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‚LIEBE SOPHIE‘ – ADRESSIERUNG UND INVOLVIERUNG IN INSTAGRAM-KOMMENTAREN AM BEISPIEL DES PROJEKTES @ICHBINSOPHIESCHOLL

Author: Simon Meier-Vieracker orcid logo (TU Dresden)

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    ‚LIEBE SOPHIE‘ – ADRESSIERUNG UND INVOLVIERUNG IN INSTAGRAM-KOMMENTAREN AM BEISPIEL DES PROJEKTES @ICHBINSOPHIESCHOLL

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Abstract

Unter dem Titel @ichbinsophiescholl betrieben zwei öffentliche Rundfunkanstalten zwischen 2021 und 2022 einen Instagram-Kanal, der das Leben der Widerstandskämpferin Sophie Scholl in den plattformtypischen Formaten nachstellte. Über die stark frequentierten Kommentarbereiche des Accounts lässt sich detailliert nachvollziehen, wie die gewählten Inszenierungsstrategien seitens der aktiven Nutzenden rezipiert wurden. Dazu wurden neben den Captions rund 52.000 Kommentare und Replies erhoben und als voll annotiertes Korpus aufbereitet. Mit quantitativen und qualitativen Methoden sowie in Rückgriff auf geschichtsdidaktische Forschungen einerseits und linguistische Konzepte emotionaler Involvierung andererseits wird gezeigt, wie Nutzende die inszenierte Figur Sophie Scholls direkt adressieren und, unterstützt durch das Kommentierungsverhalten des Accounts selbst, mit ihr in Interaktion treten. Davon ausgehend wird diskutiert, welche didaktischen Potenziale ein solcher korpusgestützter Zugriff auf Erinnerungskultur insbesondere für den DaF-Unterricht hat.

Under the title @ichbinsophiescholl, two public broadcasters operated an Instagram channel between 2021 and 2022 that reenacted the life of the resistance fighter Sophie Scholl in formats typical of the platform. The highly frequented comment sections of the account provide detailed information on how the chosen staging strategies were received by the users. In addition to the captions, around 52,000 comments and replies were collected and processed as a fully annotated corpus. Using quantitative and qualitative methods as well as historical didactic research on the one hand and linguistic concepts of emotional involvement on the other, it is shown how users directly address the staged figure of Sophie Scholl and, supported by the commenting behavior of the account itself, interact with her. Based on this, the didactic potential of such a corpus-based approach to memory culture will be discussed, especially for teaching German as a foreign language.

Keywords: Instagram, Social Media History, Erinnerungskultur, Adressierung, Involvierung, Memory Culture, Address, Involvement

How to Cite:

Meier-Vieracker, S., (2023) “‚LIEBE SOPHIE‘ – ADRESSIERUNG UND INVOLVIERUNG IN INSTAGRAM-KOMMENTAREN AM BEISPIEL DES PROJEKTES @ICHBINSOPHIESCHOLL ”, Korpora Deutsch als Fremdsprache 3(2), 112–136. doi: https://doi.org/10.48694/kordaf.3849

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23 Dec 2023
Peer Reviewed

1. Einleitung

Unter dem Titel @ichbinsophiescholl betrieben der Südwestdeutsche Rundfunk und der Bayerische Rundfunk zwischen Mai 2021 und Februar 2022 einen Instagram-Kanal (vgl. Berg / Kuchler 2023). Anlässlich des 100. Geburtstags der bekannten Widerstandskämpferin Sophie Scholl wurden auf dem Kanal ihre letzten Lebensmonate in den plattformtypischen Formaten Posts (Bildbeiträge), Reels (kurze Videobeiträge) und Stories (für 24 Stunden abrufbare Posts) nachgestellt. Das mit großem Aufwand und mit professionellen Schauspieler:innen umgesetzte Projekt setzte es sich zum Ziel, die „User*innen emotional, radikal subjektiv und in nachempfundener Echtzeit an den letzten zehn Monaten ihres [Sophie Scholls] Lebens teilhaben“1 zu lassen. Der Anzeigename des Accounts lautet „Sophie Scholl“, und in der sogenannten Bio, also der selbst verfassten Profil-Information des Accounts, findet sich neben der gewählten Kategorie ‚Blogger/in‘ und dem Verweis auf die verantwortlichen Sender SWR und BR auch die Personenbeschreibung ‚Widerstandskämpferin‘. Dies präsentiert Sophie Scholl geradezu als Inhaberin des Accounts, und die Beiträge sind so gestaltet, als ob Sophie Scholl sie selbst gepostet hätte. Mit zwischenzeitig rund 1 Millionen Follower:innen erzielte das aufsehenerregende Projekt große Reichweite und wurde in der (Fach-)Öffentlichkeit überaus kontrovers diskutiert2. Dabei waren es neben den fiktionalen Elementen der Darstellung gerade die bewusst gewählte Subjektivität und Emotionalisierung sowie die damit einhergehenden Identifikationsangebote, die auf Kritik stießen3.

Über die stark frequentierten Kommentarbereiche lässt sich nachvollziehen, wie die Emotionalisierungen und die Identifikationsangebote des Formats durch die Rezipierenden aufgegriffen wurden (vgl. Berg et al. 2023). Als sichtbar gemachte und in den Diskurs zurückgespielte Rezeptionszeugnisse geben die Kommentare Aufschluss darüber, ob und wie die Nutzenden sich in das erzählte Geschehen involvieren lassen. Sie zeigen zudem, wie wenigstens diejenigen Nutzenden, die sich mit ihren Kommentaren aktiv einbrachten, dieser Involvierung in ihren Anschlusskommunikationen und oft in der Interaktion mit anderen sprachlich Ausdruck verleihen. Der vorliegende Beitrag geht diesen Fragen mit korpuslinguistischen Methoden nach und zeigt rekurrente Muster des sprachlichen Ausdrucks von Involvierung und Emotionalisierung auf. Dazu wurden die gesamten öffentlich zugänglichen Kommentare (n = 52.201) zu den Postings als Korpus aufbereitet und mit quantitativen und qualitativen Methoden ausgewertet. Eine solche korpuslinguistische Rezeptionsstudie verspricht dann auch Erkenntnisse darüber, inwiefern die vorgebrachte Kritik am Projekt und seiner Umsetzung gerechtfertigt ist oder an den tatsächlichen Rezeptionsweisen vorbeizielt. Der korpuslinguistische Zugang kann zudem medienpsychologisch orientierte Rezeptionsstudien, die ebenfalls die Kommentare in den Blick nehmen (vgl. Berg et al. 2023), ergänzen.

Im Folgenden sollen zunächst das Projekt und die Kritik daran im Forschungsfeld der sogenannten Social Media History verortet und linguistische Perspektiven auf diese Form von Geschichte(n) diskutiert werden. Anschließend werden die konzeptionellen und technischen Details der Korpuserstellung und -aufbereitung geschildert und mögliche Operationalisierungen aufgezeigt. In Detailanalysen werden dann einerseits quantitative Parameter von Interaktivität in den Blick genommen und anderseits verschiedene Adressierungspraktiken sowie Strategien und Indikatoren der Involvierung untersucht. Ausgehend von den Befunden werden schließlich einige Anwendungsmöglichkeiten eines solchen korpuslinguistischen Zugangs für die sprach- und kulturdidaktische Auseinandersetzung mit Social Media History-Formaten diskutiert, insbesondere im Kontext von Deutsch als Fremdsprache, wo seit einigen Jahren erinnerungskulturelle Themen als Lernanlässe genutzt werden.

2. @ichbinsophiescholl im Feld der Social Media History

Soziale Medien verändern und prägen die gegenwärtigen Praktiken kollektiven Erinnerns und die Erinnerungskultur. Plattformen wie Twitter, Instagram, YouTube und TikTok, die Distributions- und Interaktionsmedien zugleich sind (vgl. Obar / Wildman 2015), werden von verschiedenen, institutionellen wie privaten, Akteur:innen für die Kommunikation über Vergangenheit im weitesten Sinne genutzt. Bei aller Gegenwartsbezogenheit dieser Plattformen, die Kommunikation in Quasi-Echtzeit ermöglichen (vgl. Kreuzmair / Pflock / Schumacher 2022), sind geschichtsbezogene Inhalte ein prägendes Element und wiederkehrendes Motiv der Kommunikation in Sozialen Medien. All diese Formen des Erinnerns in und mit Sozialen Medien wie auch die Ansätze ihrer Erforschung, insbesondere im Bereich der Geschichtswissenschaft und -didaktik, werden neuerdings unter dem Stichwort Social Media History gefasst (vgl. Bunnenberg / Logge / Steffen 2021).

Die Formen und Formate der Social Media History wie auch die an sie gerichteten Forschungsfragen sind vielfältig. Jene umfassen u.a. Social Media-Accounts von erinnerungskulturellen Institutionen wie Gedenkstätten, aber auch privat eingerichtete und gepflegte Accounts, die sich dem Gedenken an historische Personen widmen, sowie ausdrücklich auf Wissensvermittlung abzielende Formate wie etwa Erklärvideos. All diese Formate, in die sich auch das hier im Fokus stehende Projekt @ichbinsophiescholl einreiht, machen das Internet und besonders die Sozialen Medien zu einem wichtigen „Ort der Auseinandersetzung mit der Vergangenheit“ (Burkhart 2014: 137). In der geschichtswissenschaftlichen Reflexion über Social Media History wird dabei in konstruktivistischer Perspektive danach gefragt, wie in Sozialen Medien Geschichte „gemacht“ wird und „wie die jeweiligen technischen, medialen, ästhetischen, diskursiven und narrativen Spezifika die geschichtsbezogenen Darstellungen prägen“ (Bunnenberg / Logge / Steffen 2021: 281).

