1. Einleitung
Die Orthoepieforschung stellt ein traditionelles Forschungsgebiet der Sprechwissenschaft an der Universität Halle dar. Ihre Ergebnisse wurden in Form mehrerer Aussprachewörterbücher publiziert, zuletzt im Deutschen Aussprachewörterbuch (DAWB, Krech et al. 2010). Die Überführung des Wörterbuchs in eine Online-Datenbank ist ein logischer Schritt im Zeitalter der Digitalisierung. Dafür spricht eine Reihe von damit einhergehenden Vorteilen, wie beispielsweise Filter- und Suchfunktionen, die Einbindung von Audiodateien, Verlinkungen innerhalb der Datenbank oder auf andere Webseiten sowie Metadaten und Zusatzangaben, für die in einem Wörterbuch kein Platz wäre. Mit der Einrichtung der Deutschen Aussprachedatenbank (DAD) wird dem vermeintlichen Wunsch vieler Lehrender und Berufssprechender nach einer öffentlich zugänglichen Referenzquelle entgegengekommen, die neben normphonetischen Angaben zum allgemeinen Wortbestand auch empirisch fundierte Eindeutschungsformen und -regeln etablierter und aktueller fremdsprachiger Lemmata anbietet. Im vorliegenden Beitrag wird die Deutsche Aussprachedatenbank als aktuelles Ergebnis der halleschen Kodifikationsarbeiten präsentiert. Unter anderem werden der terminologische Apparat, der aktuelle Forschungsstand und technische Möglichkeiten der DAD vorgestellt. Neben dem Aufbau der Datenbank und den Kodifizierungsgrundlagen werden Anregungen für die sprachdidaktische Nutzung der Aussprachedatenbank gegeben. Abschließend werden bevorstehende Arbeiten an der DAD und Entwicklungsmöglichkeiten des digitalen Aussprachewörterbuchs diskutiert.
Das DAWB versteht sich neben dem Duden-Aussprachewörterbuch als Referenzwerk in Fragen der korrekten deutschen Standardaussprache. Voraussetzungen für eine allgemein anerkannte Kodifizierung sind kontinuierliche korpusbasierte Analysen sowie deren Deskription und Systematisierung. Dies ermöglicht eine Erfassung der standardsprachlichen Sprechwirklichkeit sowie eine Abgabe normativer Empfehlungen für die Orthoepie (vgl. ebd.: 7). Die Gültigkeit der empfohlenen Standardaussprache wird vor allem in jenen Bereichen angegeben, in denen formbewusst gesprochen wird: in audiovisuellen Medien, auf der Bühne, im Bildungssektor, im Gebiet der Sprach- und Sprechtherapie sowie im Deutschunterricht (vgl. ebd.: 6-7). In diesen Bereichen sind dementsprechend auch die Zielgruppen des Deutschen Aussprachewörterbuchs verankert: Mediensprecher*innen, Schauspieler*innen, Redner*innen, Lehrkräfte in Deutsch als Muttersprache (DaM), als Fremdsprache (DaF) und als Zweitsprache (DaZ) sowie sprach- und sprechtherapeutisch Tätige. Von Personen, die diesen Berufsgruppen angehören, wird die Nutzung der Standardaussprache erwartet, wie Hollmach (2007) in einer repräsentativen Umfrage zeigen konnte (vgl. auch Jochmann 2000).
Neben den Berufssprecher*innen, Linguist*innen und Sprachtherapeut*innen adressiert die Deutsche Aussprachedatenbank insbesondere Deutschlehrende und -lernende. Sprachkorpora können als Hilfsmittel für die Produktion und die Rezeption im Fremdsprachenunterricht benutzt werden und die autonome Arbeit am Wortschatz fördern. Die Deutsche Aussprachedatenbank kann dabei als seriöse Informationsquelle empirisch fundierte Hinweise zu einem präzisen und normkonformen mündlichen Sprachgebrauch geben. Für den Unterricht in DaF, DaZ und DaM sollte diese Referenzquelle daher von Bedeutung sein, zumal das Konzept der DAD auch die Richtlinien des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens berücksichtigt. Ausgewählte Einträge werden künftig in Anlehnung an die Wortschatzlisten für die Zertifikatsprüfung des Goethe-Instituts mit zusätzlichen Metadaten quantifiziert, die den Niveaustufen A1–C2 entsprechen. Das bietet die Möglichkeit, Wortlisten nach Sprachniveaus zu erstellen. Auf den konzeptuellen Hintergrund und die technischen Möglichkeiten wird in den folgenden Kapiteln des vorliegenden Beitrags eingegangen.
