Einleitung
Untersuchungsgegenstand des vorliegenden Aufsatzes sind Kollokationen, die ein sprachliches Phänomen darstellen, an dem sprachwissenschaftliche Studien seit der Jahrtausendwende großes Interesse zeigen (vgl. etwa Scherfer 2001; Hausmann 2007; Reder 2011). Die einschlägige Fachliteratur belegt, dass Kollokationen in mehreren Disziplinen wie Lexikologie, Fachsprachenforschung, Korpuslinguistik und Sprachlehrforschung intensiv erforscht werden (Reder 2011: 131).
Die Ansicht, dass Wörter keine Einzelgänger1 sind, sondern dass sie in der Regel in Verbindung mit anderen Wörtern vorkommen, wird im vorliegenden Aufsatz vertreten. Im mentalen Lexikon jedes Sprechers bzw. jeder Sprecherin sind nicht nur einzelne Wörter gespeichert, sondern auch vorgefertigte sprachliche Sequenzen, die als ein einzelnes Lexem abgerufen werden. Zu den vorgefertigten sprachlichen Sequenzen werden Kollokationen gerechnet (Gevkalyuk 2009: 50). Kollokationen treten in allen Bereichen des Lexikons auf: zur Benennung von alltäglichen Vorgängen und Tätigkeiten (den Tisch decken), im abstrakten Bereich (Hilfe leisten) und in der fachsprachlichen Kommunikation, wie beispielsweise in der Mikrosprache des Tourismus (eine Reise antreten). Kollokationen sollten demzufolge einen wichtigen Stellenwert nicht nur beim Muttersprachenerwerb einnehmen, sondern auch beim Erwerb einer Fremdsprache. Schon Hausmann behauptete in den 1980er Jahren, dass Wortschatzlernen Kollokationslernen sei (Reder 2011: 131). Wirft man einen Blick auf die gängigen DaF-Lehrwerke an italophone Lernende, so kann man feststellen, dass der Gebrauch von Kollokationen nur sporadisch bzw. implizit anhand von Glossaren und von vereinzelten Wortschatzübungen vermittelt wird. Die DaF-/DaZ-Kollokationsdidaktik ist als defizitär einzuschätzen, weil es weitgehend an spezialisierten didaktischen Lehr- und Lernmaterialien fehlt (Ďurčo 2016: 184-185).
Im Mittelpunkt des vorliegenden Aufsatzes steht die Frage, wie Kollokationskompetenz beim Erwerb des Deutschen als Fremd- bzw. Zweitsprache gefördert werden kann. Da das Inventar der Kollokationen in der deutschen Sprache besonders umfangreich ist, wird das Augenmerk auf solche Kollokationen gerichtet, die aus einem Substantiv als Objekt und einem Verb bestehen und typisch für die Fachsprache des Tourismus2 sind; hierfür sind Kollokationen wie eine Reise antreten oder Ferien verbringen beispielhaft.
Kollokationskompetenz kann im DaF-/DaZ-Unterricht gefördert werden, wenn sie über das Lernen von Kollokationslisten hinausgeht und der korpusbasierten3 Vermittlung von Kollokationen nachgeht. Zu diesem Zweck wird in diesem Beitrag für den Einsatz von digitalen Korpora, wie dem DWDS4-Kernkorpus, besonders plädiert. In Bezug auf die korpusbasierte Arbeit an Kollokationen wird folgenden Fragen nachgegangen:
Welche Vorteile hat die Anwendung von Korpora für Lehrende und für Lernende bei der Vermittlung bzw. bei dem Erwerb von Kollokationen im DaF-/DaZ-Unterricht?
Welche Lernaktivitäten können korpusbasiert entwickelt werden, damit der Erwerb von Kollokationen aus der Fachsprache des Tourismus bei den DaF-/DaZ-Lernenden gefördert werden kann?
Digitale Korpora eignen sich gut dazu, sprachrezeptive bzw. sprachproduktive Kollokationskompetenz bei den Lernenden zu fördern. Dadurch können die morphologischen und syntaktischen Merkmale von Kollokationen, ihre semantisch-pragmatische Funktion im Text besser fokussiert werden, die zu ihrer bewussten und situationsangemessenen Verwendung im schriftlichen und mündlichen Sprachgebrauch beitragen. Die in diesem Aufsatz angestellten Überlegungen zur Förderung von Kollokationskompetenz können sowohl in der schulischen als auch in der universitären DaF-/DaZ-Didaktik Anwendung finden.
Der vorliegende Aufsatz setzt sich aus vier Abschnitten zusammen: Abschnitt 1 ist der Darstellung des Kollokationsbegriffs gewidmet. In Abschnitt 2 wird auf den Stellenwert des Untersuchungsgegenstands in der DaF-/DaZ-Didaktik für den Tourismus eingegangen. Hierzu werden ausgewählte gängige Lehrwerke an italophone Lernende des Deutschen als Fremd- bzw. Zweitsprache für den Tourismus untersucht. In Abschnitt 3, dem Hauptteil des Aufsatzes, wird die Förderung der Kollokationskompetenz durch DWDS-Korpora thematisiert. Dabei werden unterschiedliche korpusbasierte Lernaktivitäten zur Vermittlung bzw. zum Erwerb von Kollokationen vorgeschlagen. In Abschnitt 4 werden die abschließenden Bemerkungen formuliert.
1. Zum Begriff der Kollokation
Wörter sind im Sprachgebrauch nicht völlig frei kombinierbar, ihre Vereinbarkeit ist semantisch reguliert, das heißt sie erscheinen in semantisch-syntagmatisch bedingten Konstellationen. In Anlehnung an Firth (1957) werden derartig geregelte syntagmatische Wortverbindungen, wie etwa eine Reise antreten, Ferien verbringen oder ein (Urlaubs)-Angebot unterbreiten, mit dem Terminus Kollokation5 benannt (Ďurčo 2016: 183). Nach Handwerker (2010: 246) handelt es sich bei Kollokationen um vorgefertigte Konstrukte, die sich im Sprachgebrauch etabliert haben.
Die Sprachwissenschaft kennt den Terminus Kollokation aus dem britischen Kontextualismus (Firth, Halliday, Sinclair) als Bezeichnung für häufig auftretende Wortverbindungen, deren gemeinsames Vorkommen auf einer primär semantischen Regelhaftigkeit gegenseitiger Erwartbarkeit beruht (Bußmann 2002: 353). In der Forschung ist jedoch keine einheitliche Auffassung des Kollokationsbegriffs zu verzeichnen. Wichtige Faktoren für die Definitionsschwierigkeit sind zum einen die Komplexität des Phänomens und zum anderen die unterschiedlichen Herangehensweisen. Je nach Perspektiven der einzelnen Disziplinen kommen wir zu unterschiedlichen Auslegungen (Reder 2011: 132).
In der germanistischen Linguistik geht der Kollokationsbegriff auf Hausmann zurück: „Bei Kollokationen handelt es sich um eine Zusammenstellung von Wörtern in einem Syntagma, also um eine syntagmatische Wortverbindung, in der Kollokate, d.h. die einzelnen Elemente einer Kollokation, miteinander kookkurrieren“ (Hausmann 1984: 399). Kollokationen sind Wortverbindungen, bei denen die semantisch autonome Basis, die mit anderen Wörtern kolloziert, den Einsatz von bestimmten weiteren sprachlichen Elementen verlangt bzw. bestimmt, was als nächstes Element der Wortkette stehen soll. Das zweite Gliedelement bildet der Kollokator, der semantisch an die Basis gebunden ist. Der Kollokator ergänzt im Kontext die Basis und sie verschmelzen zu einer festen Wortverbindung, wodurch jede Kollokation eine spezielle Bedeutung bekommt. Kollokationen wie eine Fahrkarte lösen oder eine Anzahlung leisten vermengen in sich zwei unterschiedliche Aspekte, nämlich den der tatsächlichen Kookkurrenz auf lexikalischer Ebene und den der potenziellen Verträglichkeit auf semantischer Ebene (Targońska 2014: 129-130). Typisch für Kollokationen ist, dass der Kollokator weder beliebig gewählt noch durch ein Synonym ersetzt werden kann, wie etwa ein Amt bekleiden vs. *6ein Amt anziehen, wobei der Kollokator seine primäre Bedeutung nicht verliert.