Diese Prägungen beginnen bei den technischen Rahmenbedingungen und den damit einhergehenden Affordanzen (vgl. Bender / Mell / Wildfeuer 2022) der Plattformen. Eher textbasierten Formaten auf (Micro-)Blogging-Plattformen stehen visuelle Formate auf Bild- und Videoplattformen wie YouTube, Instagram oder TikTok gegenüber. Gerade die visuellen Formate ermöglichen sehr unmittelbare Modi der Zeugenschaft, selbst wenn es sich um fiktionale Formate des Reenactments, also der Reinszenierung historischer Ereignisse handelt (vgl. Henig / Ebbrecht-Hartmann 2022). Die Prägungen betreffen damit zusammenhängend auch die plattformtypischen Ästhetiken und Gestaltungsweisen, denen sich auch geschichtsbezogene Inhalte anpassen. Typisch für visuelle Plattformen wie Instagram sind insbesondere die Selfie-Ästhetik und die Ästhetik sogenannter POV-Shots (Point-of-View), in der höchst subjektivierte Darstellungen präsentiert werden und die dadurch zu ihrerseits subjektiven Reaktionen auffordern (vgl. Frosh 2019). Schließlich sind die Inhalte Sozialer Medien durch ihre charakteristischen Zugänglichkeits-, Distributions- und Rezeptionsbedingungen geprägt. Da Soziale Medien primär Medien des Alltags sind, über die Menschen persönliche Erlebnisse, Erfahrungen und Meinungen teilen, können hier platzierte geschichtsbezogene Inhalte auf sehr unmittelbare Weise in die Erfahrungswelten der Nutzenden integriert werden (vgl. Bunnenberg / Logge / Steffen 2021: 275).

Henig und Ebbrecht-Hartmann (2022) beschreiben in ihrer Analyse des dem hier thematisierten Projekts sehr ähnlichen Instagram-Accounts Eva Stories4, der die Erlebnisse der 13-jährigen Eva Heyman in den Tagen vor ihrer Deportation nach Auschwitz in Form von Instagram Stories inszenierte, die Leistungen solcher Formate wie folgt:

Memorializing the Holocaust through social media ecologies such as Instagram allows for digital commemoration that is focused on the present experiences of users rather than the historical experience and evidence, on the responsive space rather than the historical site, and on short expressions of emotions rather than the narration of historical information. In doing so, attention shifts from past to present, from history to experience, and from the “other” to “self,” focusing on the exploration of a responsive space filled by the users with assemblages of self-focused digitally co-created memories. (Henig / Ebbrecht-Hartmann 2022: 222)

Entscheidend für diese Verschiebungen „from past to present, from history to experience“ (Henig / Ebbrecht-Hartmann 2022: 222) und die Erschaffung eines responsiven Raums für gemeinsam ausgestaltete Erinnerungen ist neben der bereits angesprochenen Selfie-Ästhetik der Umstand, dass die auf Sozialen Medien dargebotenen Inhalte typischerweise über die personalisierten Feeds als dem zentralen User Interface der Plattformen rezipiert werden und dabei auf verschiedenen Wegen zur Interaktion einladen:

Integrating into the personal feeds of the users and thus streaming between the posts of other Instagram accounts, the stories of Eva continuously addressed their followers, offering them the opportunity to participate in polls, reply to questions, and express their emotions with regard to Eva’s story. (Henig / Ebbrecht-Hartmann 2022: 205f.)

Hinzu kommt, dass die prototypische Echtzeitlichkeit der Postings in Sozialen Medien auch in den geschichtsbezogenen Inhalten adaptiert wird. Ähnlich wie bei Reentweetment-Formaten, die auf Twitter historische Ereignisse in zeitlichem Versatz, aber in Echtzeit nacherzählen und sich die Unmittelbarkeit solcher Erzählweisen zunutze machen (vgl. Sorbello Staub 2021), suggerieren die Reenactment-Formate auf Instagram durch die täglichen Updates, dass sich die dargestellten Geschehnisse quasi-live entfalten. Sie laden dadurch in besonderer Weise zur Interaktion ein, die selbst textuelle Spuren im Medium hinterlässt, und ermöglichen z.B. über die Kommentierungsfunktion den Nutzenden, das mediatisierte historische Ereignis durch kollaboratives Erinnern gemeinsam erst hervorzubringen (vgl. Henig / Ebbrecht-Hartmann 2022: 209f.).

Diese Leistungen eines Reenactment-Formats auf Instagram, die sich prinzipiell auch auf den hier thematisierten Account @ichbinsophiescholl übertragen lassen, werden in normativ-didaktischer Perspektive durchaus als Chancen angesehen. Entsprechende Formate ermöglichen eine „lebendige Erinnerungskultur jenseits formaler Bildungskontexte“ (Lohmeier / Schreiber / Schwarzenegger 2020: 48), in der weit mehr Akteur:innen am Erinnerungsdiskurs nicht bloß rezipierend partizipieren können. Mit den emotionalisierenden Darstellungen können neue Zielgruppen erreicht und auf neue Arten für das Thema Geschichte interessiert und in den Diskurs eingebunden werden. Es formiert sich so eine „Polyphonie der Erinnerungen“ (Lohmeier / Schreiber / Schwarzenegger 2020: 59), die durch die für das Web 2.0 typische Interaktivität (vgl. Marx / Weidacher 2020: 107) zusätzlich getragen wird. Den durch Soziale Medien gegebenen Möglichkeiten zur „Mitgestaltung von historischen Wissensbeständen und Diskursen“ (Bunnenberg / Logge / Steffen 2021: 282) wird das Potenzial für eine Demokratisierung der Erinnerungskultur zugeschrieben, da sie eine „perspektivische Vielfalt sowie gegenwartsbezogene Aushandlungsprozesse“ (Bunnenberg / Logge / Steffen 2021: 282) als Teil einer aktiven Erinnerungskultur fördern. Diesen Chancen stehen jedoch auch Risiken gegenüber. Insbesondere der subjektiv-emotionalisierende Stil, den Formate wie Eva Stories oder Sophie Scholl nutzen, um in Konkurrenz mit anderen Inhalten in den Feeds der Nutzenden Aufmerksamkeit zu generieren, befördert bei den Nutzenden Identifikation mit den Figuren, welche die eigentlich gewünschte Multiperspektivität wieder unterläuft (vgl. Wagner 2022).

Diese Diagnosen, die eher optimistischen wie die kritischen, beruhen jedoch typischerweise auf expertenseitiger Interpretation der primären Inhalte. Die tatsächliche Rezeption, die anhand der Kommentare nachvollzogen werden und der im interaktiven Setting der Sozialen Medien eine mitgestaltende Rolle zugeschrieben werden kann, bleibt oft unberücksichtigt (vgl. aber u.a. Burkhardt 2015 sowie Berg et al. 2023). Hier kann eine linguistische Analyse ansetzen.

3. Linguistische Perspektiven

Die in der geschichts- und medienwissenschaftlichen Auseinandersetzung mit Social Media History-Formaten wie Sophie Scholl herausgestellten Leistungen, Chancen und Risiken sind in verschiedener Hinsicht an medienlinguistische Fragestellungen anschlussfähig. Neben Forschungen zu Formen des digitalen Erzählens lassen sich auch Analysen von digitaler Partizipation und Involvierung heranziehen.

In Fortführung von linguistischen Theorien des Erzählens im Alltag, insbesondere im Theorieframework der sogenannten Small Stories (vgl. Bamberg 2006), sind Soziale Medien als Medien des Erzählens beschrieben worden (zusammenfassend vgl. Meier-Vieracker / Hauser / Scharloth 2022). Typische Formate wie Status Updates (vgl. Page / Harper / Frobenius 2013) und natürlich Stories (vgl. Georgakopoulou 2017) lassen sich als Formen persönlicher Erzählungen analysieren, die durch den Fokus auf subjektiv erlebte Ereignishaftigkeit sowie durch die typische zeitliche Sequenzierung der einzelnen Beiträge narrative Qualität haben. Im Zusammenhang mit den hier untersuchten Formaten ist zudem der Fokus auf gemeinschaftliches Erzählen aufschlussreich. Insbesondere über die Kommentarfunktion etablieren sich Formen der „co-tellership“ (Page 2018: 101), in der Nutzende auf Beiträge reagieren und oft ihrerseits im Modus des Narrativen fortschreiben. Die Erzählungen werden so als „Shared Stories“ (Page 2018) gemeinsam hervorgebracht.

