender negativer Bewertungen signalisieren sich die Sprecherinnen gegenseitig Übereinstimmung. Nachdem AM gesagt hat, dass sie das Serienmörder-Museum für schlimm hält, folgt ein Versuch, diese negative Bewertung zu erläutern durch d d fördern noch dann auch sozusagen di ju Jugend wenn die des dann sehen. Auf diesen Erklärungsversuch, der durch Disfluenzmarker wie d d und ju Jugend gekennzeichnet ist, und semantisch vage (die Referenz von ddie – ist aus dem Kontext nicht eindeutig zu entnehmen) ist, folgt die direkte Rede, die durch von wegen eingeleitet wird. Diese direkte Rede wird von Sprecherin AM eingesetzt, um ihre negative Bewertung zu verstärken.

Von wegen in Kombination mit direkter Rede kann in meinen Daten auch als Modifikation des substantivischen Kopfes einer Nominal- oder Präpositionalphrase auftreten. Ein Beispiel hierfür tritt in Auszug (17) auf, in dem von wegen eine Redewiedergabe einleitet, die das Substantiv Einstellung der Nominalphrase diese Einstellung modifiziert bzw. expliziert.

    1. (17)
    1. FOLK_00047_01 Tischgespräch

Der Auszug stammt aus einem Gespräch beim Essen. Freund PB und Freundin AM unterhalten sich über das Studium und Praktika. PB hat gerade erzählt, dass er für sein Praktikum ein teures Buch kaufen muss. Dies wird von AM kritisiert, wobei sie die Kritik auf BWL-Studiengänge im Allgemeinen ausweitet, bei denen verlangt wird, dass man als Student viel Geld fürs Studium ausgibt. Auch hier lassen sich die typischen Eigenschaften der Kombination von wegen und Redewiedergabe feststellen: Disfluenzmarker zwischen von wegen und der direkten Rede und kurze Redewiedergabe einer einzigen Quelle. Dabei wird die Einstellung der Universitäten bzw. Studiengänge durch eine Redewiedergabe veranschaulicht, die keiner genauen Person zuschreibbar ist.

In nicht-oppositiver Verwendung kann von wegen außerdem Syntagmen oder elliptischen Strukturen vorangehen, wobei diese Struktur den substantivischen Kopf einer Phrase modifiziert. Ein Beispiel hierfür tritt in Auszug (18) auf, in dem die von wegen-Struktur mit der Verbalphrase viel Geld haben das Substantiv Klischee modifiziert:

    1. (18)
    1. FOLK_00180_01 Sprachbiographisches Interview

Kommen wir nun zu Beispielen für oppositives von wegen. In Auszug (19) tritt von wegen als eigenständige Äußerung auf, die sich anaphorisch auf das zuvor Gesagte bezieht.

    1. (19)
    1. FOLK 000_66_01 Gespräch unter Freunden

Sprecher PA spricht mit Freunden über seine Schmerzen am Ischiasnerv. Zunächst formuliert er die eigenen Gedanken über eine mögliche Lösung (das Sich Hinlegen) und im Anschluss daran drückt er mit von wegen das Scheitern deines Lösungsversuchs bzw. seiner Überlegungen aus.

In zwei Fällen tritt in den gesprochen-sprachlichen Daten von wegen mit oppositiver Semantik unmittelbar vor dem Ausdruck auf, von dem sich der Sprecher distanzieren möchte. Ein Beispiel hierfür ist (20) aus einer Spielinteraktion unter Erwachsenen. Die Teilnehmer spielen Fußball-Manager. Bei diesem Spiel soll sich jeder Teilnehmer mit einem fiktiven Kapital Fußballspieler der Bundesliga ersteigern und eine eigene Mannschaft zusammenstellen. Ein Spieler (SK) hatte im Vorlauf der Konversation gesagt, er wolle Spieler der Mannschaft Schalke ersteigern. Im Laufe des Spiels stellt sich aber heraus, dass er hauptsächlich Spieler des FC Bayern (18, wie er in Zeile 1238 zugibt) kauft. Daraufhin kommentiert Teilnehmer DK mit einer von wegen-Äußerung. Darauf folgen weitere witzige Kommentare der anderen Teilnehmer.

    1. (20)
    1. FOLK_00021_01 Spielinteraktion zwischen Erwachsenen

Kommen wir nun zu den Belegen von von wegen in den schriftlichen Daten aus der Süddeutschen Zeitung. Hierbei tritt von wegen im Großteil der Belege (86/88) mit oppositiver Semantik auf und zwar kann es seinem Bezugsausdruck vorangestellt werden – Beispiel (21) – oder eine selbständige Äußerung bilden und sich anaphorisch auf Vorangegangenes beziehen, wie in (22).