An den basisbezogenen Kollokationsbegriff von Hausmann knüpft der Autor des Wörterbuchs der Kollokationen im Deutschen an, in dem Kollokationen als „solche Paare von Wörtern bezeichnet werden, die typischerweise zusammenauftreten“ (Quasthoff 2011: V). Der Autor geht auf die Struktur der Kollokationen und die semantischen Dependenzbeziehungen zwischen ihren Komponenten ausführlicher ein:
Kollokationen haben stets eine unsymmetrische Struktur. Der dominierende Teil, die so genannte Basis, ist der Teil, der durch den anderen Teil (als Kollokator bezeichnet) näher beschrieben werden soll. Die Suche nach der möglichst treffenden Beschreibung geht immer von der Basis aus, alle Kollokationen sind im Wörterbuch deshalb unter der Basis eingeordnet. (IX)
In der Phraseologie versteht man unter Kollokationen feste, aber nicht idiomatische Wortverbindungen7. Als eine phraseologische Kombination stellen sie eine Untergruppe der Phraseologismen (diese im weiteren Sinne) dar, weil sie sich durch keine Idiomatizität auszeichnen, die für Phraseologismen im engeren Sinne charakteristisch ist (Burger 2015: 38-57). Zum Kollokationsbegriff lassen sich zusammenfassend zwei Auffassungen feststellen: Eine empirische, die als Hauptkriterium die Frequenz hat, weil Kollokationen Wortverbindungen sind, die in einem Satz sehr häufig miteinander kombiniert vorkommen, und eine theoretische, die Kollokationen als lexikalische Einheiten in syntaktischer Beziehung definiert (Hausmann) oder mit einer gemeinsamen Bedeutung, ohne auf das Kompositionalitätsprinzip Rücksicht zu nehmen (Burger) (vgl. Flinz 2020: 148). In diesem Artikel wird dafür plädiert, dass beide Auffassungen für den DaF-/DaZ-Unterricht wichtig sind. Daraus folgt, dass Kollokationen im DaF-/DaZ-Unterricht als feste Wortverbindungen im Kontext gelernt werden müssen. Es bietet sich dafür an, in Texten die Aufmerksamkeit der Lernenden auf Kollokationen zu lenken und gemeinsam mit ihnen über ihre morphologischen und syntaktischen Merkmale zu reflektieren. Auf diese Weise kann das Bewusstsein für diesen Aspekt der Sprachverwendung geschärft werden.
2. Stellenwert von Kollokationen in der DaF-/DaZ-Didaktik für den Tourismus
Ob man ein Gespräch macht oder ein Gespräch führt, kann der Deutschlernende ohne Spracherfahrung nicht entscheiden. Wie Kollokationen sich miteinander verbinden, ist nicht vorhersagbar, weshalb sie wie einzelne Wörter gelernt werden müssen.
Aus der Sicht ihres Erwerbs werden Kollokationen von Muttersprachlern und Fremdsprachenlernenden auf unterschiedliche Weise wahrgenommen. Kollokationen sind, vor allem bei der Sprachrezeption, meistens unauffällig, solange sie nicht im Kontrast zu anderen Sprachen betrachtet werden (Handwerker 2010: 249); erst im Vergleich mit anderen Sprachen fällt die Besonderheit von Kollokationen auf, die in ihrer hohen Arbitrarietät besteht, da sie von Sprache zu Sprache variieren: im Englischen *reitet man sein Fahrrad (ride a bike), ein Spaziergang wird *genommen (take a walk), im Italienischen *wäscht man sich seine Zähne (lavarsi i denti). Kollokationen sind oft eine Ursache für (Interferenz-)Fehler im DaF-/DaZ-Unterricht. Dies geschieht, weil Lernenden das deklarative Wissen über die konventionelle Verbindbarkeit von Kollokationen in der Zielsprache fehlt. Daraus folgt, dass Lernende einerseits kreativ Lexeme zu einer Wortverbindung zusammenstellen; andererseits stützen sie sich dabei auf ihre Muttersprache, indem sie die Regeln dieses Sprachsystems auf die Zielsprache übertragen. Es ist also wichtig, nicht nur die passenden Kollokationen kennenzulernen, sondern auch sie richtig anwenden zu können und ihren Gebrauch zu üben, um Fehler und Unverständlichkeit zu verhindern8.
Kollokationskompetenz fördert weitere fremdsprachliche Fähigkeiten, und zwar:
die lexikalische Kompetenz: Der eigene Wortschatz wird durch vorgefertigte, feste Wortverbindungen erweitert;
die rezeptive Fertigkeit Leseverstehen: Beim Dekodieren fremdsprachlicher Texte konfrontieren sich Fremdsprachenlernende mit einer großen Anzahl von Kollokationen;
die produktiven Fertigkeiten Schreiben und Sprechen: Dank der Anwendung der passenden Kollokationen steigern Fremdsprachenlernende die Verständlichkeit ihrer schriftlichen Äußerungen und optimieren die Natürlichkeit des kommunikativen Prozesses (Handwerker 2010: 251);
die Übersetzungsfähigkeit in die Fremd- bzw. Muttersprache: Kollokationen bilden eine Übersetzungseinheit; dies bedeutet, dass im Übersetzungsprozess der Kollokationen nicht deren einzelne Bestandteile separat in die Fremd- bzw. Muttersprache übertragen werden sollen, sondern für eine Kollokation in der Fremd- bzw. Muttersprache eine Äquivalenz gefunden werden soll.
Die Förderung der Kollokationskompetenz sollte daher ein wichtiges Ziel des Fremdsprachen- bzw. DaF-/DaZ-Unterrichts sein – mit besonderer Rücksicht auf die Mikrosprache des Tourismus, in dem Kollokationen typischerweise vorkommen. Hierzu wird der Frage nachgegangen, inwieweit die noch relativ neue Erkenntnis über die Wichtigkeit der Beachtung der Kollokationen beim Fremdsprachenlernen Eingang in die DaF-/DaZ-Didaktik gefunden hat. Ein Indiz dafür, ob ein bestimmtes Sprachphänomen als relevant in der Fremdsprachendidaktik betrachtet wird, ist seine Thematisierung in entsprechenden gängigen Lehrwerken und Grammatiken. Zu diesem Zweck wurden drei gängige Lehrwerke und zwei Grammatiken untersucht, die sich an italophone Lernende des Deutschen als Fremd- bzw. Zweitsprache für den Tourismus richten.
Der Entscheidung für Lehrwerke auf unterschiedlichem Niveau des Deutschen liegt das Erfordernis zugrunde festzustellen, ob das Lernen von Kollokationen gewissermaßen mit dem zu erwerbenden Niveau des Deutschen verbunden ist. Die Auswahl der Lehrwerke erfolgte auf der Basis zweier Kriterien:
(unterschiedliches) Ausgabejahr, um festzustellen, ob die Vermittlung der Kollokationen im DaF-/DaZ-Unterricht durch ein bestimmtes didaktisches Modell bedingt ist;
(unterschiedliche) Niveaustufe, um festzustellen, ob die Vermittlung der Kollokationen im DaF-/DaZ-Unterricht durch die zu erwerbende Niveaustufe des Deutschen als Fremd- bzw. Zweitsprache von Seiten der Lernenden bedingt ist.