Digitale Erzählformate in Sozialen Medien zeichnen sich mithin dadurch aus, dass sie die Nutzenden zur Interaktion und Partizipation einladen und deshalb verschiedene Strategien verfolgen, um Nutzende zu involvieren. Involvierung liegt Landert zufolge vor, wenn „individuals engage with content, typically in a way that affects them emotionally” (Landert 2017: 32; vgl. auch Caffi / Janney 1994; Vasquez 2012). Während sich Interaktion zumindest in manchen Aspekten quantitativ messen lässt, etwa anhand der Anzahl von Kommentaren und Replies als Grad von Interaktivität (vgl. Hoppe et al. 2018), können Involvierung und die ihr zugrundeliegenden emotionalen Zustände mit linguistischen Methoden nicht direkt beobachtet werden. Sie lassen sich aber aus Textbeiträgen als Formen des Displays emotionaler Beteiligung bzw. der verbalen Manifestation von Emotionen (vgl. Fiehler 2008: 761) erschließen. Charakteristische sprachliche Marker sind Landert (2017: 32) zufolge emotional aufgeladenes Vokabular, das aber mit Schwarz-Friesel (2013: 144) noch einmal auszudifferenzieren wäre in emotionsausdrückende, z.B. positiv- oder negativ konnotierte Lexeme oder Interjektionen, und emotionsbezeichnende Lexeme, wobei die emotiven Bedeutungskomponenten stets gebrauchs- und kontextabhängig sind. Weiterhin nennt Landert Ausdrücke, die explizit auf die sprechende und angesprochene Person referieren, wie etwa Personalpronomen, sowie verschiedene Mittel der Emphase wie Emojis, Kapitalisierungen usw. Zudem lassen sich verschiedene Strategien bestimmen, die dazu geeignet sind, die Nutzenden zu involvieren und interaktiv einzubeziehen. Dazu gehören persönliche Ansprachen und andere Sprechakte wie etwa Fragen, die Antworten erwartbar machen, die Wahl eines nähesprachlichen Registers (vgl. Ágel / Hennig 2007) sowie thematisch personalisierte und subjektive Perspektiven zentral setzende Kommunikation (vgl. Landert 2017: 44f.). Ob und wie diese Strategien, die auch in digitalen Erzählformaten oft zur Anwendung kommen (vgl. Meier-Vieracker 2021: 309-311), verfangen oder nicht, lässt sich dann wiederum aus den Reaktionen ablesen.

Dieser linguistische Theorierahmen scheint geeignet, die in der Forschung zu Social Media History adressierten Potenziale und Leistungen von Formaten wie @ichbinsophiescholl empirisch und mit besonderem Fokus auf die sprachlichen Umsetzungen zu untersuchen. Insbesondere die von Landert vorgeschlagenen sprachlichen Marker von Involvierung lassen sich methodisch gut operationalisieren und in einen korpuslinguistischen Ansatz übertragen.

4. Datenerhebung und Korpus

Das den folgenden Analysen zugrundeliegende Korpus umfasst sämtliche 377 Posts vom Beginn des Projektes am 30. April 2021 bis zum Post vom 18. Februar 2022, der die Verhaftung Sophie Scholls zeigt. Danach wechselt die Erzählperspektive weg von der Erzählinstanz Sophie Scholl hin zu einer externen Erzählinstanz, die den weiteren Verlauf der Geschehnisse aus einer distanzierteren Sicht schildert. Die Daten wurden im März 2022 mit dem freien Python-Tool Instaloader erhoben, das den Download von Posts (Bilder und Videos) samt ihren Captions und Userkommentaren erlaubt. Während der Laufzeit des Projektes wurden auf dem Account auch Stories publiziert. Als flüchtige Kommunikate, deren Kommentierungen zudem nur den Kanalbetreibenden zugänglich sind, können sie nicht in die Datenbasis eingehen. Die Stories wurden aber am Ende einer Woche als Videos zusammengefasst und als dauerhaft zugängliche Beiträge publiziert und konnten dann auch öffentlich kommentiert werden.

Das Tool Instaloader gibt die Captions als txt- und die Kommentare als JSON-Files mit verschiedenen Metadaten aus. Aus diesen Daten wurde ein Korpus im XML-Format erstellt, das zu jedem Posting die Caption sowie die Kommentare mit der Angabe des Usernames und der Anzahl der Likes ausgibt. Außerdem werden in der XML-Datei die Threadstrukturen abgebildet, indem initiale Kommentare und Replies unterschiedlich ausgezeichnet werden (eine tiefere Schichtung etwa in Replies 2. oder 3. Grades sieht Instagram nicht vor).

Die Textdaten wurden sodann mit den auf Social Media spezialisierten Tools SoMaJo und SoMeWeTa (vgl. Proisl / Uhrig 2016; Proisl 2018) tokenisiert und nach Wortarten annotiert. Die Tools können mit den für internetbasierte schriftliche Kommunikation typischen Abweichungen von der standardsprachlichen Norm in Orthographie und Interpunktion wie etwa ausgelassenen Leerzeichen nach Kommas oder Klitisierungen wie gibts umgehen und können auch von klassischen Taggern unerkannte Elemente wie Hashtags, Emoticons und Emojis verarbeiten. Für die Lemmatisierung wurde der TreeTagger verwendet (vgl. Schmid 2003). Für eine morphosyntaktisch feinkörnigere Analyse wurde zusätzlich der RFTagger verwendet (vgl. Schmid / Laws 2008). Das Korpus wurde zum einen in die Korpusanalysesoftware IMS Open Corpus Workbench importiert (vgl. Evert / CWB Development Team 2022), zum anderen wurden Auswertungen mit verschiedenen Python-Skripten vorgenommen.

Tabelle 1 zeigt den Umfang des Korpus:

Tabelle 1

Korpusumfang

Captions Kommentare Replies Kommentare gesamt
Anzahl Texte 377 29.326 22.875 52.201
Anzahl Tokens 42.918 734.603 874.702 1.609.305

Aus urheber- und datenschutzrechtlichen Gründen kann das vollständige Korpus nicht veröffentlicht werden. Interessierten Forschenden kann auf Anfrage aber Zugang zu einer webbasierten Korpusanalyseplattform gewährt werden. Das Korpus wird anonymisiert und in abgeleiteten Formaten (vgl. Schöch et al. 2020) in Form von gruppierten Frequenzlisten sowie part-of-speech-Tags ohne lexikalische Informationen gemeinsam mit den verwendeten Analyseskripten zur Verfügung gestellt5. So können zumindest die quantitativen Analysen (s.u. 5.1 und 5.5) nachvollzogen und reproduziert werden, ohne dass daraus die originalen Kommentare in ihrer Textgestalt rekonstruiert werden können.

Die Erstellung eines solchen Korpus wirft auch forschungsethische Fragestellungen auf (vgl. Luth / Marx / Pentzold 2022). Nicht zuletzt angesichts der öffentlichen Kritik gegenüber dem Projekt ist zu bedenken, dass die Nutzenden zwar durchaus öffentlich kommentierten, aber kaum damit gerechnet haben dürften, Gegenstand einer wissenschaftlichen Untersuchung zu werden. Die selbstgewählten Usernames bzw. Handles lassen in vielen Fällen keine direkten Rückschlüsse auf die Personen zu, allerdings geben die Profile häufig doch nähere Hinweise zu personenbezogenen Daten, und bei vielen Nicknames werden anderen Nutzenden und ggf. auch Lesenden dieses Beitrags die Personen bekannt sein. Aus diesen Gründen wird im Folgenden konsequent anonymisiert, indem die Usernames mit Ausnahme von @ichbinsophiescholl durch numerische IDs ersetzt werden und auch dann nur dort aufgeführt werden, wo dies zum Nachvollzug von Sequenzen erforderlich ist. Außerdem werden nur solche Kommentare zitiert, die keine potenziell personenbezogenen Angaben wie etwa Verweise auf Wohnorte enthalten.

Im Folgenden sollen zunächst einige quantitative Parameter herangezogen werden, um den Grad der Interaktivität (im Sinne von Hoppe et al. 2018) im Untersuchungskorpus näher zu bestimmen. Anschließend werden verschiedene Strategien und Indikatoren von Involvierung in den Blick genommen und qualitativ wie quantitativ untersucht.

5. Ergebnisse

5.1 Interaktivität

Im Durchschnitt finden sich unter den Postings 78 initiale Kommentare (Median 50, Maximalwert 1.360) und 61 Replies (Median 43, Maximalwert 502). 22.128 Kommentare (78 %) bleiben dabei unbeantwortet, 3.433 (12 %) erhalten nur einen Reply und 1.141 (4 %) immerhin zwei. Unter einzelnen Kommentaren wird jedoch intensiv diskutiert, die Maximalwerte liegen bei 81, 86 und 113 Replies auf jeweils einen einzigen Kommentar, die zudem alle aus der Frühphase des Projekts im Mai 2021 stammen. Insgesamt haben 17.876 Nutzende mindestens einmal kommentiert.

Eine Auszählung aller initialen Kommentare und Replies zeigt auch, dass sie über die Zeit hinweg ungleich verteilt sind:

Abbildung 1
Abbildung 1

Anzahl der initialen Kommentare und Replies im Zeitverlauf

Stichproben zeigen, dass die hohen Werte zu Beginn vor allem auf die zahlreichen Kommentare zum Start des Projekts als solchem zurückzuführen sind. Dabei überwiegen deutlich die zustimmenden Kommentare. Sie zeugen durchaus von emotionaler Involvierung, die sich in (1) auf die Projektidee als solche bezieht6:

    1. (1)
    1. Ich hab Gänsehaut! Was für eine geniale Idee, Geschichte lebendig zu machen und Sophie Scholl und so viele andere Menschen, die so mutig waren und sind wie sie, zu ehren! (21-04-30_11-50-30)

In der Mitte der Projektlaufzeit pendelt sich die Zahl der Kommentare auf einem niedrigeren Niveau ein. Allerdings zeigt sich, dass gegen Ende der Anteil der Replies deutlich steigt und somit offenbar mehr Interaktion zwischen den User:innen stattfindet. Im letzten Monat der Projektlaufzeit kehrt sich das allerdings wieder um. Insbesondere unter dem letzten Post, der die Verhaftung zeigt, finden sich 1050 Kommentare, die typischerweise eine Art Resümee des Projektes ziehen, und nur 502 Replies.