    1. (21)
    1. Von wegen gefällt mir. Facebook steht derzeit wegen eines Datenskandals unter gewaltigem Druck.
    2. (U18/MAR.03175 Süddeutsche Zeitung, 23.03.2018, S. 16; Facebook Wie das Netzwerk seine Nutzer schützen will und welche Möglichkeiten sie selbst haben)
    1. (22)
    1. Alles gut also in der Währungsunion? Von wegen! Griechenland drücken noch immer hohe Schulden. Italiens designierte Regierung provoziert die Partner und dem Euro fehlt immer noch ein Mechanismus, um Krisen zu verhindern. Das Defizitverfahren bietet ein gutes Beispiel dafür, was in der Währungsunion alles nicht funktioniert.
    2. (U18/MAI.02718 Süddeutsche Zeitung, 24.05.2018, S. 15; Europas Defizite)

In zwei Fällen aus meinen Daten der Süddeutschen Zeitung leitet von wegen indirekte Redewiedergabe ein, wie in Beispiel (23), in dem von wegen die Redewiedergabe wer denn dieser Botschafter sei, dieser Kolonialoffizier, Stadtkommandant oder Hundepfeifer einleitet:

    1. (23)
    1. Das gab natürlich ein hübsches Geschrei, von wegen wer denn dieser Botschafter sei, dieser Kolonialoffizier, Stadtkommandant oder Hundepfeifer. Was den deutschen Twitter-Bewohnern eben so einfiel.
    2. (U18/JUN.02267 Süddeutsche Zeitung, 18.06.2018, S. 3; Wir sind die Neuen)

Tabelle 5 gibt einen Überblick über die Verteilung der verschiedenen Verwendungen von von wegen.

Tabelle 5

Distribution von von wegen im Korpus

Pressetexte (DeReKo, Süddeutsche Zeitung Jahrgang 2018) Gespräche (FOLK)
nicht-oppositives von wegen + direkte Rede 27
nicht-oppositives von wegen + indirekte Rede 2 8
nicht-oppositives von wegen + X (eine Phrase oder ein elliptischer Ausdruck) 17
oppositives von wegen + X (eine Phrase oder ein elliptischer Ausdruck) 57 3
Oppositives anaphorisches von wegen! 29 5
Zweifelsfälle / nicht auswertbar 5
Summe 88 65

Zusammenfassend lässt sich Folgendes zu von wegen in FOLK und in den herangezogenen Daten aus der Süddeutschen Zeitung festhalten: Im Großteil der Belege aus den mündlichen Daten von FOLK wird von wegen mit nicht-oppositivem Wert verwendet und leitet Redewiedergabe bzw. zitathafte Ausdrücke ein. Demgegenüber dominiert in den Daten aus der Süddeutschen Zeitung das oppositive von wegen.

3.3 Zusammenfassung

Der Zugriff auf mündliche und schriftliche Korpusdaten hat es erlaubt, das Verwendungsspektrum von nach dem Motto und von wegen aufzudecken. Beide Ausdrücke werden im Gesprochenen typischerweise zur Einleitung von Redewiedergabe eingesetzt. Wie an den angeführten Beispielen festgestellt werden kann, leiten beide Ausdrücke tendenziell kurze Redewiedergaben einer einzigen Quelle bzw. eines einzelnen Sprechers ein (vgl. Clift 2007: 121„fleeting uses“). Sie stehen also anderen Ausdrücken gegenüber, die zur animierten Inszenierung nicht-aktueller Rede dienen und längere, durch Sprecherwechsel gekennzeichnete, Redewiedergaben einleiten, wie verba dicendi (Butterworth 2015) und ich so/sie so (Golato 2000; Mertzlufft 2014).

In den schriftlichen Belegen aus der Süddeutschen Zeitung werden die beiden Formen überwiegend als Einleiter von Ausdrücken (Phrasen, Ellipsen, Sätze) mit einem mehr oder weniger stark zitathaftem Charakter eingesetzt, wobei nach dem Motto aufgrund seiner ursprünglichen Semantik mit der Bedeutung ‚Leitspruch‘ verwendet werden und somit eine Redewendung einleiten kann. An den Daten lässt sich ferner feststellen, dass von wegen im Gegensatz zu nach dem Motto dazu tendiert, in vielen Kontexten – vor allem in den Pressetexten – in oppositiver Verwendung aufzutreten.