Der Darstellung der Analyseergebnisse soll eine kurze Beschreibung der Lehrwerke vorangestellt werden, da diese eine Erklärung für die Ergebnisse der Untersuchung liefern könnte.
Das Lehrwerk Schwerpunkt Tourismus. Italien und die deutschsprachigen Länder (Clitt 2003 – Niveau B1+ des GER9) besteht aus zehn Modulen, die sowohl Lesetexte über die berühmtesten Kunststädte aus den Ländern Italien und Deutschland als auch typische, tourismusbezogene Gespräche – wie etwa im Reisebüro oder im Hotel – enthalten. Jedes Modul endet mit einem Grammatikteil, in dem ausgewählte sprachliche Strukturen vermittelt werden, die Lernenden hilfreich sind, um tourismusbezogene Situationen bewältigen zu können. Die Autoren dieses Lehrwerks schlagen eine breite Palette an Übungen zum Wortschatzlernen bzw. zur Wortschatzerweiterung vor; allerdings werden Kollokationen, die für die Mikrosprache des Tourismus beispielhaft sind, dadurch nicht vermittelt. Dieselbe Erkenntnis wurde durch die Analyse des Lehrwerks Mit Blick auf Tourismus (Poseidonia 2005 – Niveau A2-B1 des GER) gewonnen. Der touristische Wortschatz wird ebenfalls anhand unterschiedlicher Übungstypologien, wie beispielsweise Ergänzungs- bzw. Zuordnungsübungen, eingeübt, wobei Kollokationen aber nicht vorkommen.
Das Lehrwerk Menschen im Beruf Tourismus. Deutsch als Fremdsprache (Hueber 2015 – Niveau A2 des GER) zielt insbesondere darauf ab, die produktive Sprechfertigkeit bei den Lernenden zu fördern. Die fachsprachlichen Lerninhalte sind gezielt auf das konkrete sprachliche Umfeld in der Tourismusbranche zugeschnitten. Das Buch besteht aus vier Lektionen, in denen man jeweils den Lernwortschatz sowie eine thematisch geordnete Übersicht über die wichtigsten sprachlichen Wendungen der einzelnen Lektion findet. Im Übungsteil helfen zahlreiche gelenkte Übungen zu Wortschatz und Strukturen, den gelernten Stoff zu festigen. In diesem Teil findet man Übungen, meistens in der Form von Zuordnungs- bzw. Transformationsübungen, zur Wortschatzfestigung, die u.a. auf Kollokationen wie eine Bestellung aufnehmen (S. 18), einen Bericht erstatten (S. 43) oder ein Gespräch führen (S. 60) implizit verweisen. Lernende werden aber durch solche Lernaktivitäten weder auf die grammatische Bezeichnung noch auf die syntaktischen und pragmatisch-semantischen Merkmale von Kollokationen aufmerksam gemacht. Sie werden z.B. nicht dafür sensibilisiert, dass solche Wortverbildungen nicht frei kombinierbar sind und dass Kollokationsbestandteile in ihrer Muttersprache und in der Zielsprache meistens nicht äquivalent sind.
Aus der Untersuchung der DaF-/DaZ-Lehrwerke für den Tourismus geht hervor, dass Kollokationen einen vernachlässigten bzw. nicht genügend erkannten Lerngegenstand darstellen. Diese sehr dürftige Behandlung eines für jede Sprache konstitutiven sprachlichen Phänomens deutet an, dass es trotz linguistisch guter Erforschung der Kollokationen noch zahlreiche offene sprachdidaktische und -methodische Fragen gibt.
Wenn man aber das Untersuchungsfeld auf Grammatiken ausdehnt, die sich an italophone DaF-/DaZ-Lernende richten, gelangt man zu der Feststellung, dass Kollokationen doch Lerngegenstand sind. Die gängigen DaF-/DaZ-Grammatiken bevorzugen die Bezeichnung als Nomen-Verb-Verbindungen oder als Funktionsverbgefüge anstelle von Kollokationen.
In der Deutschen Grammatik von Bruno / Franch (2005) werden Kollokationen zunächst einmal als Vokabelliste präsentiert, die von den Lernenden memoriert werden soll; im Anschluss daran werden Ergänzungsübungen vorgeschlagen, in die der fehlende verbale Kollokator als Bestandteil einer Kollokation eingesetzt werden soll. Die in den folgenden Tabellen enthaltenen zwei Übungstypologien mögen dies verdeutlichen:
Ergänzungsübung zu Kollokationen aus: Deutsche Grammatik 2005, S. 291.
2. Ergänzen Sie die fehlenden Verben. |
Was machen nach dem deutschen Abitur im Ausland? |
Nun sollte der Ernst des Lebens beginnen. Alle – Verwandte und Freunde – hatten Manuela den Rat ________, im Ausland zu studieren, genauer in Deutschland. Sie hatte ihre Lehrer zu Rate ________, die ihr nichts anderes sagten, zumal Deutsch ihre Muttersprache war. Mit zwölf Jahren war sie mit ihren Eltern nach Griechenland gekommen, wo sie als Schülerin ein recht angenehmes Leben ________. Natürlich musste sie sich anfangs Mühe ________, die neue Sprache zu lernen. Aber recht bald konnte sie Gespräche in dieser Sprache ________. Nach drei Jahren ________ sie Griechisch so gut, dass sie nur sehr wenige Fehler ________. Doch nun, nach dem Abitur, war Bewegung in ihr Leben ________. Sie musste sich die Frage ________, welchen Beruf sie später ________ möchte. Es fiel ihr gar nicht leicht, diese Entscheidung zu ________, da sie vielseitige Interessen ________. Sie musste sich auch Gedanken darüber ________, ob sie nach dem Studium wieder in ihre zweite Heimat zurückkehrt oder von ihr Abschied ________. |
Die unten stehende Übungstypologie unterscheidet sich von der vorhergehenden dadurch, dass der verbale Bestandteil einer Kollokation auf Satzebene eingeübt wird:
Ergänzungsübung zu Kollokationen aus: Deutsche Grammatik 2005, S. 291.
4. Ergänzen Sie die bei den Nomen fehlenden Verben. |
Was hat sie getan? Sie hat |
|
Durch die in Tabelle (1) und (2) vorgeschlagenen Ergänzungsübungen soll die Kollokationskompetenz bei den Lernenden gefördert werden. Derartige Übungstypologie strebt allerdings keinesfalls Vollständigkeit an, weil sie eine Ergänzung durch verschiedenartige Übungsformen benötigt, die nicht nur auf den einzusetzenden Kollokator fokussieren. Durch solche „mnemotechnischen“ Übungen wird beispielsweise keine Reflexion über die bewusste Verwendung von Kollokationen im schriftlichen und mündlichen Sprachgebrauch, wie beispielsweise über ihre Stellung innerhalb des Satzaufbaus oder über ihr kommunikatives Potential, bei den Lernenden gefördert. Die kontextlose Einübung hilft den Lernenden auch nicht dabei, Kollokationen als Einheiten zu memorieren und ihre Repräsentation in ihrem mentalen Lexikon zu stärken.