Eine Besonderheit des Accounts ist darin zu sehen, dass sich der Account @ichbinsophiescholl selbst vielfach in die Interaktionen mit den User:innen in den Kommentarbereichen eingebracht hat7. Mit 222 Kommentaren und 4407 Replies ist der Account sogar der aktivste überhaupt. Dabei beteiligt sich der Account in zwei verschiedenen Rollen am Diskurs, die einer über die gesamte Projektlaufzeit eingehaltenen Konvention entsprechend deutlich markiert werden. Mit dem Hashtag #TeamSoffer werden Kommentare und Replies markiert, welche die Redaktion als Redaktion schreibt und beispielsweise historische Hintergrundinformationen liefert, sei es initiativ wie im Kommentar in (2) oder als Reaktion auf Fragen wie in (3)8:

    1. (2)
    1. #teamsoffer Der Völkische Beobachter war von 1920 bis zum 30. April 1945 das überregionale publizistische Kampfblatt der NSDAP und das Flaggschiff der nationalsozialistischen Propaganda. Quelle: https://anno.onb.ac.at/info/vob_info.htm (21-05-22_14-02-17)
    1. (3)
    1. @296: Täusche ich mich, oder hat Inge Scholl nicht auch noch als ältere Dame Interviews gegeben?
    1. @ichbinsophiescholl: @296 #TeamSoffer Inge Scholl war maßgeblich daran beteiligt, dass die Weiße Rose nach Kriegsende bekannt wurde. Sie gab mehrere Interviews, auch als ältere Frau. (21-04-30)

In Kommentaren und Replies, in denen dieser Hashtag fehlt, schreibt die Redaktion hingegen in der Rolle Sophie Scholls. Die in den Postings schauspielerisch inszenierte Figur, die sich in den in der Ich-Perspektive verfassten Captions an die Nutzenden wendet, tritt direkt mit diesen Nutzenden in Interaktion wie in (4):

    1. (4)
    1. @235: Hallo Sophie, freut mich dich vielleicht noch ein bißchen besser kennen lernen zu dürfen erstmal guten Start in München.
    2. @ichbinsophiescholl: @235 vielen Dank! Ja ich bin gespannt wie der erste Geburtstag in der neuen Stadt wird! (21-04-30)

Die von Henig / Ebbrecht-Hartmann (2022) beschriebene Verschiebung des Erinnerns hin zu einem sehr gegenwarts- und erfahrungsorientierten responsiven Raum zeigt sich also auch bei dem Projekt @ichbinsophiescholl deutlich. Sie kann zudem an den oberflächensprachlich z.B. durch Hashtags markierten Perspektivwechseln in den Kommentaren und Replies abgelesen werden und zeigt, dass in diesem responsiven Raum die Interaktivität der sachorientierten Auseinandersetzung mit der Vergangenheit in eine deutlich involviertere Form der Kommunikation übergeht. Diese involvierte Kommunikation steht im Fokus des folgenden Abschnitts.

5.2 Adressierungspraktiken als Indikatoren der Involvierung

Die Sequenz in (4) zeigt ein im gesamten Korpus typisches Muster, nämlich die direkte Ansprache Sophie Scholls mit einer ausdrücklichen Anredeformel wie Hallo Sophie, für die allein sich 134 Belege im Korpus finden. Noch einmal 15 weitere Belege entfallen auf die ergänzte Anredeformel Hallo liebe Sophie und in weiteren 12 Fällen wird unter Verwendung des Handles Hallo @ichbinsophiescholl formuliert. Dieser eher kolloquialen Anrede, die durch nochmals informellere Varianten wie Hey Sophie (22 Belege) und Hi Sophie (16 Belege) ergänzt wird, steht die vor allem schriftlicher Kommunikation vorbehaltene Anredeformel Liebe Sophie gegenüber, für die sich sogar 585 Belege finden. Gemein ist diesen Anredeformeln, dass es sich um rituelle Bestandteile der Kommunikation handelt, mit denen ausdrücklich Kontakt aufgenommen und, gerade in Settings wie Sozialen Medien mit dem prinzipiell unbestimmten Publikum (vgl. Marwick / boyd 2011), die intendierte Adressierung expliziert werden kann. Zudem sind solche Anredeformeln, insbesondere durch die Möglichkeit stilistischer Wahlen, wichtige Mittel zur Definition und Mitgestaltung der Beziehung zwischen den Interaktionspartnern (vgl. Zifonun / Hoffmann / Strecker 1997: 915). Ganz allgemein gesprochen machen die Schreibenden dadurch deutlich, dass sie überhaupt die Figur Sophie Scholl für ansprechbar und Interaktion wenigstens im Modus des Als-ob für möglich halten9.

Den durch solche Anreden einmal hergestellten Kontakt gestalten die Nutzenden dann auf verschiedene Weisen aus. Häufig werden Fragen angeschlossen, die der Einholung zusätzlicher Informationen dienen, um die historischen Darstellungen besser einordnen zu können. Zugleich zeugen sie eben durch die Anrede von stärkerer Involvierung als nicht-adressierte oder an die Redaktion gerichtete Fragen. Oftmals erfragen Nutzende auch Informationen, die eher der persönlichen Anteilnahme zu dienen scheinen. Ein Beispiel dafür, wie beides ineinander übergeht, zusätzlich unterstützt durch die Reaktion des Accounts, findet sich in (5):

    1. (5)
    1. @14833: Liebe Sophie, bekommst das Papier nicht in einem Schreibwarengeschäft? Für die Uni brauchst du doch sicher auch viel Papier.
    2. @ichbinsophiescholl: @14833 Papier und Briefumschläge sind durch den Krieg schwer zu bekommen… Und wir benötigen beides in großen Mengen, und es erregt zu viel Aufmerksamkeit, wenn wir alles auf einmal kaufen. Deswegen teilen wir uns das auf, und Traute besorgt auch Papier. Wir dürfen uns bloß nicht verdächtig machen…
    3. @14833: @ichbinsophiescholl danke für deine Antwort! in was einer verrückten und schweren Zeit du lebst. Ihr macht das so toll! (21-12-01_10-58-46)

Dieser Kommentar findet sich unter einem Post, der Sophie Scholl mit einem großen Stapel Papier für den geplanten Druck von Flugblättern zeigt und dessen Caption mit den Worten „So, wir haben genug Papier!“ beginnt. Die Frage von @14833, ob man Papier denn nicht einfach kaufen könne, ist zunächst eine Frage nach den historischen Rahmenbedingungen, die hier jedoch an Sophie Scholl direkt adressiert wird. Durch die nachgelieferte, epistemisch modalisierte und ebenfalls in der 2. Person formulierte Begründung „Für die Uni brauchst du doch sicher auch viel Papier“ wird zudem eine geteilte Perspektive etabliert. Die Reaktion des Accounts greift das auf, indem einerseits die erfragten historischen Informationen, also die sachlichen Gründe für den Papiermangel, geliefert werden und andererseits das handlungsleitende Kalkül nachvollziehbar gemacht wird. Der Schlusssatz „Wir dürfen uns bloß nicht verdächtig machen…“ ist wie ein unmittelbarer Ausdruck der Sorgen Sophie Scholls formuliert und lädt so zur Perspektivenübernahme und Anteilnahme ein. In der sich anschließenden Reaktion von @14833 wird der Dank für „deine Antwort“, der sich auch an die Redaktion richten könnte, durch den Exklamativsatz „in was für einer verrückten und schweren Zeit du lebst“ ergänzt, ein grammatikalisiertes Mittel des Ausdrucks emotionaler Bewertung also (Schwarz-Friesel 2013: 185), welches deutlich macht, dass sich @14833 emotional ansprechen lässt und entsprechend Anteil nimmt.

Ebenfalls häufig anzutreffen sind Ratschläge und Warnungen. Unter einem Posting, in dem sich in der Caption Sophie Scholl darüber verwundert zeigt, dass ihre Briefe an ihren Partner Fritz nicht in Russland ankommen, findet sich der folgende Kommentar (6):

    1. (6)
    1. Liebe Sophie, überlege gut, was du in den Briefen an Fritz schreibst. Du mußt immer damit rechnen, daß deine Briefe abgefangen und gelesen werden. Das könnte gefährlich werden, sowohl für dich, wie auch für deinen Fritz. (21-06-21_14-31-03)

Über die direkte Ansprache hinaus zeugt der Sprechakt des Ratschlags insofern von besonderer Involvierung, als er unterstellt, tatsächlich Einfluss auf die Entscheidungen und das Handeln der angesprochenen Person nehmen zu können. Die Abgeschlossenheit der längst vergangenen Ereignisse wird eingeklammert, das inszenierte Geschehen wird gleichsam in die Gegenwart geholt (vgl. Henig / Ebbrecht-Hartmann 2022: 222) und so dargestellt, als würde es gemeinsam durchlebt. Die perspektivenübernehmende Formulierung „für deinen Fritz“ und der abschließende Emoji unterstreichen zusätzlich die emotionale Verbundenheit.

Neben solchen handlungspraktischen Ratschlägen, welche die historische Bedrohungslage einbeziehen, finden sich aber auch solche, die allein auf das emotionale Wohlergehen zu zielen scheinen. Beleg (7) ist ein Beispiel hierfür.