4. Didaktisierung: Korpusbasierte Erstellung von illustrativen Unterrichtsmaterialien

Am Beispiel des Englischen hat Mukherjee (2002: 128-132) gezeigt, dass der Zugriff auf digitale Korpora es erlaubt, illustrative korpusbasierte Unterrichtsmaterialien zu erstellen. Dabei handelt es sich um Listen von Korpusbelegen, aus denen Lernende unter Anleitung des Lehrenden induktiv Gebrauchsmuster einer bestimmten Form ableiten können. Hieran anknüpfend sollen im Folgenden auf der Basis der in Abschnitt 3 durchgeführten Korpusanalyse illustrative Unterrichtsmaterialien zu nach dem Motto und von wegen vorgeschlagen werden. Diese eignen sich für den DaF-Unterricht ab einem B2-Niveau und für Lehrveranstaltungen der germanistischen Linguistik mit Schwerpunkt Gesprochenes Deutsch oder Text- bzw. Gesprächssorten. Dabei soll im Mittelpunkt der Vergleich zwischen Schriftlichkeit und Mündlichkeit stehen. Diese ist, wie in der Einleitung bereits darauf hingewiesen wurde, einer in der DaF-Didaktik oft vernachlässigter Aspekt (vgl. auch Mukherjee 2002: 142-149).

Zur Thematisierung von nach dem Motto im DaF-Unterricht kann zunächst Motto im online frei zugänglichen digitalen Wörterbuch der deutschen Sprache (www.dwds.de, 27.05.2021) nachgeschlagen werden und auf dessen ursprüngliche Bedeutung ‚Leitspruch‘ hingewiesen werden. Der Wörterbucheintrag sieht wie folgt aus:

Abbildung 1
Abbildung 1

DWDS-Wörterbucheintrag von Motto

Weiter unten im DWDS-Wörterbucheintrag wird eine sogenannte Schlagwortwolke (Geyken 2011) angeführt. Diese gibt einen Überblick über die statistisch signifikanten syntagmatischen Beziehungen von Motto, d.h. die Wörter, mit denen Motto am häufigsten kookkurriert:

Abbildung 2
Abbildung 2

Schlagwortwolke von Motto

In der Schlagwortwolke signalisiert die Schriftgröße der Wörter die Kookkurrenzhäufigkeit: Je größer, desto häufiger. An dieser Schlagwortwolke lässt sich erkennen, dass Motto am häufigsten mit dem Verb lauten auftritt. Wenn man auf den Buchstaben „b“ neben lauten klickt, erscheinen Korpusbelege für Motto in Kookkurrenz mit diesem Verb. Analoge Beispiele können auch aus DeReKo entnommen werden, und zwar durch folgende Schritte:

  1. Auf der Seite https://cosmas2.ids-mannheim.de/cosmas2-web/ (27.05.2021) können sich Nutzer unter „Anmeldung“ und „Registrierung“ registrieren und Zugang zur Benutzeroberfläche Cosmas II bekommen;

  2. Auf der Hauptseite von Cosmas II können Nutzer in der Liste der vordefinierten Archive das „Archiv der geschriebenen Sprache“ und – in einem zweiten Schritt – „sz- Süddeutsche Zeitung 1992-2020“ selegieren;

  3. Durch Anklicken auf „sz- Süddeutsche Zeitung 1992-2020“ gelangt man auf der Oberfläche zur Korpusabfrage. Durch Eingabe des Worts Motto bekommt man eine nach Jahrgang geordnete Liste der Belege.

Aus den auf diese Weise ermittelten Belegen bieten sich für die Illustration der ursprünglichen Se-mantik von Motto zum Beispiel folgende an:

    1. (24)
    1. Retter der Ozeane, titelte nun eine holländische Zeitschrift und schmückte sich mit Slats Gesicht auf dem Cover: Wuschelhaare, blaue Augen, Wasser an der Windjacke. Holländer des Jahres. Dabei hat Slat die Ozeane noch nicht gerettet. Das Motto von The Ocean Cleanup lautet: The largest cleanup in history, die größte Säuberungsaktion der Geschichte. Diese hat nicht einmal angefangen.
    2. (U18/JAN.00292 Süddeutsche Zeitung, 04.01.2018, S. 3; Viel Spaß noch)
    1. (25)
    1. Das größte Problem für den freien Wettbewerb ist die Internetökonomie. Denn die hat eine verhängnisvolle Tendenz zum Monopol. Die großen US-Konzerne wie Google, Amazon oder Facebook setzen ganz neue Regeln. Wer über die meisten Daten verfügt, hat schnell die größte Macht, alle anderen aber haben das Nachsehen. Im Netz gilt das Motto: The winner takes it all. Wer schon groß ist, wird immer größer und diktiert am Ende den Verbrauchern die Bedingungen. Widerstand zwecklos. Aber Konzerne, so groß sie auch sein mögen, dürfen nicht über den Kartellbehörden stehen.
    2. (U18/JAN.00362 Süddeutsche Zeitung, 04.01.2018, S. 17; Wettbewerb)
    1. (26)
    1. Hat er. Die Auflösung kommt dann später, als er sich mit Journalisten zum Gespräch zurückzieht. Alle sitzen auf Stühlen. Nur er hockt lässig auf einer Tischkante, das linke Bein vorgeschoben. Die Kameras bleiben aus, es wird offener als sonst geplaudert, denn dies hier ist keine Pressekonferenz. Das Motto des Dreikönigstreffens 2018 lautet: Neue Generation Deutschland. In dem Gespräch mit Lindner geht es auch um ein Interview, das der Grünen-Politiker Robert Habeck, der Parteichef werden möchte, kürzlich der Bild gegeben hatte. Darin machte er an erster Stelle die mangelnde Autorität der Kanzlerin für das Scheitern der Jamaika-Gespräche verantwortlich, und dann erst die FDP. Und Lindner? Pfeift was so viel wie wow bedeuten soll. Habeck sitzt für eines der Fotos zu dem Interview übrigens auf dem Tisch.
    2. (U18/JAN.00362 Süddeutsche Zeitung, 04.01.2018, S. 17; Wettbewerb)
    1. (27)
    1. 18 Miles of Books (nach dem metrischen System rund 29 Kilometer Bücher) lautet das Motto des Ladens bis heute. Was im Zeitalter von Amazon vielleicht nicht mehr ganz so beeindruckend ist, aber 1957, als Fred Bass das kleine Antiquariat seines Vaters Ben von der Book Row auf der 4. Avenue an den Broadway nicht weit vom Union Square verlegte, war das kühn.
    2. (U18/JAN.00718 Süddeutsche Zeitung, 08.01.2018, S. 13; Strand Books-Chef Fred Bass ist tot)
    1. (28)
    1. Lange bevor Trump sein Erscheinen angekündigt hat, hatten die Organisatoren das Motto des diesjährigen Forums festgelegt. Es lautet: Für eine gemeinsame Zukunft in einer zersplitterten Welt. Dass die Welt gerade so zersplittert ist, hat auch etwas mit jenem Trump zu tun. Schon kurz vor dem Treffen hatte Handelsminister Ross neue Strafzölle gegen China angekündigt, von 174 Prozent auf Edelstahl und 40 Prozent auf Polyester-Produkte war die Rede. Das könnte, so befürchtet man nicht nur in Peking, der Auftakt sein zu einem großen Handelskrieg, der am Ende auch Europa mit hineinziehen könnte.
    2. (U18/JAN.02265 Süddeutsche Zeitung, 20.01.2018, S. 26; Weltwirtschaftsforum Wie die große Politik die Gespräche der Top-Manager bestimmt)

Durch die Kookkurrenzanalyse von Cosmas II lässt sich die bereits an der Schlagwortwolke des DWDS beobachtete Kookkurrenz von Motto und dem Verb lauten verifizieren. Abbildung 3 zeigt einen Teil der Kookkurrenzen mit der Form lautet:

Abbildung 3
Abbildung 3

Kookkurrenzen von Motto mit lautet in DeReKo

In einem weiteren Schritt können schriftliche Belege aus der Süddeutschen Zeitung angeführt werden, in denen Motto in der festen Wendung nach dem Motto auftritt. Dabei kann auch in diesem Fall die Abbildung der Kookkurrenzanalyse im linken Bereich von Motto (Abbildung 4) verwendet werden, um zu zeigen, dass nach dem die häufigsten Elemente vor Motto sind:

Abbildung 4
Abbildung 4

Kookkurrenzanalyse im linken Bereich von Motto

Kommen wir nun zu nach dem Motto in den gesprochen-sprachlichen Daten von FOLK. FOLK ist nach Registrierung in der Datenbank für Gesprochenes Deutsch (kurz: DGD, https://dgd.ids-mannheim.de/dgd/pragdb.dgd_extern.welcome, 27.05.2021) frei zugänglich. Nach Anmeldung in der DGD können Nutzer in der oberen Leiste unter „Recherche“ die Funktion „tokens“ wählen. Beim Anklicken auf „tokens“ gelangt man auf der Seite, die in Abbildung 5 zu sehen ist:

Abbildung 5
Abbildung 5

Token-Suche in der DGD

Links sind die Korpora der DGD aufgelistet: darunter FOLK, das hier selegiert werden soll. Oben rechts kann dann Motto im Feld „Normalisiert“ eingegeben werden. Durch Anklicken auf „Suche starten“ bekommt man die Liste aller Belege für Motto im FOLK. In Abbildung 6 sind die ersten 20 Treffer zu sehen.

Abbildung 6
Abbildung 6

Erste 20 Treffer für Motto in FOLK

Durch Anklicken der Pfeile oben links oberhalb der Belegliste lassen sich die Kontexte links von Motto anordnen, sodass die Vorkommen für nach dem Motto direkt untereinander erscheinen, wie in Abbildung 7 zu sehen ist:

Abbildung 7
Abbildung 7

Nach linkem Kontext sortierte Motto-Treffer in FOLK

Belege für nach dem Motto aus FOLK lassen sich denen aus DeReKo gegenüberstellen. Aus DeReKo (Süddeutsche Zeitung Jahrgang 2018) können zum Beispiel folgende angeführt werden:

    1. (29)
    1. Sicher kann man sich fragen, wieso männliche Models überrascht sind, wenn sie sich bei einem berühmten Akt-Fotografen ausziehen sollen. Man kann aber auch fragen, ob es unverantwortlich von einer Modelagentur war, diese Männer zu diesem Fotografen zu schicken. Aus dem Text in der New York Times geht hervor, dass hinter den Kulissen der Industrie schon seit Jahren getuschelt wurde, und ja, dass manche Agenten anscheinend nach dem Motto handelten: Da musst du durch.
    2. (U18/JAN.01974 Süddeutsche Zeitung, 18.01.2018, S. 11; Ich bin das Mädchen)
    1. (30)
    1. Das wird noch ziemlich lange dauern, vielleicht geht es auch nie. Sicher wird man einem Roboter Fragen stellen können, aber im Hintergrund spult dann eine Software, und am Ende wird etwas ausgespuckt wie bei einer automatisierten Ansage. Aber ein reflektiertes Interview, das wird schwierig. Wir neigen dazu, Visionen für fassbare Münze zu nehmen. Nach dem Motto, übermorgen laufen da auf der Straße die menschenähnlichen Roboter rum, und wir wissen nicht mehr, wer wer ist.
    2. (U18/JAN.03487 Süddeutsche Zeitung, 29.01.2018, S. 20; MONTAGSINTERVIEW MIT ARMIN GRUNWALD)
    1. (31)
    1. Ansonsten vermisst Ernst in Berlin die Berge, das Wandern und Skifahren, auch wenn er, der gerne kocht, die Kultur und das Kulinarische in der Hauptstadt schätzt. Er zeigt das Foto eines uralten österreichischen Almhofs, den er früher gepachtet hatte. Und er zeigt eine Pinnwand mit Zeitungsausschnitten, die ihm etwas bedeuten. Dort hängt auch ein Kabarett-Flyer, der die grinsenden Linken-Politiker Gregor Gysi und Oskar Lafontaine zeigt samt dem Schriftzug: Reichtum für alle und einen Porsche für Klaus. Heute kann Klaus Ernst darüber lachen, dass ihm sein Porsche-Oldtimer einst Ärger einbrachte. Nach dem Motto: Linker, aber Porsche.
    2. (U18/FEB.03556 Süddeutsche Zeitung, 20.02.2018, S. 17; NAHAUFNAHME)

Aus FOLK können zum Beispiel folgende Belege im Unterricht besprochen werden:

    1. (32)
    1. FOLK_00077_01 Gespräch beim Friseur (siehe Auszug (10) oben)

    1. (33)
    1. FOLK_00004_01 Unterrichtsstunde in der Berufsschule (Die Lehrerin GS fasst den Inhalt der vorigen Sitzung zusammen, in der sie u.a. über die Rolle des Ausbilders gesprochen hatte)

Durch Gegenüberstellungen wie diese können Studierende den zitathaften bzw. Slogan-artigen Charakter der Ausdrücke der Belege aus der Süddeutschen Zeitung feststellen. Dies liegt in den Belegen (32) und (33) der gesprochenen Sprache nicht vor, denn diese sind vielmehr Versuche, Gedanken bzw. Einstellungen durch Redewiedergabe zu veranschaulichen. Hierdurch lässt sich gut zeigen, dass nach dem Motto im Gesprochenen eine zusätzliche Funktion haben kann und zwar kann es in syntaktisch desintegrierter Form verwendet werden, um Redewiedergabe einzuführen. Bei dieser Verwendung lässt sich auch beobachten, dass die Semantik des Leitspruchs nicht vorhanden und also verblichen ist.