Die Deutsche Grammatik. Ein Handbuch für den Ausländerunterricht von Helbig / Buscha (2005) erweist sich in Bezug auf die Anzahl der Beispiele für Kollokationen als sehr produktiv. In dieser Grammatik kommen Kollokationen in dem Kapitel vor, das den Funktionsverbgefügen gewidmet ist, wie Tabelle 3 verdeutlicht:
Kollokationen in der Deutschen Grammatik von Helbig / Buscha: S. 74.
erteilen | |
(die / eine) Antwort erteilen | (antworten) |
den / einen Auftrag erteilen | (beauftragen) |
den / einen Befehl erteilen | (befehlen) |
die / eine Erlaubnis erteilen | (erlauben) |
den / einen Rat erteilen | (raten) |
(den) Unterricht erteilen | (unterrichten) |
finden | |
Anerkennung finden | (anerkannt werden) |
Anwendung finden | (angewendet werden) |
Aufnahme finden | (aufgenommen werden) |
Beachtung finden | (beachtet werden) |
Berücksichtigung finden | (berücksichtigt werden) |
die / eine Erklärung finden | (erklärt werden) |
Erwähnung finden | (erwähnt werden) |
Unterstützung finden | (unterstützt werden) |
den Tod finden | (getötet werden) |
Mit etwas Verwunderung stellt man fest, dass Kollokationen bei Helbig / Buscha ausschließlich als zu memorierende Vokabelliste vorkommen. Zu diesem Zweck werden die entsprechenden Beispiele nach dem verbalen Bestandteil bzw. nach dem Funktionsverb geordnet. Die Einübung von Kollokationen wird weder auf Satz- noch auf Textebene von den Autoren berücksichtigt.
Zur Förderung der Kollokationskompetenz ist es aber wichtig, über das Lernen von Kollokationslisten und über die Einübung von Kollokationen in mnemotechnischen, lexikalischen Aufgabestellungen hinauszugehen, wenn man DaF-/DaZ-Lernende insbesondere auf lebenslanges Lernen von Kollokationen vorbereiten möchte. Dieses Ziel kann erreicht werden, wenn man Kollokationen mit der Textarbeit verbindet, das heißt, wenn man ihren Gebrauch in Situationen untersucht bzw. einübt. Dazu eignen sich digitale Korpora sehr gut. Die korpusbasierte Vermittlung von Kollokationen kann sowohl die rezeptive (die Bedeutung von Kollokationen aus dem Textzusammenhang erschließen) als auch die produktive Kollokationskompetenz (die situationsangemessene Verwendung von Kollokationen) bei den Lernenden fördern. Den Ausführungen und Vorschlägen zum didaktischen Einsatz von digitalen Korpora in Hinblick auf die Förderung der Kollokationskompetenz bei den Lernenden im DaF-/DaZ-Unterricht für den Tourismus ist der nächste Abschnitt gewidmet. Anschließend werden praxisbezogene Überlegungen angestellt, wie man das Problem der Vernachlässigung der Kollokationen in der DaF-/DaZ-Didaktik für den Tourismus beheben kann.
3. Digitale Korpora und Kollokationskompetenz im DaF-/DaZ-Unterricht
Im vorliegenden Abschnitt wird für den Einsatz von digitalen Korpora zur Vermittlung bzw. zum Erwerb von Kollokationen im DaF-/DaZ-Unterricht plädiert. Die korpusgestützte Arbeit an Kollokationen zielt auf die Förderung der Kollokationskompetenz bei DaF-/DaZ-Lernenden ab. Dieser Abschnitt hat zwei Ziele: Erstens beschreibt er das Potential von digitalen Sprachkorpora für das Fach DaF / DaZ im Allgemeinen. Dabei werden die Vorteile in Hinblick auf die Verwendung von Korpora sowohl für Lehrende als auch für Lernende in den Vordergrund gerückt. Zweitens beschreibt er die konkrete Einbeziehung von Korpora aus der DWDS-Datensammlung zur Vermittlung bzw. zum Erwerb von Kollokationen im Unterricht an italophone Lernende des Deutschen als Fremd- und Zweitsprache für den Tourismus.
3.1 Potential von digitalen Korpora für das Fach DaF-/DaZ
Warum Lernen mit Korpora? Die Antwort lautet: Um eine Haltung einzuüben, die beim Erlernen einer Fremdsprache sinnvoll und fruchtbar ist, da sie autonomes Lernen ermöglicht und fördert. Geschult wird beim sprachlichen Handeln des „Suchens“, die Aufmerksamkeit nicht nur auf die Form, auf wiederkehrende Muster zu lenken, sondern auch ein Gefühl dafür zu entwickeln, mit welcher Wahrscheinlichkeit bestimmte Zusammenstellungen tatsächlich vorkommen (Drumbl 2011: 69).
Unter Korpora werden umfangreiche digitalisierte Sammlungen schriftlicher Texte oder transkribierter mündlicher Äußerungen verstanden. Größere Mengen authentischer Sprachdaten können so systematisch analysiert werden. Damit eröffnen sich vielfältige Zugangswege für die Sprachbeschreibung, für die Fremd- und Zweitspracherwerbsforschung, für die Entwicklung von Nachschlagewerken, Lehr- und Unterrichtsmaterialien sowie für die Unterrichtspraxis (vgl. etwa Lüdeling / Walter 2010: 315; Flinz / Katelhön 2019: 324; Flinz 2021). Wenn Lernende wissen, wie sie gezielt suchen können und welche Rolle Kontexte für das Vorkommen eines Wortes bzw. einer sprachlichen Struktur spielen können, verwenden sie vielleicht weniger unkritisch problematische Suchen auf unbekannten Texten, mit beispielsweise Google (Krumm et al. 2010: 317).
Der Einsatz von Korpora im Fremdsprachenunterricht wird seit Anfang der neunziger Jahre intensiv diskutiert (Chrissou 2011: 1). Dies liegt daran, dass die kommunikativ-pragmatische Methode des modernen Sprachunterrichts die Arbeit mit authentischen Texten, die Vermittlung kontextbezogener Sprachmittel und Strukturen erfordert. Das alles ist in einem natürlichen Kontext eines Korpus explizit beinhaltet. Korpora können für qualitative und quantitative Untersuchungen verwendet werden (Flinz / Katelhön 2019: 326). Von qualitativen Untersuchungen von Korpora, auf die dieser Aufsatz das Augenmerk richtet, können Lehrende sowie Lernende profitieren (vgl. etwa Bernardini 2004: 15-36). Lehrenden dienen Korpora vorrangig als:
Material- und Belegquelle für authentische Sprachbeispiele und spezifische Verwendungssituationen im Rahmen der Unterrichtsvorbereitung (vgl. etwa Lüdeling / Walter 2010);
zusätzliche Korrekturhilfe in der Unterrichtsnachbereitung, um die Akzeptabilität bestimmter Konstruktionen und Strukturen seitens der Lernenden zu überprüfen (Ebd.);
Unterstützung (insbesondere bei „nicht-muttersprachlichen“ Lehrenden) zur Überprüfung eines Übersetzungsvorschlags (Flinz 2020: 133-151).
Die korpusbasierte Arbeit an Kollokationen erweist sich ebenfalls für Lernende in vielerlei Hinsicht als gewinnbringend, weil
sie das didaktische Konzept des datengesteuerten Lernens fördert. Lernende erhalten einen Input als Lernmaterial in der Form von Konkordanzen, aus denen sie versuchen, selbständig Gebrauchsregeln abzuleiten und situationsangemessen anzuwenden (Krumm et al. 2010: 316-317). Dies begünstigt die Reflexion bei den Lernenden über die morphologischen Merkmale, das syntaktische Verhalten und die semantische Funktion von Kollokationen auf Satz- bzw. Textebene;
der Sprachgebrauch von Kollokationen als feste Einheiten nicht isoliert, sondern in einem realen Kontext untersucht werden kann; dabei werden die Speicherung der Kollokationen im mentalen Lexikon und das selbständige Erschließen ihrer Bedeutung gefördert. Dies hat zur Folge, dass Lernende nicht ständig auf deduktiv vorgegebene Wörterbuchübersetzungen zurückgreifen müssen, wie Studien zur Fremdsprachenlehr- und -lernforschung belegen (vgl. etwa Bausch / Königs / Krumm 2003; Reder 2011);
die Charakteristika von Kollokationen aus sprachübergreifender Sicht besser in den Vordergrund gerückt werden können. Die im deutschen Korpus vorkommenden Kollokationen können mit ihren entsprechenden Realisierungen in einer zweiten Fremd- bzw. in der Muttersprache verglichen werden; dabei werden sich die Lernenden der Arbitrarietät solcher Wortverbindungen bewusst, die sprachübergreifend meistens anders realisiert werden.