    1. (7)
    1. Liebe Sophie, in Zeiten wo man nicht weiß, was das morgen bringt braucht es Lichtblicke. Sich den Fahrtwind auf dem Fahrrad um die Nase und durch das Haar wehen lassen, sich auf holprigen Landstraßen durchrütteln zu lassen, den Blick FREI über weite Felder schweifen zu lassen und dort Rehe zu entdecken, durch Münchens kleine treiben lassen… das sind solche Lichtblicke und dafür brauchtest du DEIN Rad und nur dieses. Genieße die Zeit mit ihm, so oft du kannst! Pass auf dich auf… (21-06-22_08-01-39)

Der Kommentar findet sich unter einem Posting, in dem Sophie Scholl ihr Fahrrad zeigt, das ihr von ihrer Mutter aus Ulm nach München geschickt worden ist. In der Caption heißt es u.a.: „Endlich hab ichs wieder: Mein höchsteigenes Rad!“ Der Kommentar greift die so zum Ausdruck gebrachte Freude auf und zeichnet ein detailliertes Bild der sich nun ergebenden Möglichkeiten der Zerstreuung, die „in Zeiten wo man nicht weiß, was das morgen bringt“ notwendig erscheinen. Während in (6) noch konkret auf die Gefährdungen in einem historisch situierten Überwachungsstaat Bezug genommen wird, tritt dies in (7) fast gänzlich zurück zugunsten einer eigentümlich zeitlos erscheinenden und mithin noch stärker geteilten Welt als gemeinsamer Erlebnisraum. Lediglich der der anfängliche Verweis auf die ungewisse Zukunft und der abschließende, aber sehr allgemein gehaltene Rat „Pass auf dich auf“ erinnern vage an die Bedrohungslage, in der sich die historische Figur Sophie Scholl befindet. Dabei zeugt auch diese (insgesamt 95 mal belegte) Formulierung als typisch freundschaftliche Geste von starker Involvierung.

5.3 Accountseitige Strategien der Involvierung

Wie an den genannten Beispielen bereits deutlich wurde, sind die Captions als gezielt subjektiv formulierte und zumeist emotional aufgeladene Texte ein wichtiges Element in der Gesamtinszenierung der Figur Sophie Scholl. Zusätzlich zur Selfie-Ästhetik der Bild-Postings und der (wöchentlich zusammengefassten) Stories tragen die Captions die ausdrücklich als Ziel des Projekts ausgegebene Emotionalität und radikale Subjektivität der Darstellung maßgeblich mit. So finden sich in den Captions häufig (sekundäre) Interjektionen wie „Ach, Fritz!“, „Pah!“, „Pfff“ oder „Pustekuchen“ und Exklamativa wie „Oh mein liebes München, was hab ich dich vermisst!“ Ein weiteres charakteristisches Stilmittel sind die Fragen, mit denen 114 von 377 Captions (30 %) enden (danach folgen jeweils noch Hashtags). Fragen wie „Wie war euer erster Tag an der Uni?“, „Was sind eure Tricks, wenn ihr mal wieder vor lauter Sorgen nicht zur Ruhe kommt?“ oder „Gibt es eigentlich Freundschaft auf den ersten Blick?“ sprechen die Nutzenden ausdrücklich an und fordern sie so zum ausdrücklichen Abgleich von Erfahrungshorizonten auf. Die historische Distanz zwischen der Figur Sophie Scholl und den Nutzenden wird so gezielt verringert. Zusätzlich zu den bereits geschilderten Arten des Ausdrucks von Involvierung finden sich dementsprechend auch zahlreiche Kommentare, welche die gestellten Fragen gezielt aufgreifen und so das Involvierungsangebot der Captions aufnehmen und umsetzen. Ein Beispiel dafür findet sich in (8), einem Kommentar unter dem Posting vom 23.12., dessen Caption mit den Fragen „Lebt ihr in eurer Heimat? Und wenn nein, wie oft schafft ihr es heimzufahren?“ endet:

    1. (8)
    1. @5418: ich bin mit 20 über 150 km weit weg gezogen, und schaffe es meist nur 2 mal in Jahr in die Heimat. allerdings habe ich die Heimat auch erst seitdem so richtig schätzen gelernt. früher war der Ort nie was besonderes, heute ist es wie heimkommen! die Leute sprechen dort meine Sprache und ich muss nicht aufs hochdeutsch achten, damit man mich versteht. ich hätte früher nie gedacht, dass es bei so einer doch noch geringen Distanz von nichtmal 200km einen großen Unterschied macht, aber es ist doch schon sehr spürbar. frohe Weihnachten, liebe Sophie!
    2. @ichbinsophiescholl: @5418 Was die Sprache für einen Unterschied macht, fällt mir auch besonders auf seit ich in München wohne. In meiner Familie wird geschwäbelt und der Dialekt in München ist doch ein ganz anderer. Daher freue ich mich immer wieder in die Heimat zu fahren und mit meiner Familie zu schwäbeln. (21-12-23_12-59-15)

@5418 beantwortet zunächst ausdrücklich die beiden gestellten Fragen, ergänzt dies sodann durch einige Ausführungen zur emotionalen Verbundenheit mit der sogenannten Heimat, insbesondere aufgrund des lokalen Dialekts, und beschließt den Kommentar mit einem namentlich adressierten Weihnachtswunsch. Der Account @ichbinsophiescholl antwortet mit der Stimme Sophie Scholls auf diesen Kommentar und geht dabei auf eben diesen Aspekt des Dialekts als emotionsgeladenen Ausdruck und Träger lokal gebundener Identität ein. Solche gemeinsamen Bewertungshandlungen ermöglichen direkten emotionalen Abgleich zwischen den Interagierenden (vgl. Du Bois 2007). Sie zeigen zudem, wie die Kanalbetreibenden und die Nutzenden die erzählte Geschichte gemeinsam fortschreiben (vgl. Page 2018: 101).

Neben Fragen wie den genannten, die ausdrücklich an potenziell geteilte Erfahrungsbestände anknüpfen und zum Erfahrungsabgleich auffordern, finden sich aber auch solche, die stärker auf die besonderen, historisch situierten Problemlagen Sophie Scholls Bezug nehmen. Ein Beispiel findet sich in den Belegen (9) und (10). Im dazugehörigen Posting berichtet Sophie Scholl in der Caption von ihrer Sorge um ihren Partner Fritz, von dem sie einen Brief aus Stalingrad erhalten hat, dabei aber dennoch nicht sicher sein kann, dass er noch lebt. Außerdem schildert sie „das schlechte Gewissen: weil wir in München studieren dürfen, während Fritz in Erdbunkern den russischen Winter überstehen muss“ und schließt mit der Frage: „Wie kann ich mehr für Fritz da sein, wenn er so weit weg ist?“. Nutzende antworten darauf wie folgt, wobei die Antworten wiederum durch den Account beantwortet werden.

    1. (9)
    1. @3384: Liebe Sophie, neben den Briefen und Päckchen, die Du Fritz schickst, kannst Du vor allen Dingen für ihn da sein, indem Du jeden Tag für ihn betest. Der Herr möge Euch beide bewahren!
    2. @ichbinsophiescholl: @3384 Wahre Worte! Ich habe mir eh vorgenommen, mir wieder mehr Zeit für das Beten zu nehmen. Da sollte ich Fritz häufiger mit in mein Gebet aufnehmen! (21-12-15_13-57-30)
    1. (10)
    1. @14224: Vllt kannst du ihm ein Foto schicken und etwas für ihn zeichnen? Es muntert ihn vllt auf,wenn du ihn an schöne Erlebnisse von euch beiden erinnerst. Wenn man an etwas Schönes denkt, geht es einem gleich viel besser. Oder du schreibst ihm, wie du dir die Zukunft mit ihm ausmalst!
    2. @ichbinsophiescholl: @14224 Schöne Ideen! Vielleicht ist etwas Gezeichnetes eine Möglichkeit. Ich glaube, ein Brief wird eher ankommen als ein Päckchen… (21-12-15_13-57-30)

Es entfalten sich so ganze Ratschlagsequenzen mit der prototypischen sequentiellen Struktur (vgl. Niehaus 2014): Der Schilderung des Anliegens und des Fragens um Rat durch die eine Person folgt das Ratgeben selbst durch die andere Person, das schließlich durch die Ratifizierung und Bewertung dieses Rats durch die ratsuchende Person ergänzt wird. Indem sich die Figur Sophie Scholl auf solche Weise nicht nur als ratsuchend, sondern auch als für Ratschläge empfänglich zeigt und die entworfenen Handlungsmöglichkeiten in den Antworten noch weiter ausgestaltet, wird bei aller historischen Distanz Nähe hergestellt und Identifikation ermöglicht.

5.4 Im Spannungsfeld von emotionaler Involvierung und historischem Wissen

Es soll nicht außer Acht gelassen werden, dass gegen Ende des Projekts die insbesondere in der Logik des Ratgebens implizierte Möglichkeit der Handlungsbeeinflussung in einen gewissen Widerspruch zum Wissen um die bevorstehenden Ereignisse gerät. Die emotionale Involvierung der Nutzenden einerseits und ihr historisches Wissen andererseits stehen in einer nur schwer aufzulösenden Spannung.