Auf ähnliche Weise können illustrative korpusbasierte Materialien zu von wegen erstellt werden. In diesem Fall handelt es sich um eine Kombination aus zwei Präpositionen mit hoher abstrakter Bedeutung. Folglich lässt sich von wegen im Gegensatz zu Motto bei nach dem Motto nicht anhand der lexikalischen Semantik einführen, sondern über dessen Zusammenhang mit der Präposition wegen. So kann in diesem Fall der Eintrag im digitalen Wörterbuch der deutschen Sprache (www.dwds.de, 27.05.2021) zu wegen als Ausgangspunkt dienen. Dort werden nach der Bedeutungsangabe der einfachen Präposition wegen drei Verwendungen von von wegen angegeben, wie in Abbildung 8 zu sehen ist: von wegen als kausaler Präposition (wie in von wegen des Schwimmkieses), von wegen als kausale Zirkumposition (wie zum Beispiel in von Rechts wegen) und oppositives von wegen als selbständige Äußerung (Von wegen!).

Abbildung 8
Abbildung 8

DWDS-Eintrag zu von wegen als kausaler Präposition, kausaler Zirkumposition und selbständiger Äußerung.

An die im DWDS beschriebene dritte Verwendung, d.h. von wegen als selbständige Äußerung, anknüpfend, können zunächst Belege aus der Süddeutschen Zeitung wie (34) bis (38) angeführt werden, aus denen der oppositive Charakter hervorgeht und denen jeweils eine Entscheidungsfrage vorangeht, auf die sich von wegen (oppositiv) anaphorisch bezieht. Der oppositive Wert von von wegen lässt sich aus den Nachfolgeäußerungen ableiten, durch die auf die Frage negativ geantwortet wird.

    1. (34)
    1. Skifahren war mal herrlich entspannt, geradezu schneeflockenleicht. Einfach irgendeine alte Jacke an, Mütze auf, Schnee gab es immer, Bewegungsfreiheit am Berg auch als dieser Sport noch nicht den hochgerüsteten Technik-Freaks gehörte, sondern den eleganten Schön- und Schönwetterfahren. Die Zeiten sind vorbei? Von wegen. Etwas abseits der alpinen Massenabfertigung kann man noch immer genussvoll Ski fahren. Wichtiger als die Ausrüstung ist dabei die innere Einstellung.
    2. (U18/JAN.00550 Süddeutsche Zeitung, 05.01.2018, S. 53; Kommt mal runter)
    1. (35)
    1. Zunächst konterten die Deutschen: Keine zwei Minuten später erwischte bei einem Konter Dominik Kahun den Puck und erhöhte mit feinem Schuss auf 3:1. Die Vorentscheidung? Von wegen! Schweden bekam postwendend eine Überzahlsituation, und Patrik Hersley, der zuvor ein halbes Dutzend Mal am Tor vorbeigezogen hatte, traf (50.). Schon zwei Minuten folge der Ausgleich, das 3:3, erzielt von Mikael Wikstrand. Um ein Haar wäre den Schweden in der Folge ein Eigentor unterlaufen (58.), aber im letzten Moment zuckte Torwart Viktor Fasth und hielt den Puck.
    2. (U18/FEB.03866 Süddeutsche Zeitung, 22.02.2018, S. 25; Olympische Kringel)
    1. (36)
    1. In Tribsees ist nichts los? Von wegen, seit Teile der A 20 im Oktober 2017 weggebrochen sind, ist hier in der Gegend einiges los.
    2. (U18/MAI.00922 Süddeutsche Zeitung, 09.05.2018, S. 3; Bodenlos)
    1. (37)
    1. Alles gut also in der Währungsunion? Von wegen! Griechenland drücken noch immer hohe Schulden. Italiens designierte Regierung provoziert die Partner und dem Euro fehlt immer noch ein Mechanismus, um Krisen zu verhindern. Das Defizitverfahren bietet ein gutes Beispiel dafür, was in der Währungsunion alles nicht funktioniert.
    2. (U18/MAI.02718 Süddeutsche Zeitung, 24.05.2018, S. 15; EURO)
    1. (38)
    1. Jede einzelne Zelle im Körper enthält den gleichen erblichen Bauplan? Von wegen, ein Mensch hat zahlreiche genetische Identitäten. Sogar das Gehirn kennt nicht nur ein Selbst.
    2. (U18/JUN.01929 Süddeutsche Zeitung, 15.06.2018, S. 14; Ich bin viele)