Vorschläge zum Einsatz von Korpora in der Unterrichtspraxis veranschaulichen hauptsächlich die Arbeit mit Konkordanzzeilen. Es handelt sich dabei um die Abbildung eines Suchwortes in seiner unmittelbaren sprachlichen Umgebung. Der didaktische Schwerpunkt liegt beim Einsatz von Konkordanzzeilen auf der Förderung von Sprachbewusstsein bei den Lernenden. Die Grundlage bildet das didaktische Konzept des datengesteuerten Lernens. Lernende leiten durch eine intensive Auseinandersetzung mit sprachlichem Material Gebrauchsregeln eigenständig ab. Konkordanzen eignen sich zur Veranschaulichung und Erarbeitung unterschiedlicher sprachlicher Strukturen und Phänomene, wie beispielsweise Kollokationen. Daneben können sie als Hilfsmittel zur Textproduktion und zur Wortschatzerweiterung herangezogen werden (Chrissou 2011: 4). Ausgehend von Konkordanzbelegen kann der Gebrauch der Kollokationen durch unterschiedliche Übungstypologien, wie beispielsweise Schreibaufgaben, eingeübt bzw. vertieft werden.
Der Einsatz von Korpora im Unterricht bedarf eines spezifischen Korpustrainings für Lehrende und Lernende. Dieses beginnt mit rein motivierenden Sequenzen, führt über die Erkundung von Möglichkeiten und Grenzen der Korpora hin zur Operationalisierung von komplexen sprachlichen Problemfällen (vgl. Krumm et al. 2010: 317; Flinz / Katelhön 2019: 326). Wie Kollokationen im DaF-/DaZ-Unterricht für den Tourismus durch Korpora sinnvoll vermittelt bzw. effektiv erworben werden können, ist Hauptanliegen des nächsten Unterabschnittes.
3.2 Zur Förderung der Kollokationskompetenz in der DaF-/DaZ-Didaktik für den Tourismus am Beispiel des DWDS-Korpus
Für die deutsche Sprache gibt es eine große Anzahl an Korpora und Korpussammlungen. Zu den größten öffentlich zugänglichen schriftsprachlichen Korpora zählen das Digitale Wörterbuch der deutschen Sprache10. Die Korpuswahl fiel auf das DWDS-Korpus, weil es sich durch eine recht intuitiv gestaltete Benutzeroberfläche auszeichnet und damit einen schnellen Einstieg gestattet. Es handelt sich um ein nach Textsorten ausgewogenes Textkorpus und dokumentiert die geschriebene deutsche Sprache des 20. Jahrhunderts. Der Hauptzweck dieses Korpus ist lexikographisch, indem es als Korpusgrundlage dient; es eignet sich aber gut auch für linguistische Untersuchungen sowie für Sprachaufmerksamkeitsförderung und Didaktik. Die DWDS-Korpussammlung bietet eine große Bandbreite an Textbelegen aus unterschiedlichen Textsorten wie Belletristik, Zeitung, wissenschaftlichen, journalistischen Fachtexten und Gebrauchstexten an. Mit Rücksicht auf unsere Zielsetzung bringt dies eine Einschränkung mit sich, weil die aus einer Suchanfrage gewonnenen Kollokationsergebnisse nicht immer für die Mikrosprache des Tourismus beispielhaft sind11. Damit die passenden Kollokationen ausgewählt werden, muss der Kontext, in dem sie vorkommen, ausführlich analysiert werden. Die im Folgenden dargestellten Einsatzmöglichkeiten des DWDS-Korpus sind vielfältig und zielen auf die Förderung einer sprachrezeptiven bzw. sprachproduktiven Kollokationskompetenz bei italophonen Lernenden des Deutschen als Fremd- und Zweitsprache für den Tourismus ab12. Zu diesem Zweck wird eine qualitative Untersuchung der DWDS-Korpusbelege durchgeführt, die Reflexion über die Verwendung der Kollokationen im Kontext bei Lernenden fördern soll. Hierzu werden nach ihrem Schwierigkeitsgrad abgestufte Lernaufgaben vorgeschlagen, durch die Kollokationen aus morphologischer, syntaktischer und pragmatisch-semantischer Sicht untersucht werden. Eine mögliche Einsatzmöglichkeit von Korpora im DaF-/DaZ-Unterricht, die insbesondere für den Einstieg von Lernenden in die Arbeit mit Korpora geeignet ist, bietet das Analysewerkzeug des DWDS Wortprofil 3.0. Dieses gibt die Möglichkeit, nach passenden Kollokationspartnern – z.B. für das Suchwort Hotel – selbständig zu recherchieren:
Abbildung 1 zeigt, dass das DWDS-Wortprofil einen Überblick darüber liefert, welche Wörter mit einem bestimmten Suchwort besonders häufig vorkommen. Es handelt sich hierbei um einen corpus-driven Zugang (Tognini-Bonelli 2001; vgl. auch Flinz 2021: 28-29), um Kollokationen zu Hotel zu entdecken und zu explorieren. Zu den Stärken derartiger Suchanfrage zählt die Visualisierung der Lexeme unterschiedlicher Wortart (das heißt Adjektive, Verben und Substantive), die sich mit dem Suchwort Hotel verbinden können. Lernende erfahren hier beispielsweise, wie ein Hotel sein und auch was man damit tun kann. Diese Übungstypologie kann DaF-/DaZ-Lernenden auch als „mnemotechnische“ Aufgabe erteilt werden, die der Speicherung der erfassten Wortverbindungen im mentalen Lexikon der Lernenden dient. Die aus dem Wortprofil erfassten Wortverbindungen, wie beispielsweise ein Hotel eröffnen, können dann mittels ihrer korpusbasierten Darstellung, d.h. im KWIC-Format, weiter untersucht werden.
Die folgende Abbildung enthält die Ergebnisse einer Suchanfrage zur Kollokation eine Reise antreten, die der korpusgestützten Analyse von Kollokationen im DaF-/DaZ-Unterricht dienen:
Die gewonnenen Konkordanzzeilen stellen die Ausgangsbasis für die Entwicklung unterschiedlicher Lernaktivitäten dar. Sprachrezeptive Kollokationskompetenz setzt die gezielte Untersuchung morphologischer, syntaktischer und semantisch-pragmatischer Merkmale der Kollokationen in ihrem kommunikativen Kontext voraus.