In einem der letzten Postings vom 15.02.2022, also drei Tage vor der Verhaftung, berichtet Sophie Scholl vom Plan, das Wochenende in den Bergen zu verbringen, klagt über Schlafmangel und Erschöpfung und fragt schließlich: „Wie stehe ich diese Woche noch gut durch“. Einige Nutzende antworten darauf in (womöglich bewusster) Ausblendung des Wissens darum, dass es zum geplanten Ausflug nicht mehr kommen wird, wie in (11):

    1. (11)
    1. Ich wünsche euch viel Spaß in den Bergen mit viel Sonnenschein und beste Schneebedingungen. Tankt Kraft und vergnügt euch. Kommt gesund wieder. (22-02-15_17-28-21)

Andere Nutzende lassen dagegen deutlich durchblicken, dass sie um das Ende wissen, und geben dennoch Ratschläge, um das Bevorstehende doch noch zu verhindern. Ein Beispiel hierfür findet sich (12) in einer Sequenz, in der sogar der Account mit der Stimme Sophie Scholls noch ‚mitspielt‘:

    1. (12)
    1. @14224: Vielleicht solltet ihr jetzt schon eine Pause einlegen und die Flugblätter auch dem Weg ins Skigebiet oder direkt im Skigebiet verteilen. So vergrößert ihr euren Radius und könnt in den wohlverdienten Urlaub starten! An die Uni habt ihr ja schon „Nieder mit Hitler“ geschrieben und Flugblätter verteilt. Das ist zu auffällig schon wieder ein Flugblatt dort zu verteilen!
    2. @ichbinsophiescholl: @14224 Unser nächstes Flugblatt richtet sich direkt an die Studentinnen und Studenten, daher wollen wir es auch in der Universität verteilen. Wir verschicken auch wieder einige Exemplare per Post. Doch so viele Flugblätter mit in den Urlaub zu nehmen, wäre sicher riskant. Ich hoffe, dass wir das Wochenende in den Bergen genießen können!
    3. @14224: @ichbinsophiescholl Gutes Argument, aber ich finde, du solltest mehr auf deinen Körper hören und eine Pause machen. Nach eurem Urlaub könnt ihr auch noch das Flugblatt verteilen. […] (22-02-15_17-28-21)

Andere Nutzende sprechen hingegen das bevorstehende Ende ausdrücklich an, ohne jedoch, zumindest vorerst, den involvierten Kommunikationsmodus zu verlassen, wie er durch die ausdrückliche Adressierung der Figur Sophie Scholl deutlich wird (13):

    1. (13)
    1. @2366: Liebe Sophie, was wäre wenn ich dir sagen würde, dass ich aus der Zukunft komme und dir erzähle, dass du & Hans in ein paar Tagen stirbt, wenn ihr nicht mit den Flugblättern aufhört. Was würdest du tun?
    2. @ichbinsophiescholl: @2366 #TeamSoffer Nach ihrer Verhaftung sagte Sophie Scholl in ihrem Verhör laut Protokoll: „Ich bin nach wie vor der Meinung, das Beste getan zu haben, was ich gerade jetzt für mein Volk tun konnte. Ich bereue deshalb meine Handlungsweise nicht und will die Folgen, die mir aus meiner Handlungsweise erwachsen, auf mich nehmen“.
    3. @2366: @ichbinsophiescholl Das ist Sophie. (22-02-15_17-28-21)

@2366 formuliert den Vorausblick auf das Ende zwar im Modus des Hypothetischen und fragt nach der Reaktion der ausdrücklich mit „Liebe Sophie“ angesprochenen Figur Sophie Scholl auf dieses Gedankenspiel, bewegt sich dadurch aber schon aus der erzählten Welt heraus. Dementsprechend antwortet hier der Account auch in der Rolle der Redaktion mit dem Hashtag #TeamSoffer, und auch @2366 wechselt in seiner Gegenantwort in die 3. Person „Das ist Sophie.“

Es finden sich übrigens auch zahlreiche Kommentare, die ganz ausdrücklich das bevorstehende Ende thematisieren, dabei auch die eigene Involvierung reflektieren und durchaus ein gewisses Unbehagen äußern (14):

    1. (14)
    1. Es ist eigenartig. Seit einem Jahr verfolge ich das hier und obwohl ich ja weiß, dass sie in ein paar Tagen hingerichtet wird und die Geschichte schon längst geschrieben ist… Hoffe ich insgeheim, dass es doch nicht passiert. Als würde sich dadurch die Vergangenheit ändern. (22-02-15_17-28-21)

Was in diesem Kommentar ausdrücklich als ein Effekt der im Projekt verfolgten Erzähl- und Involvierungsstrategien reflektiert wird, scheint bei vielen anderen Nutzenden dagegen eher unbewusst abzulaufen.

5.5 Indikatoren der Involvierung aus quantitativer Sicht

Die vorangegangenen Analysen haben die mannigfaltigen kommunikativen Mittel aufgezeigt, mit denen in den Postings und Captions des Kanals Involvierungsangebote gesetzt werden und mit denen wiederum Nutzende, oft in fortgesetzter Interaktion mit dem Account, ihrer Involvierung Ausdruck verleihen. Auf die subjektiv formulierten und emotional aufgeladenen Captions, die häufig in Fragen münden, reagieren Nutzende mit direkten Anreden, beantworten die Fragen, stellen ihrerseits Fragen oder erteilen Ratschläge und sprechen Warnungen aus.

Eine Quantifizierung dieser qualitativen Beobachtung ist, abgesehen von den formseitig klar bestimmbaren Anredeformeln, aufgrund der fehlenden Möglichkeiten der eindeutigen Operationalisierung schwierig. Als eine tentative Möglichkeit bietet sich aber die Suche nach Verben und Pronomen in der 2. Person an, die rein grammatisch betrachtet die Grundlage für direkte Adressierungen als Ausdruck von Involvierung (vgl. Landert 2017) darstellen. Nach ihnen kann im morphosyntaktisch feingliedrig annotierten Korpus gesucht werden. Dabei sind jedoch weitere Einschränkungen nötig: Da sich in Replies die Nutzenden typischerweise in der 2. Person wechselseitig adressieren, auch wenn sie sich distanziert über das Projekt austauschen, werden nur Kommentare der ersten Ebene berücksichtigt. Auch Kommentare, die durch ein Mention mit @ gezielt an andere Nutzende gerichtet sind, sowie solche, die durch den Hashtag #TeamSoffer die Redaktion adressieren, werden ausgenommen.

Mit diesen Einschränkungen bleiben 27.272 Kommentare, von denen 6.415 (24 %) wenigstens eine Form der 2. Person enthalten. Fehler bei der Annotation ergeben sich bei der für das interaktionsorientierte Schreiben typischen Auslassung des finalen e in der ersten Person wie in ich glaub, die vom auf Zeitungstexten trainierten RFTagger, der für die morphosyntaktische Annotation genutzt wurde, fälschlicherweise als Imperativ erkannt wird. Auch sind natürlich nicht alle Adressierungen der zweiten Person tatsächlich an die auf dem Account inszenierten Figuren gerichtet, so etwa bei den vielen Kommentaren, in denen die Kanalbetreibenden auch ohne den Hashtag #TeamSoffer oder die Nutzenden oder Teile von diesen als Kollektiv angesprochen werden.

Bei einer Stichprobe von drei Postings vom 5.5.2021, 15.12.201 und 6.1.2022 zeigen sich aber Trefferquoten der gewählten Operationalisierung von 84 %, 100 % und 90 %, so dass sie als recht verlässlich gelten kann. Somit kann versuchsweise ausgezählt werden, wie sich die Adressierungen der 2. Person über die Projektlaufzeit verteilen. Abb. 2 visualisiert die Auswertung als Punktdiagramm mit Konfidenzintervall:

Abbildung 2
Abbildung 2

Anteil der Kommentare mit Adressierung im Zeitverlauf

Das Punktdiagramm zeigt gruppiert nach Monaten den durchschnittlichen Anteil der Kommentare, die wenigstens eine Form der 2. Person enthalten. Die senkrechten Fehlerbalken zeigen 95%-Konfidenzintervalle. Durch unterschiedlich starke Streuung der jeweiligen Anteile pro Kommentar in verschiedenen Monaten und eine unterschiedlich große Zahl an Kommentaren pro Monat schwankt hier die Messgenauigkeit, wobei die dargestellten Intervalle einen plausiblen Bereich für den jeweiligen Anteil der Kommentare mit der wie beschrieben operationalisierten Involvierung abbilden. Es zeigt sich also, dass der Anteil der Kommentare mit Adressierung in der 2. Person zu Beginn des Projekts stetig zunimmt, sich dann aber mit gewissen Schwankungen auf recht hohem Niveau einpendelt. Dies ist ein Hinweis darauf, dass sich Nutzende nach anfänglicher Distanz dann involvieren ließen und involviert blieben.

Ein nochmals differenzierteres Bild ergibt sich bei einer nach Numerus gruppierten Auswertung (Abb. 3):

Abbildung 3
Abbildung 3

Anteil der Kommentare mit Adressierung im Zeitverlauf, nach Numerus gruppiert

Diese getrennte Auswertung scheint insofern gerechtfertigt, als die Redaktion typischerweise in der 2. Person Plural angesprochen wird wie etwa in (15):

    1. (15)
    1. Ihr leistet so wichtige Arbeit! Ein großes Lob an alle, die an diesem Projekt beteiligt sind. (21-04-30_11-50-55)

Gerade der Anstieg der Adressierungen am Ende des Projekts dürfte auch auf Kommentare wie (16) zurückzuführen sein:

    1. (16)
    1. Mega Projekt von euch … Ihr seid echt toll (22-02-18_12-17-39)

Allerdings werden auch die historischen Figuren als Kollektiv, insbesondere die Widerstandsgruppe Weiße Rose, in der 2. Person Plural angesprochen, so etwa in (17), einem Kommentar unter einem Posting, in dessen Caption Sophie Scholl von den persönlichen Spannungen in der Gruppe, insbesondere zwischen ihrem Bruder Hans und Willi Graf berichtet:

    1. (17)
    1. Ich denke, Ihr alle seid zu einem Höchstmaß angespannt. Seid nachsichtig miteinander, auch wenn mal einer kränkendes Verhalten zeigt. Am Ende geht es doch um die Sache, die Euch eint!! (22-01-07_10-56-50)

Eine wirklich verlässliche Abschätzung, ob und wie die direkten Adressierungen der Erzählfiguren über die Zeit hinweg variieren, ist also schwierig. Gleichwohl weisen die Befunde darauf hin, dass viele Nutzende bis zum Ende des Projektes die Fiktion der Ansprechbarkeit der inszenierten Figur aufrechterhielten.