Belege wie (34) bis (38) können – ähnlich wie bei Motto (siehe oben) – aus dem Jahrgang 2018 der Süddeutschen Zeitung wie folgt extrahiert werden:

  1. Auf der Seite https://cosmas2.ids-mannheim.de/cosmas2-web/ (27.05.2021) können sich Nutzer unter „Anmeldung“ und „Registrierung“ registrieren und Zugang zur Benutzeroberfläche Cosmas II bekommen;

  2. Auf der Hauptseite von Cosmas II können Nutzer in der Liste der vordefinierten Archive das „Archiv der geschriebenen Sprache“ und – in einem zweiten Schritt – „sz- Süddeutsche Zeitung 1992-2020“ selegieren;

  3. Durch Anklicken auf „sz- Süddeutsche Zeitung 1992-2020“ gelangt man auf der Oberfläche zur Korpusabfrage. Durch Eingabe der Wortabfolge von wegen bekommt man eine nach Wortform (d.h. Groß- vs. Kleinschreibung) geordnete Liste der Belege. Daraus können die Formen mit großgeschriebenem V (Von wegen) herausgefiltert werden.

Anschließend kann eine Beispielreihe zum vorangestellten oppositiven von wegen angeführt werden. Hierbei können Lernende erkennen, dass in diesem Fall von wegen ebenfalls einen oppositiven Wert hat, dass aber sich dieser auf die darauffolgende Phrase bzw. Äußerung bezieht. Am besten lassen sich hier satzinitiale von wegen-Vorkommen anführen, wie die in Abbildung 9 aus DeReKo:

Abbildung 9
Abbildung 9

Satzinitiale oppositive von wegen-Vorkommen

Zum Vergleich zwischen Mündlichkeit und Schriftlichkeit können Lernende durch eine struktur-sensitive Token-Suche in FOLK selbst feststellen, dass der Großteil der Belege für von wegen in den Gesprächen nicht oppositiv ist, sondern vielmehr Redewiedergabe einleiten, wie in den oben angeführten Beispielen (16) und (17).

5. Fazit

Im Mittelpunkt des vorliegenden Aufsatzes standen die Formen nach dem Motto und von wegen, die sich durch ihre Multifunktionalität kennzeichnen. Ausgehend von Bückers (2008, 2009, 2013) Arbeiten zu nach dem Motto und von wegen im gesprochenen Deutsch konnte exemplarisch anhand einer Korpusanalyse in FOLK und DeReKo ihr Verwendungsspektrum in Bezug auf die Opposition Schriftlichkeit-Mündlichkeit aufgedeckt werden. Aus der Analyse hat sich ergeben, dass die verschiedenen Verwendungen eine starke Textsortenabhängigkeit aufweisen. So haben beide Formen in ihrer Verwendung in gesprochen-sprachlichen Daten die Gemeinsamkeit, dass sie syntaktisch desintegriert sind und zur Signalisierung von Redewiedergabe genutzt werden. In den Schriftdaten von DeReKo (Süddeutsche Zeitung, Jahrgang 2018) dominieren demgegenüber ganz andere Verwendungen: nach dem Motto kann sowohl syntaktisch integriert als auch desintegriert auftreten und dient dazu, einen Leitspruch einzuführen. Von wegen hat überwiegend einen oppositiven Wert und kann entweder isoliert als selbständige Einheit Vorangegangenes in Frage stellen oder sich kataphorisch auf eine nachgestellte Äußerung beziehen. Im dritten Teil des Aufsatzes wurde versucht zu zeigen, wie Korpusdaten als Grundlage für einen datengeleiteten DaF-Unterricht eingesetzt werden können. Hierbei wurde vorgeschlagen, eine Auswahl aus den Belegen zur Erstellung von illustrativen Materialien zu verwenden. Durch die Korpussuche lassen sich Gruppen von Belegen finden und sammeln, aus denen aufgrund deren Ähnlichkeit Lernende auf einfache Weise Informationen zu formalen und textsortenspezifischen Verwendungsbedingungen ableiten können. Dies schärft ihren Blick auf die Fremdsprache und trägt dazu bei, Formen in ihrem konkreten Verwendungskontext zu lernen.