1. Kollokationen aus morphologischer Sicht
Bei konkreten Kollokationsanalysen muss zunächst einmal der inneren Struktur von Kollokationen Aufmerksamkeit gewidmet werden. Hierzu ist anzumerken, dass mit morphologischer Struktur nicht wie sonst traditionell nur die Wortstruktur gemeint ist, sondern die interne und auch syntaktische Struktur der Kollokation. Kollokationen weisen eine starre Struktur auf: Sie bestehen aus einer semantischen Basis, in unserem Beispiel Reise, und einer Verbform, hier antreten (Kollokator). Die semantische Basis kann evtl. zusammen mit einem Artikelwort (z.B. ein bestimmter, unbestimmter Artikel oder ein Possessivpronomen) vorkommen, dazwischen tritt meistens auch ein adjektivisches Attribut auf, wie in den Korpusbelegen 2-5. Innerhalb dieser syntagmatischen Sequenz nimmt die semantische Basis eine bestimmte Stellung in Bezug auf den Kollokator ein; sie steht in den gefundenen KWIC-Beispielen (s. Abbildung 2) immer vor dem Verb, das in Tempus, Aspekt und Modus flektiert wird. Sie kann aber auch nach dem finiten Verb vorkommen, wie beispielsweise in Aussagesätzen: Der Kunde trat die Reise am 01. Juni an. Diese Stellung kommt in den Korpusbelegen (vgl. Abbildung 2) nicht vor. Dies kann ein Beispiel für Grenzen des korpusbasierten Lernens darstellen, weil es in diesem Fall nicht ermöglicht, die unterschiedlichen Stellungsvarianten der semantischen Basis zu erfassen. Der / Die Lehrende soll deswegen eine sorgfältige Auswahl von Korpusbelegen treffen, durch die die ganze Bandbreite der morphologischen und strukturellen Realisierungen der selegierten Kollokation genau erfasst werden kann. Die Förderung von Bewusstsein über die morphologische Struktur von Kollokationen hilft den Lernenden dabei, die einzelnen Kollokationen als feste, syntagmatische Wortverbindungen in ihrem mentalen Lexikon zu speichern. Dadurch wird auch die bewusste Verwendung von Kollokationen im schriftlichen und mündlichen Sprachgebrauch seitens der Lernenden gefördert.
Der nächste Schritt zur Förderung sprachrezeptiver Kollokationskompetenz sieht die Untersuchung des syntaktischen Verhaltens von Kollokationen im Satzbau vor.
2. Kollokationen aus syntaktischer Sicht
Die Festigkeit dieser Wortverbindungen kennzeichnet auch ihr syntaktisches Verhalten im textuellen Gebrauch. Zu einer tiefergehenden, bewussten Reflexion über das syntaktische Verhalten von Kollokationen in der Satzstruktur kann das sogenannte topologische Modell (auch Stellungsfeldermodell) im Unterricht eingesetzt werden. Diesem Modell zufolge wird der Satz, ausgehend von der Verbposition, in topologische Abschnitte (Stellungsfelder) eingeteilt. Dabei wird beschrieben, mit wie vielen und welchen Satzgliedern (in welcher Reihenfolge und mit welcher Funktion) die Felder jeweils besetzt werden können. Nach Wöllstein (2010: 247) liegen die Stärken des topologischen Satzmodells in dem selbständigen Erforschen der Zielstruktur durch die Lernenden und dadurch in der Verinnerlichung der entsprechenden Wortfolge im Satz. Die folgende Tabelle enthält eine Auswahl an Beispielen aus der Abbildung 2. Um die Untersuchung übersichtlicher zu machen und die Darstellung zu vereinfachen, habe ich die folgenden Notationskonventionen verwendet: Die einzelnen Bestandteile einer Kollokation sind kursiv markiert. Der grau hinterlegte Teil verweist auf Nicht-Realisierung eines Satzfeldes.
Topologisches Modell zur Visualisierung des syntaktischen Verhaltens der Kollokationen im Satz
Korpus-beleg | Vorfeld | linke Klammer | Mittelfeld | rechte Klammer | Nachfeld |
(1) | Sie | kann | auch in dem Staat | erfolgen, | in dem der Ausländer die Reise angetreten hat […] |
(2) | Dieser | hatte | ohne nur einen Tag auf den Verleger zu warten, seine italienische Reise | angetreten | |
(4) | Ich | habe | meinem Vertreter, mit Zustimmung des Kanzlers, | vorgeschlagen, | dass er eine italienische Reise antritt |
(5) | Natürlich | könnten | durch die italienischen Weinanbaugebiete eine ebenso ausgedehnte und feuchtfröhliche Reise | antreten. | |
(7) | In diesem Geiste | werde | ich diese Reise | antreten, | […] |
Die Korpusergebnisse zeigen, dass die untersuchte Kollokation zwei unterschiedliche syntaktische Verhaltensweisen aufweist: Sie kann als feste Wortverbindung die Stellung im Nachfeld des Satzes einnehmen (vgl. Korpusbelege 1 und 4). In derartigen Fällen trägt die Kollokation als Teil einer Konstituente dazu bei, die vom Verb geöffnete Leerstelle zu sättigen. In Korpusbeleg (1) erweitert die Kollokation das im Mittelfeld vorkommende Satzglied des Ortes in dem Staat, während sie in Korpusbeleg (4) die Funktion als direktes Objekt des Verbs vorgeschlagen erfüllt. Daneben kommt die Kollokation weiterhin als feste, syntagmatische Wortverbindung vor, wobei der Kollokator als Nachverb der Verbalklammer auftritt; in solchen Fällen steht die semantische Basis im Mittelfeld des Satzes. Hierfür sind die Korpusbelege (2), (5) und (7) beispielhaft. Der Kollokator wird in Tempus und Modus flektiert, die semantische Basis erfüllt die syntaktische Funktion als direktes Objekt des Kollokators selbst. Die semantische Basis wird ferner durch adjektivische Attribute, wie etwa italienische (2) oder ausgedehnte / feuchtfröhliche (5), erweitert bzw. näher charakterisiert.
3. Kollokationen aus pragmatisch-semantischer Sicht
Die in 1. und 2. angestellten Überlegungen zur Morphologie und Syntax der Kollokation eine Reise antreten dienen der Förderung des Bewusstseins über die pragmatisch-semantische Funktion solcher festen Wortverbindungen im Prozess der Textproduktion. Für Kollokationen bedeutet dies, dass im Kontext geprüft werden muss, in welchem Zusammenhang bzw. kommunikativen Kontext sie typischerweise auftreten. So kann man in unserem Fall durch die korpusbasierte Untersuchung zu der Erkenntnis gelangen, dass man eine Reise meistens antritt, um einen touristischen Zielort zu erreichen. Daneben kann eine Reise auch zu anderen Zwecken angetreten werden, z.B. um Frieden zu stiften (s. Konkordanzbeleg 7). Anhand des Kontextes, in den Kollokationen eingebettet sind, können Lernende ihre Bedeutung selbständig erschließen. Sie erfahren dabei weitaus mehr, als in einem einsprachigen Wörterbuch nachzulesen ist. Möglich ist auch, die von den Lernenden aufgestellten Hypothesen über die Bedeutung einer Kollokation in Wörterbüchern zu überprüfen und gegebenenfalls zu revidieren.
Die korpusbasierte Untersuchung der pragmatisch-semantischen Merkmale von Kollokationen zielt vorrangig auf die Förderung ihrer situationsangemessenen Verwendung seitens der Lernenden ab; dabei wird die vollständige Konstruktion in ihrer Synthese aus Form und (kommunikativer) Funktion im mentalen Lexikon der Lernenden eingespeichert.
Die aus einer Suchanfrage erzielten Kollokationsergebnisse eignen sich ferner gut zu sprachübergreifenden Vergleichen, durch die Lernende über die verschiedene Realisierung von Kollokationen in unterschiedlichen Sprachen bewusst gemacht werden können.