Neben den direkten Adressierungen lassen sich schließlich Landert (2017) zufolge auch emotional aufgeladenes Vokabular und schriftsprachliche Mittel der Emphase als Indikatoren für Involvierung lesen. Hier bieten sich verschiedene tentative Operationalisierungen an. Einen möglichen Zugriff stellen Emojis dar. Auch wenn das Funktionsspektrum von Emojis deutlich über den Ausdruck von Emotionen hinausreicht (vgl. Beißwenger / Pappert 2019: 69–90), ist die „emotionale Einordnung eines Sachverhalts oder einer Handlung“ (Pappert 2017: 196) gerade in Kommentaren eine wichtige Funktion. Die sechs häufigsten Emojis (hier wurden auch die Replies in die Auswertung einbezogen) sind:

Tabelle 2

Häufigste Emojis

Emoji Absolute Häufigkeit
5922
2972
2779
1760
1327
1046

In Großteil der Projektlaufzeit fällt die Verteilung so aus wie in Tab. 2 aufgeführt. Im ersten Monat ist das -Emoji am häufigsten – passend zu der bereits erwähnten Beobachtung, dass sich ganz zu Beginn die meisten Kommentare auf das Projekt als solches in oft zustimmender Weise bezogen. Im letzten Monat ist das -Emoji, das als Ausdruck von Trauer gedeutet werden kann, das häufigste. In den restlichen Monaten wird jeweils das Herzchen-Emoji am häufigsten genutzt. Insgesamt aber werden offenbar solche Emojis besonders häufig genutzt, die vornehmlich expressive Funktionen haben.

Eine Auszählung der relativen Häufigkeiten von Emojis über die Zeit (Abb. 4) zeigt, dass vor allem die Erstreaktionen auf den Start des Projektes mit Emojis versehen wurden. Danach geht ihre Verwendung deutlich zurück und nimmt über den Projektzeitraum nahezu stetig ab. Auch hier ist zum Projektende wieder ein leichter Anstieg zu verzeichnen, was abermals darauf zurückzuführen sein dürfte, dass sich die Kommentierenden hier wieder verstärkt an die Redaktion wenden und wie in (16) Lob und Anerkennung zum Ausdruck bringen.

Abbildung 4
Abbildung 4

Relative Häufigkeiten (pro Millionen Wörter) von Emojis im Zeitverlauf

Eine weitere Methode, um emotional aufgeladenes Vokabular quantifizierend untersuchen zu können, ist die Sentiment Analyse (vgl. Liu 2012). In der einfachsten Variante wird auf Grundlage eines Lexikons, das ausgewählten Wörtern mit emotiver Bedeutung oder Konnotation einen numerischen Wert zuweist, für Texteinheiten ein sogenannter Sentiment Score ermittelt. Dieser gibt an, ob und zu welchem Grad in der Texteinheit eher positive oder negative Emotionen ausgedrückt bzw. evoziert werden, stellt also eine Annäherung an das Emotionspotenzial (vgl. Schwarz-Friesel 2013) der Texteinheit dar. Eine für das Deutsche viel genutzte Ressource ist das u.a. auf der Basis von Wörterbüchern sowie Produktbewertungen erstellte Lexikon SentiWS (vgl. Remus / Quasthoff / Heyer 2010), das 3471 Wörtern Werte zwischen -1 und 1 zuweist. Auf der Einzeltextebene ist ein solches Verfahren sehr fehleranfällig, über eine Vielzahl von Texten gemittelt können aber zumindest Tendenzen verlässlich aufgezeigt werden.

Als Texteinheiten werden hier jeweils alle Kommentare und Replies eines Postings angesetzt. Basierend auf den Werten aus SentiWS wurde diesen Einheiten ein Sentiment Score zugewiesen, indem ein Durchschnittswert von allen Lemmata in der Texteinheit, die im Lexikon verzeichnet sind, berechnet wurde. Der folgende Plot zeigt die nach Monaten gruppierten Sentiment Scores:

Abbildung 5
Abbildung 5

Durchschnittliche Sentiment Scores der Postings im Zeitverlauf

Auch wenn eine solche Methode denkbar grob ist, die mannigfaltigen lexikalischen Realisierungen weitgehend einebnet, nicht systematisch zwischen Emotionsausdruck und Emotionsbezeichnung unterscheidet und andere sprachliche Ebenen des Emotionsausdrucks wie etwa die Syntax außer Acht lässt, liefert sie Hinweise darauf, dass positive Emotionen über die Projektlaufzeit zurückgehen. Tab. 3 zeigt die am stärksten ins Gewicht fallenden positiven und negativen Wörter und kann zumindest einen ersten Eindruck vermitteln, welche Themen verhandelt werden.

Tabelle 3

Am stärksten gewichtete emotive Wörter gemäß SentiWS

Positiv Negativ
gut Krieg
groß leider
wichtig Angst
toll falsch
mögen schlecht
spannend Gefahr
Mut gefährlich

Es hat den Anschein, als seien bei den positiven Wörtern vor allem jene ausschlaggebend, die für lobende Kommentare zum Projekt als solchem genutzt werden können. Hinzu kommt das Wort Mut, mit dem typischerweise Bewunderung für Sophie Scholl zum Ausdruck gebracht wird. Bei den negativen Wörtern finden sich dagegen auch solche, die auf das erzählte Geschehen Bezug nehmen wie Krieg und Gefahr und auch emotionale Reaktionen seitens der Rezipierenden thematisieren wie Angst. Dass diese Aspekte mit der Zeit in den Vordergrund zu treten scheinen, kann als Hinweis darauf gedeutet werden, dass sich die Nutzende durch die erzählte Geschichte immer stärker involvieren lassen. Präzisere Textlektüren müssten dieser Hypothese nachgehen.

6. Fazit und Anwendungsmöglichkeiten für den DaF-Unterricht

Die Analysen haben gezeigt, dass der Versuch, Social Media-Nutzende durch die gewählten Erzähl- und Darstellungsweisen des Lebens von Sophie Scholl auf der Plattform Instagramm „emotional, radikal subjektiv und in nachempfundener Echtzeit an den letzten zehn Monaten ihres Lebens teilhaben“ zu lassen, in den Kommentaren breiten Nachhall findet. Die Verschiebung „from past to present, from history to experience“ (Henig / Ebbrecht-Hartmann 2022: 222) und die Etablierung eines responsiven Raums für gemeinsam ausgestaltete Erinnerungen, die in den Affordanzen der Plattform mit ihren Ästhetiken und ihrer typischen Interaktivität bereits angelegt ist, lässt sich aus den Kommentaren und den dort zu beobachtenden Indikatoren der Involvierung gut ablesen. Der Account selbst hat nicht nur durch eine entsprechende, mannigfaltige Involvierungsangebote setzende Gestaltung der Postings in Bild und Wort, sondern auch durch die aktive Beteiligung an der Kommunikation in den Kommentarbereichen, maßgeblich dazu beigetragen, dass sich hier eine emotional sehr involvierte Form des kollaborativen Erinnerns etabliert, welche die historischen Ereignisse selbst mitunter zu überdecken scheint. Es gibt in den Kommentarbereichen zwar auch zahlreiche kritische Stimmen, welche u.a. die fiktionalen Elemente der Darstellung monieren oder auf die weitgehende Ausblendung des Holocaust hinweisen. Dennoch finden sich viele Kommentare, die vor allem davon zeugen, dass sich Nutzende von der Geschichte gleichsam mitreißen lassen und die Fiktion eines unmittelbaren Miterlebens der Geschichte aktiv mit ausgestalten, mitunter sogar in Ausblendung der historischen Tatsachen.

Ob hierdurch eine „lebendige Erinnerungskultur jenseits formaler Bildungskontexte“ (Lohmeier / Schreiber / Schwarzenegger 2020: 48) ermöglicht wird, welche gegenwartsbezogene Aushandlungsprozesse von historischem Wissen anstoßen können, oder ob die deutliche Orientierung an Emotionalisierung und Identifikationsstiftung diese geschichtsdidaktischen Ziele unterläuft, soll hier nicht entschieden werden. Die Befunde, welche ein reichhaltiges Bild der tatsächlichen Rezeption vermitteln, zeigen aber, dass eine gewisse Skepsis durchaus berechtigt ist. Es lassen sich vielfältige Rezeptionsweisen aufzeigen, welche die Kritik an den emotionalisierenden und subjektivierenden Darstellungen – sofern man diese denn kritisch betrachten möchte – als gerechtfertigt erscheinen lassen. Es ist jedoch zu bedenken, dass auf der Grundlage des hier untersuchten Korpus nur Aussagen über die aktiven Nutzenden und deren Rezeption getroffen werden können, nicht aber über die zahlenmäßig weit überlegenen Follower und Lurker, die keine Kommentare hinterlassen.