2. Die hallesche Orthoepieforschung
Der Weg von der Konzeption zur Realisation der Deutschen Aussprachedatenbank ist in der seit fast 70 Jahren bestehenden Orthoepieforschung an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg verankert. Dem aktuellen Status quo gehen bereits drei Aussprachewörterbücher voraus (Krech et al. 1964, 1982, 2010). Trotz vieler Erweiterungen, Modifikationen und Ergänzungen wurde jedes hallesche Referenzwerk vom Konzept der Standardaussprache geprägt, die sich als eine dialektneutrale, überregionale Existenzform mit weiter Geltung versteht (Krech et al. 2010: 7). Sie wird besonders in offiziellen öffentlichen Situationen genutzt. Überdies berücksichtigt ihre Kodifikation den erwarteten und den realen Sprechgebrauch, der kontinuierlich überprüft wird (vgl. Hirschfeld / Stock 2014; Bose / Grawunder / Schwarze 2018), so dass die Ausspracheempfehlungen empirisch basiert sind. Als explizite Norm kann die Standardaussprache regulative Funktionen erfüllen (vgl. Krech et al. 2010: 7). Im Folgenden wird die hallesche Kodifikationsgeschichte der deutschen Standardaussprache überblickartig dargestellt.
2.1 Siebs als Auslöser für die normphonetische Forschungsarbeit in Halle
Die erste Kodifikation der deutschen Standardaussprache wurde Ende des 19. Jahrhunderts vom Greifswalder Hochschullehrer Theodor Siebs vorgenommen. Die Grundlage für die Normierung sah er vor allem in den überregionalen Realisationen des Deutschen auf prominenten deutschen Theaterbühnen. Siebs gelang es schnell, für sein Projekt und letztendlich für sein Werk einflussreiche Vertreter aus Politik, Kultur und Wissenschaft zu gewinnen.
…Sein Wirken für die Orthoepie, das seit jeher kritisch begleitet wurde, und die in seinem Sinne weitergeführte Traditionslinie späterer Herausgeber ist verantwortlich für die stete wissenschaftliche Auseinandersetzung mit seinen orthoepischen Konzepten und Kodizes bis in die Gegenwart.“ (Hollmach 2007: 69).
Die Ursache der Kritik lag vor allem in Siebs‘ normphonetischen Anforderungen an die deutsche Bühnenaussprache, denen die Zielgruppe selbst kaum nachkommen konnte. Die erweiterte Gültigkeitsforderung und die Übertragung dieser Aussprachenormen auf andere Kommunikationsbereiche löste abermals eine Kritikwelle aus. Das orthoepische Idealgebilde im Siebs-Aussprachewörterbuch wurde letztendlich nur in konservativen Kreisen befürwortet. Dennoch blieb es trotz leichter Änderungen bis in die letzte Auflage von 1969 aufrechterhalten.
Der Wunsch, die deutsche Standardaussprache für verschiedene Anwendungsbereiche, u. a. für den deutschen Rundfunk, zu kodifizieren, wurde bereits in den 1930er Jahren in vielen Forschungs- und Kultureinrichtungen laut artikuliert (vgl. Geissler 1938). Die Motivation für dieses orthoepische Vorhaben resultierte vornehmlich aus den bis dahin vorhandenen überhöhten und schriftorientierten Aussprachenormen im Siebs-Aussprachewörterbuch, die der Sprechwirklichkeit fernblieben und den Erwartungen der Berufssprechenden nicht entsprachen. Die Dokumentation der begonnenen empirischen Forschung ist leider während des Zweiten Weltkriegs abhandengekommen.