4. Kollokationen aus sprachübergreifender Sicht
Die psycholinguistische Festigkeit, also die Speicherung der Kollokation als eine Ganzheit, ist für das fremdsprachliche mentale Lexikon der Lernenden nicht typisch. Der/Die Lernende hat nämlich Einheiten in seinem/ihrem mentalen Lexikon für Kollokationen in der Muttersprache gespeichert. So hat er/sie für die nichtäquivalenten zielsprachlichen Kollokationen neue mentale Repräsentationen zu bilden. Es ist also davon auszugehen, dass zielsprachliche Kollokationen, die in der Muttersprache nichtäquivalente Entsprechungen haben, mehr Lernaufwand benötigen. Daraus folgt, dass die Lernenden je nach Muttersprache oder weiteren Fremdsprachen unterschiedliche Lernschwierigkeiten mit Kollokationen haben (Schönefeld 2001). Übungen, in denen unter kontrastivem Aspekt ausgesuchte Kollokationen geschult werden, sind erforderlich, um die fehlende fremdsprachliche psycholinguistische Festigkeit einer Kollokation im mentalen Lexikon der Lernenden auszubauen:
Zur Einsicht in die verschiedene Realisierung von Kollokationen aus sprachübergreifender Sicht eignet sich gut der Einsatz der gelernten Fremdsprachen und der eigenen Muttersprache. In Bezug auf italophone Lernende hat diese Annahme zur Folge, dass der Vergleich sich beispielsweise auf die Sprachen Deutsch-Englisch-Italienisch stützen kann13:
Kollokationen aus sprachübergreifender Sicht.
Deutsch | Englisch | Italienisch |
eine Anzahlung leisten | to make a deposit | versare un acconto |
eine Reise antreten | to do a trip / to take a trip | fare un viaggio |
Ferien verbringen | to spend the holidays | trascorrere le vacanze |
ein Zimmer belegen | to occupy a room | occupare una stanza |
In der Tabelle 5 ist der verbale Kollokator der einzelnen Kollokationen mit Fettdruck markiert, weil er der Bestandteil der jeweiligen Kollokation ist, der in den Vergleichssprachen am häufigsten variiert. Die häufig auftretende unterschiedliche Realisierung des Kollokators – und dies gilt insbesondere, wenn man vom Deutschen in die Sprachen Englisch und Italienisch ausgeht – bestätigt weiterhin, dass Kollokationen ein arbiträres Sprachphänomen nicht nur aus einzelsprachlicher, sondern auch aus sprachübergreifender Sicht sind. Daraus ergibt sich, dass Kollokationen im Fremdsprachenerwerb oft eine Fehlerquelle darstellen. Der/Die Fremdsprachenlernende kann nämlich nicht selbstständig eine Kollokation generieren bzw. diese aus einer (Fremd)Sprache in die andere übertragen, sondern nur als Mehrworteinheiten reproduzieren. Kollokationen lassen sich auch nicht voraussagen, denn eine Kollokation kann in zwei Sprachen einen anderen Kollokator haben. Lernende müssen Kollokationen – mit besonderer Rücksicht auf ihre korrekte Anwendung – als eine Einheit (Kollokator mit seiner Basis) abspeichern und bei der Sprachproduktion als solche aktivieren und gebrauchen. Der bewusste Sprachvergleich dient ferner einer lerneffektiven Ermittlung der morphologischen Struktur von Kollokationen, die ihrerseits dazu beiträgt, Kollokationen im Langzeitgedächtnis zu speichern. Bei der Untersuchung der verschiedenen Realisierung von Kollokationen aus sprachübergreifender Sicht können auch nach der lexikographischen Kollokationsforschung Überlegungen zur Art und Weise der Darstellung von Kollokationen in Wörterbüchern angestellt werden (vgl. Steyer 2008: 185-207).
5. Kollokationen in der schriftlichen Textproduktion
Der Phase zur Förderung sprachrezeptiver Kollokationskompetenz anhand des DWDS-Korpus soll sich die (seitens der Lernenden) bewusste Verwendung von Kollokationen in der (schriftlichen) Textproduktion anschließen. DWDS-Konkordanzbelege eignen sich gut zur Entwicklung von Lernaktivitäten, die dem Gebrauch von Kollokationen in Texten dienen. Hierfür ist die folgende Schreibübung beispielhaft, durch die DaF-/DaZ-Lernende gebeten wird, über ihre letzte Urlaubsreise zu berichten und dabei Kollokationen zu verwenden:
Berichten Sie über die letzte (Urlaubs)Reise, die Sie angetreten haben. Wo (Land, Stadt, Meer, …) haben Sie die Ferien verbracht? Welche Unterkunftstypologie haben Sie belegt? Dabei müssen Sie Kollokationen mit folgenden Wörtern als semantischer Basis verwenden: Reise, Ferien, Buchung, Anzahlung, Ausflüge, Zeit, Erfahrungen; ihre Reihenfolge im Text entscheiden Sie selbst. Die entsprechenden verbalen Kollokatoren können Sie im DWDS-Korpus (https://www.dwds.de/d/korpora) nachschlagen.
In diesem Abschnitt wurde eine Auswahl an Lernaufgaben zur Förderung von Kollokationskompetenz bei den DaF-/DaZ-Lernenden getroffen, die von der Wortebene ausgehen, über die Satzebene gehen und bis zur Textebene kommen. Die Arbeit an Kollokationen soll also von Texten ausgehen und wieder zu Texten führen.
4. Abschließende Bemerkungen
Kollokationen sind ein lernrelevantes lexikalisches Phänomen, das bei der Gestaltung schriftlicher und mündlicher Texte in der Fremdsprache eine wichtige Rolle spielt. Trotz der theoretischen Erkenntnisse zur Wichtigkeit kollokativer Sprachkompetenz werden Kollokationen im italienischen DaF-/DaZ-Bereich vernachlässigt bzw. nicht explizit genug behandelt, wie die Untersuchung von DaF-/DaZ-Lehrwerken bestätigt hat, die sich an italophone Lernende richten.
In diesem Aufsatz wurde aufgezeigt, wie Kollokationskompetenz beim Erwerb des Deutschen als Fremd- bzw. Zweitsprache – mit besonderer Rücksicht auf die Mikrosprache des Tourismus – gefördert werden kann. Auch wenn Korpora im Fremdsprachenunterricht aufgrund der damit verbundenen Vorteile (Einsatz empirischer Methoden, Entwicklung kontrastierender Reflexion auf allen Sprachniveaus, Rolle des Inputs und der Aktivierung von Wissen) ein großes Potential haben (Flinz / Katelhön 2019: 341), ist ihr Einsatz in der Praxis des Unterrichts von Deutsch als Fremd- bzw. Zweitsprache in Italien noch nicht weit verbreitet. Das Potential von Korpora wird in diesem Aufsatz am Beispiel des DWDS-Korpus illustriert. Die aus einer Suchanfrage gewonnenen Korpusbelege bilden die Grundlage für die Entwicklung von korpusbasierten Lernaktivitäten, die den psychologischen Vorgang des Lernens in den Vordergrund stellen und die Frage gemeinsam haben, wie DaF-/DaZ-Lernende in die Lage versetzt werden können, Kollokationen effektiv zu erwerben, kognitiv zu speichern und situationsangemessen zu verwenden. Dabei zielen sie auf die Förderung sprachrezeptiver bzw. sprachproduktiver Kollokationskompetenz bei italophonen Lernenden des Deutschen als Fremd- bzw. Zweitsprache für den Tourismus ab. Im vorliegenden Aufsatz wird somit ein lernpsychologischer Ansatz zu Kollokationen verfolgt bzw. untermauert, der eine engere Verbindung von DaF-/DaZ-Didaktik und Forschung einfordert.