Notes

  1. Eine ausführliche Besprechung dieser Untersuchungen würde den Rahmen des vorliegenden Aufsatzes sprengen. Ich nenne hier nur folgende Beispiele: Selting (1995) untersucht verschiedene Typen von Fragen in gesprochen-sprachlichen Daten und zeigt, dass die in den Grammatiken gängigen Korrespondenzen zwischen Satzmodi und Intonationsverläufen nicht haltbar sind. Helmer (2016) führt eine quantitative und qualitative Untersuchung zu Deklarativsätzen mit Verbspitzenstellung im gesprochenen Deutsch durch. Dabei deckt sie Verwendungsbedingungen und Funktionen dieser syntaktischen Struktur auf, die in der Grammatikschreibung bis dahin nicht gegeben waren. [^]
  2. Unter Redewiedergaben bzw. Rededarstellungen werden hier in Anlehnung an Katelhön (2005: 133) kommunikative Aktivitäten verstanden, mit denen sich der aktuelle Sprecher „auf eine andere Sprechhandlung […] oder Kommunikationssituation […], die sich von der aktuellen Sprechhandlung […] oder Kommunikationssituation […] in mindestens einem Element unterscheidet“. [^]
  3. In den Beispielen werden die relevanten Stellen durch Fettdruck hervorgehoben. [^]
  4. Alle Auszüge aus der gesprochenen Sprache werden nach dem Transkriptionssystem GAT2 (Selting et al. 2009) wiedergegeben. In Beispiel (4) und (7) „D“ steht für den Moderator Domian und „C“ für den Anrufer (aus dem Englischen caller). [^]
  5. Der Jahrgang 2018 war der zur Zeit der Extrahierung (März 2019) der in DeReKo neueste zugängliche Jahrgang der Süddeutschen Zeitung. [^]
  6. Alles nur geklaut ist der Titel eines sehr bekannten Hits der deutschen Band Die Prinzen aus dem Jahre 1993. [^]

Literatur und Ressourcen

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Helmer, Henrike (2016): Analepsen in der Interaktion. Semantische und sequentielle Eigenschaften von Topik-Drop im gesprochenen Deutsch. Heidelberg: Winter.

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Kaiser, Julia / Schedl, Eva (2021): Das Forschungs- und Lehrkorpus Gesprochenes Deutsch als Ressource für den handlungsorientierten DaF-Unterricht – Potentiale und Herausforderungen. In: Flinz, Carolina / Hufeisen, Britta (Hrsg.): Korpora in DaF und DaZ: Theorie und Praxis. Themenausgabe der Zeitschrift für Interkulturellen Fremdsprachenunterricht, Jahrgang 26, Nummer 1 (April 2021), 45–83. https://ojs.tujournals.ulb.tu-darmstadt.de/index.php/zif/article/view/1113 (11.05.2021)

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Mukherjee, Joybrato (2002): Korpuslinguistik und Englischunterricht. Eine Einführung. Frankfurt am Main u.a.: Peter Lang.

Schmidt, Thomas (2014): The Research and Teaching Corpus of Spoken German – FOLK. In: Proceedings of the Ninth conference on International Language Resources and Evaluation (LREC’14). Reykjavik, Iceland: European Language Resources Association (ELRA). https://ids-pub.bsz-bw.de/frontdoor/deliver/index/docId/2443/file/Schmidt_Research+and+Speaking+Corpus_2014.pdf (11.05.2021).

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Kurzbio:

Manuela Caterina Moroni ist Professorin für germanistische Linguistik an der Universität Bergamo. Von 2007 bis 2020 war sie Professorin für germanistische Linguistik an der Universität Trento. 2006 Promotion in Verona. 2019 Venia docendi für deutsche Sprachwissenschaft an der Universität Bern. 2004-2007 Gastwissenschaftlerin in der Abteilung Grammatik des IDS in Mannheim. SS 2015 und WS 2020-21 Gastdozentin am Institut für Germanistik der Universität Dresden. Hauptforschungsgebiete: Modalpartikeln, Intonation des Deutschen und des Italienischen, Gesprächsforschung.

Anschrift:

Manuela Caterina Moroni

Università degli Studi di Bergamo

Dipartimento di Lingue, Letterature e Culture Straniere

Piazza Rosate 2

24129 Bergamo (BG) – Italien

manuela.moroni@unibg.it