2.2 Wörterbuch der deutschen Aussprache
Nach dem Ende des Kriegs kam es zu Fachgesprächen zwischen Vertreter*innen der Sprechwissenschaft aus Frankfurt, Jena und Halle. Im Jahr 1953 kam bei Beratungen des Deutschen Ausschusses für Sprechkunde und Sprecherziehung die Idee, das siebssche Aussprachewörterbuch von Grund auf neu zu bearbeiten und ein gesamtdeutsches Aussprachewörterbuch zu schaffen, abermals zum Ausdruck (vgl. Krech 1957). Die Initiative, die aus universitären Vertretern der Sprechkunde aus DDR und BRD bestand, wurde allerdings von den Herausgebern des Siebs-Aussprachewörterbuchs abgelehnt (vgl. ebd.; Hollmach 2007: 79). Im selben Jahr erhielt die Jenenser Sprechwissenschaftlerin Imgard Weithase einen Forschungsauftrag über die …Normierung der deutschen Allgemeinsprache“ vom Staatssekretariat für das Hochschulwesen der DDR (vgl. Meinhold 2019: 129) und die Institute in Jena und in Halle fingen an, für einzelne Forschungsschwerpunkte eine empirische Basis in Form großer Korpora von Sprachaufnahmen für auditive und akustische Analysen der Ausspracherealität zu schaffen (vgl. ebd. 131-132). Nach Weithases Umzug nach München wurde die Redaktionsarbeit am 6. Februar 1959 unter der Leitung von Hans Krech von dem damaligen Institut für Sprechkunde und Phonetische Sammlung der Martin-Luther-Universität übernommen (vgl. Hollmach 2007: 79). In Halle begann eine systematische Forschung auf orthoepischem Gebiet. Ziel war die Erarbeitung eines konzeptionell neuen Aussprachewörterbuches, welches mit der Siebsschen Tradition brechen sollte. Die wichtigsten Grundsätze bei der Arbeit am Wörterbuch besagten:
Die Sprechrealität gilt als Grundlage für die Aussprachekodifizierung,
Die Regelung umfasst eine überregionale Sprechweise, die …von allen erreichbar ist“ (vgl. Krech 1989: 74).
Die Forscher*innen aus Halle folgten konsequent ihrem Leitgedanken, dass die Gültigkeit jeglicher Ausspracheempfehlungen erst durch deren allgemeine Erreichbarkeit gewährleistet werden kann. Ihre Forschungsarbeit war demzufolge an der Sprechrealität im Rundfunk ausgerichtet und umfasste Schwerpunkte, die klärungsbedürftige Fragen beinhalten, welche teilweise aus der bislang im Siebs-Aussprachewörterbuch unbeachteten Koartikulation im Redefluss resultierten (vgl. Krech 1996: 29-30). Dabei ging es zuerst um eine empirisch fundierte Beschreibung des Sprechgebrauchs in einer Form, die zunächst als allgemeine deutsche Hochlautung bezeichnet wurde. Dieser Terminus wurde später durch den Begriff Standardaussprache ersetzt.
Unter Standardaussprache wird so die allgemein realisierte, akzeptierte und erwartete Ausspracheform auf der Ebene der Hoch- bzw. Literatursprache verstanden. Der Begriff bezieht sich damit nicht auf eine exklusive oder elitäre Sprechweise, schließt andererseits aber auch nicht territorial geprägte oder saloppe umgangssprachliche Realisationen ein. (Krech 1989: 74-75).
Diese konzeptionelle Festlegung ist bis heute verbindlich und überschneidet sich mit der Auffassung der Standardaussprache im DAWB. Auch der Umgang mit fremden Namen und Wörtern stand im Fokus der halleschen Kodifikation und wurde in den Fachtagungen und Beratungen mit Rundfunksprecher*innen diskutiert und konzeptionell erarbeitet (vgl. Teske 1961). Als Regulativ für die Problematik der Aussprache von Xenonymen galt das Konzept der relativen Eindeutschung, später als gemäßigte Eindeutschung bezeichnet, und wurde richtungweisend weiterentwickelt (vgl. ebd. 90-92).