Notes
- Der Terminus Einzelgänger wird im Sinne von Pasch et al. (2003) in der Grammatikographie der deutschen Sprache verwendet, um Lexeme unterschiedlicher Wortart zu bezeichnen, die sich auf Grund idiosynkratischer Eigenschaften einer klaren Wortartzuordnung entziehen (vgl. etwa Malloggi 2016). [^]
- Unter Fachsprache versteht man die Gesamtheit aller sprachlichen Mittel, die in einem fachlich begrenzbaren Kommunikationsbereich verwendet werden, um die Verständigung zwischen den in diesem Bereich tätigen Menschen zu gewährleisten. Für eine Fachsprache sind lexikalische Elemente (Fachwörter) sowie phonetische, morphologische und syntaktische Mittel typisch. Die Fachsprache des Tourismus wird von vielen anderen Fachsprachen beeinflusst und bereichert (z.B. von der Wirtschaft, Kunstgeschichte, Gastronomie und Geografie). Zu den wichtigsten Merkmalen der Fachsprache des Tourismus wird ein Wortschatz gezählt, der durch Fachtermini, auch aus anderen Sprachen wie dem Englischen und dem Französischen, durch Wortbildungsverfahren wie Komposition, Ableitung, Abkürzung und durch vorgefertigte, feste Wortverbindungen wie Kollokationen gekennzeichnet ist (Flinz 2019: 9-36; Meiwes 2009: 25-26). [^]
- Zum Unterschied zwischen korpusbasiert und korpusgestützt s. Lemnitzer / Zinsmeister (20153): 34. [^]
- Die Abkürzung DWDS steht für Digitales Wörterbuch der deutschen Sprache (https://www.dwds.de/d/korpora/korpus21) [^]
- In der Diskussion um den Kollokationsbegriff wird darauf hingewiesen, ob Funktionsverbgefüge (nachstehend FVG) wie in Kraft treten oder zur Aufführung bringen als Kollokationen fungieren. Bei den FVG, die seit 50 Jahren in den germanistischen Studien ihren festen Platz haben, handelt es sich „um die Verbindung von einem verbalen Bestandteil (einem Funktionsverb), der arm an lexikalischer Bedeutung ist, und einem nominalen Bestandteil (zumeist einer Nominalgruppe im Akkusativ oder einer Präpositionalgruppe), der die hauptsächliche (lexikalische) Bedeutung trägt; beide zusammen bilden eine semantische Einheit und ein Satzglied“ (Helbig 2006: 166). FVG werden von Linguisten wie Burger (2015: 57-58) in die Gruppe der Kollokationen aufgenommen und als die am stärksten reguläre Untergruppe der Substantiv-Verb-Kollokationen bezeichnet. In dem Wörterbuch der Kollokationen im Deutschen von Quasthoff (2011) werden FVG ebenfalls aufgenommen, was als zusätzliches Argument für die Aufnahme der FGV in die Gruppe der Kollokationen gelten kann. [^]
- * steht für unkorrekte bzw. unübliche Ausdrücke und Wortverbindungen. [^]
- Laut neuerer phraseologischer Literatur zählen Kollokationen als mehr oder weniger feste, nicht- oder teilidiomatische Wortverbindungen zum phraseologischen Inventar einer Sprache. Sie nehmen eine Zwischenposition, nämlich eine Position zwischen freien und semantisch transparenten sowie festen und hochgradig idiomatischen Wortverbindungen ein (Ďurčo 2016: 184). [^]
- Kollokationen bewirken nach Ludewig (2005: 179) eine höhere Flüssigkeit der schriftlichen bzw. mündlichen Produktion mit weniger Pausen und Verzögerungen in der Kommunikation. Kollokationen als vorgefertigte Wortverbindungen müssen nicht jedes Mal neu zusammengesetzt werden, sie können als Ganzes aus dem mentalen Lexikon abgerufen werden. Das heißt, wenn ein Lernender eine Kollokation nicht kennt, dann ist er gezwungen, sie mit eigenen Worten zu beschreiben, was zu schwerfälligen und komplizierten Formulierungen führt, die des Öfteren auch nicht fehlerfrei sind (Gevkalyuk 2009: 45). [^]
- Die Abkürzung GER steht für Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen für Sprachen. Dieses Dokument befasst sich mit der Beurteilung von Fortschritten in den Lernerfolgen bezüglich einer Fremdsprache. Ziel ist es, die verschiedenen europäischen Sprachzertifikate untereinander vergleichbar zu machen und einen Maßstab für den Erwerb von Sprachkenntnissen zu schaffen: https://www.europaeischer-referenzrahmen.de/ (26.06.2020). [^]
- Das DWDS beruht auf Konkordanzwerkzeugen, die der Erforschung von Textressourcen zu bestimmten Fragestellungen dienen, indem sie auf der Basis eines Datenvergleichs Suchbegriffe aus einem Textkorpus zusammenstellen. Das Konkordanzwerkzeug des DWDS ermöglicht die Korpusabfrage und die Darstellung der Suchergebnisse im KWIC-Format (Keywords in Context). Dabei wird der Suchbegriff in verschiedenen Kontexten (Konkordanzen) erfasst, wobei er zur besseren Übersicht farblich markiert angezeigt wird (vgl. Chrissou 2011: 2; Geyken / Lemnitzer 2016). [^]
- Obwohl das DWDS-Korpus kein auf die Mikrosprache des Tourismus spezialisiertes Textkorpus ist, eignet es sich gut dazu, Kollokationskompetenz bei DaF-/DaZ-Lernenden zu fördern. Unter Kollokationskompetenz versteht man in diesem Beitrag die bewusste Lenkung der Aufmerksamkeit der DaF-/DaZ-Lernenden auf die Bedeutung und die Form der Kollokationen bzw. ihre syntaktischen und semantischen Besonderheiten. [^]
- Die vorgeschlagenen Lernaufgaben sind für Deutschlernende auf Niveau B1 des GER gedacht. [^]
- An italienischen Schulen der Primar- beziehungsweise Sekundarstufe wird eine zweite Fremdsprache als Wahlpflichtfach neben Englisch als erster Pflichtfremdsprache unterrichtet: in der Regel Spanisch, Französisch oder Deutsch. Als Folgefremdsprache nach Englisch gehört Deutsch auch im italienischen Schulsystem vorrangig zur Gruppe der „Tertiärsprachen“ (Hufeisen 1988) und wird als solche auch im vorliegenden Aufsatz betrachtet. Die schulisch angelegte Konstellation der Fremdsprachenfolge gilt gewissermaßen auch für die Universität, da hier oft Studierende mit wesentlich besseren Kenntnissen des Englischen als des Deutschen (das von vielen weiterhin erst an der Universität erlernt wird) anzutreffen sind. In den Sprachvergleich wird das Italienische mit einbezogen, weil von der Annahme ausgegangen werden kann, dass Lernende bzw. Studierende im italienischen Bildungssystem Kompetenzen in der italienischen Sprache besitzen. [^]
Literatur und Ressourcen
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Untersuchte DaF-Lehrwerke und -Grammatiken
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Kurzbio:
Patrizio Malloggi ist seit 2019 Forschungsstipendiat für Deutsche Sprachwissenschaft an der Università di Pisa und Lehrbeauftragter für Deutsche Sprachwissenschaft an der Università per Stranieri di Siena. Seine Forschungsinteressen liegen in den Bereichen der Grammatikbeschreibung kontrastiv (Deutsch-Italienisch-Englisch), der Präadverbien aus kontrastiver Sicht (Deutsch-Italienisch) und der Textlinguistik, hier insbesondere mit Untersuchungen zu strukturell-thematischen Textsortenmerkmalen.
Anschrift:
Patrizio Malloggi
Dipartimento di Filologia, Letteratura e Linguistica
Università di Pisa