Gerade die Rezeptionszeugnisse, wie sie im Fokus dieses Beitrags standen, haben nun aber besonderes Potenzial für die sprach- und literaturdidaktische Auseinandersetzung mit Social Media History-Formaten. Als ein Format mit vornehmlich junger Zielgruppe ist das Projekt @ichbinsophiescholl sicherlich prädestiniert dafür, z.B. in den Geschichts- oder den Deutschunterricht, auch in DaF-Kontexten, integriert zu werden. Die Befunde der obigen Analysen zeigen jedoch, dass die Lernenden mit dem Format nicht allein gelassen und die Beiträge nicht einfach nur als zielgruppengerechte Aufbereitung zu vermittelnden historischen Wissens verstanden werden sollten. Vielmehr könnten gerade die Kommentare als Begleittexte herangezogen werden, anhand deren sich mögliche Wirkungen der plattform- und accounttypischen Erzählweisen und auch eigene Rezeptionshaltungen kritisch und materialgestützt diskutieren lassen.

Speziell für den DaF-Unterricht ergeben sich hier auch Anknüpfungspunkte für die fremdsprachliche Kulturdidaktik, insbesondere mit Bezug auf das Konzept der Erinnerungsorte als Lernanlässe für den Fremdsprachunterricht (vgl. Badstübner-Kizik 2014; Roche / Röhling 2014). Erinnerungsorte als Kristallisationspunkte des kollektiven Gedächtnisses sind dabei weniger physisch lokalisierte Orte als vielmehr alle kulturellen Phänomene, die, je überformt durch ihre mediale Repräsentation, für ein Kollektiv bedeutsam für die Auseinandersetzung mit Vergangenheit sind und identitätsstiftend wirken können (vgl. Erll 2017: 21), so dass auch historische Personen als Erinnerungsorte im erweiterten Sinn fungieren können. Solche Erinnerungsorte, so kann mit Assmann gesagt werden, werden durch „Erzählen, Vergegenwärtigen und kommunikativen Austausch“ (Assmann 2006: 29) immer neu konturiert und sind dadurch mit der Gesellschaft, in der sie als Erinnerungsorte fungieren, untrennbar verknüpft. Für die fremdsprachliche Kulturdidaktik ergibt sich daraus das Potenzial, dass Erinnerungsorte in ihrer kommunikativen Konstruktion sehr detaillierte Einblicke in landestypische Auseinandersetzungen mit Geschichte geben können. Eine geeignete Auswahl von entsprechenden Texten und anderen medialen Formaten vorausgesetzt, kann die Thematisierung von Erinnerungsorten im DaF-Unterricht „Anlässe zum fremdsprachlichen Reflektieren und versuchsweisen (Mit-)Erleben“ (Badstübner-Kizik 2014: 53) der sich hier zeigenden Formen des Erinnerns bieten. Diese bleibt nicht bei der Aneignung der erinnerten Personen und Ereignisse stehen, sondern macht die Weisen der Erinnerung selbst in all ihren – möglicherweise auch problematischen – Facetten der Reflexion zugänglich.

Ein korpusgestützter Zugriff auf das Social Media History-Format @ichbinsophiescholl einschließlich der Kommentare ist hierfür eine mögliche Umsetzung. Er genügt den von Badstübner-Kizik (2014: 56) umrissenen didaktischen Auswahlkriterien. Das sehr umfassende kulturelle Phänomen des Erinnerns an den (Widerstand im) Nationalsozialismus wird erstens durch das klar begrenzte Korpus konkretisiert und überschaubar, ohne unterkomplex zu sein. Es wird zweitens in seiner Vernetztheit adressiert, schließt multimodale Zugänge ein und kann zu intermedialen Lernumgebungen kombiniert werden, in die entweder didaktisch aufbereitete Korpusdaten oder auch eigene Korpusabfragen durch die Lernenden integriert werden können. Drittens kann auf unterschiedlichen sprachlichen Niveaus gearbeitet werden und es können Unterrichtsmaterialien in präzisem Zuschnitt auf die Kompetenzstufen der Lernenden erstellt werden. Sprachoberflächennahe Phänomene wie Anredeformeln lassen sich ebenso erheben und kompilieren wie pragmatisch komplexere Phänomene wie Ratschläge und Ratschlagsequenzen. Auf diese Weise bietet ein Social-Media-Korpus wie das hier vorgestellte, gerade in DaF-Kontexten, die Möglichkeit, Sprach- und Kulturdidaktik auf interessante Weise und in einem gesellschaftspolitisch hochrelevanten Feld wie der Erinnerungskultur zu verbinden.

Notes

  1. https://www.swr.de/unternehmen/ich-bin-sophie-scholl-projekt-100.html (dieser und alle weiteren Links wurden zuletzt am 17.11.2023 geprüft). [^]
  2. Diskursprägend war insbesondere eine dem Kanal gewidmete Ausgabe der Satiresendung ZDF Magazin Royale mit dem Titel „Gut gemeint, schlecht umgesetzt: Das Problem mit deutscher Erinnerungskultur“ vom 18.2.2022 (https://www.youtube.com/watch?v=rx8HZ0rnRxA). Weitere Pressestimmen finden sich etwa bei Bernhard (2021). [^]
  3. https://www.stiftung-evz.de/wer-wir-sind/neuigkeiten-aus-der-stiftung/neuigkeit/instagram-projekt-ichbinsophiescholl-ein-debattenbeitrag/. [^]
  4. https://www.instagram.com/eva.stories/ [^]
  5. https://osf.io/34hj7/. [^]
  6. Bei Belegzitaten aus dem Korpus wird der Zeitstempel des Postings angegeben, unter dem der Kommentar bzw. der Reply abgesetzt wurde. [^]
  7. Als Handlungen des Accounts werden hier alle Beiträge gefasst, als deren Urheber auf der Plattform Instagram das Handle @ichbinsophiescholl erscheint, in Postings ebenso wie in Kommentaren. Dahinter steht freilich eine Redaktion bzw. eine den Account betreibende Instanz, die aber hier der Einfachheit halber als „Account“ bezeichnet wird. [^]
  8. Bei Sequenzen werden den Kommentaren die durch numerische IDs ersetzten Usernames kursiv vorangestellt. Nicht kursiv gesetzte Usernames bzw. die entsprechenden IDs sind Teil der Kommentare. [^]
  9. Mit Berg et al. (2023) wäre zu überlegen, ob diese Form der Interaktion der in der Medienlinguistik gut untersuchten parasozialen Interaktion (vgl. Meer / Luginbühl 2022) entspricht. Diese umfasst jedoch v.a. Fälle, in denen die Einwegkommunikation nur scheinbar überwunden wird, während hier die adressierte Figur Sophie Scholl ja tatsächlich antwortet. [^]

Literatur und Ressourcen

Ágel, Vilmos / Hennig, Mathilde (2007): Überlegungen zur Theorie und Praxis des Nähe- und Distanzsprechens. In: Ágel, Vilmos / Hennig, Mathilde (Hrsg.): Zugänge zur Grammatik der gesprochenen Sprache. Tübingen: Niemeyer, 179–214.

Assmann, Aleida (2006): Der lange Schatten der Vergangenheit: Erinnerungskultur und Geschichtspolitik. München: Beck.

Badstübner-Kizik, Camille (2014): „Erinnerungsorte“ in der fremdsprachlichen Kulturdidaktik. Anmerkungen zu ihrem didaktisch-methodischen Potenzial. In: Mackus, Nicole / Möhring, Jupp (Hrsg.): Wege für Bildung, Beruf und Gesellschaft - mit Deutsch als Fremd- und Zweitsprache: 38. Jahrestagung des Fachverberbandes Deutsch als Fremdsprache an der Universität Leipzig 2011 (= Materialien Deutsch als Fremdsprache Bd. 87). Göttingen: Universitätsverlag Göttingen, 43–64.

Bamberg, Michael (2006): Stories: Big or small: Why do we care? In: Narrative Inquiry 16: 1, 139–147.  http://doi.org/10.1075/ni.16.1.18bam.

Beißwenger, Michael / Pappert, Steffen (2019): Handeln mit Emojis: Grundriss einer Linguistik kleiner Bildzeichen in der WhatsApp-Kommunikation. Duisburg: Universitätsverlag Rhein-Ruhr.

Bender, Michael / Mell, Ruth M. / Wildfeuer, Janina (2022): Zur Spezifik digitaler Medien als Diskursraum: Materialität, Daten, Affordanzen. In: Gredel, Eva / DFG-Netzwerk „Diskurse – digital“ (Hrsg.): Diskurse – digital. Theorien, Methoden, Anwendungen. Berlin / Boston: De Gruyter, 27–46.

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Biographische Notiz

Simon Meier-Vieracker, Prof. Dr., Professor für Angewandte Linguistik am Institut für Germanistik der TU Dresden, zuvor wissenschaftlicher Mitarbeiter an der TU Berlin und wissenschaftlicher Assistent an der Universität Bern. Seine Forschungsschwerpunkte liegen in der Korpuslinguistik, der Medienlinguistik und der Diskurslinguistik.

Kontaktanschrift:

Prof. Dr. Simon Meier-Vieracker

Professur für Angewandte Linguistik

Institut für Germanistik und Medienkulturen

TU Dresden

01069 Dresden

simon.meier-vieracker@tu-dresden.de