Nach dem Tod von Hans Krech wurde die Redaktion von Ursula Stötzer geleitet. An Bedeutung gewannen weitere forschungsrelevante Schwerpunkte wie die Bestimmung der Akzentuierung in mehrgliedrigen Komposita, prosodische Strukturen im Sprechtext sowie die Realisation von Lenis-Konsonanten. Drei Jahre nach Krechs Tod wurde 1964 das Wörterbuch der deutschen Aussprache (WDA) herausgegeben und hatte bis 1974 insgesamt vier Auflagen. Die Analyse umfangreicher Lautkorpora unterschiedlicher Formate zeigte, dass verschiedene Arten gesellschaftlicher Tätigkeit ihre Widerspiegelung in diversen Formen der Sprechhandlungen finden. Diese Differenzierung betrifft alle Sprachebenen, auch die phonische. Demnach weist auch die Standardaussprache ein Spektrum an Realisationsformen auf und äußert sich in Gestalt unterschiedlicher Präzisionsstufen der Lautung. Die verschiedenen Varianten fanden als positionsbedingte Assimilationen und als koartikulatorisch verursachte Veränderungen bereits 1964 Eingang in die erste Auflage des WDA.
2.3 Großes Wörterbuch der deutschen Aussprache
Die weiteren normphonetischen Untersuchungen sollten beantworten, ob sich die beobachteten standardsprachlichen Aussprachevarianten systematisieren lassen. Ferner sollte geklärt werden, ob die ermittelten Lautreduktionismen eine stilistische Funktion im Standarddeutschen ausüben. Diese phonostilistische Differenzierung machte in der Orthoepie ein Novum aus. Die Forschungsergebnisse wurden teilweise in die Neuauflage des halleschen Aussprachekodex aufgenommen, der 1982 durch eine Entscheidung des Verlags als Großes Wörterbuch der deutschen Aussprache (GWDA) erschien. Bezugnehmend auf die Forschungsergebnisse von Meinhold (1973) wurden im GWDA drei phonostilistische Ebenen der Standardaussprache unterschieden:
…die Aussprache der Rezitation und des feierlichen, festlichen Vortrags;
die Aussprache in der Lesung von Manuskripten im Rundfunk und von schöngeistiger Prosa;
die Aussprache des ruhigen, sachlichen Gesprächs und des Vortrags mit geringem Spannungsgrad“. (Krech et al. 1982: 73).
Das GWDA ging mit der obigen Differenzierung über die bisherigen Aussprachekodizes hinaus. Sie stellte allerdings nur eine Grundorientierung über den Gebrauch phonostilistischer Varianten in der deutschen Standardaussprache dar.
2.4 Deutsches Aussprachewörterbuch
In den halleschen Aussprachekodizes, die vor der Wende erschienen, wurde eine Konzeption der Standardaussprache erarbeitet, die im Vergleich zum Siebs-Aussprachewörterbuch eine breitere soziale Realisationsbasis hatte. Sie war seit der ersten Auflage des WDA jedoch in erster Linie auf manuskriptgebundenes Sprechen eingestellt (vgl. Kurka 1989: 100-104). Die Lautkorpora enthielten somit zwar frei gesprochene, zuvor konzeptuell vorbereitete Texte, aber keine spontane Rede, die in informellen, persönlicheren Kommunikationssituationen zustande kommt und die in der Fachliteratur als überregionale, hochdeutsche oder dialektneutrale Umgangssprache bezeichnet wurde (vgl. ebd.: 102; vgl. auch Meinhold 1973: 14). Da der Gebrauch vieler Abschleifungsformen sehr stark variiert, blieb das Problem der Kodifizierung jener Formen ungelöst. Sie wurden demzufolge nicht in das GWDA aufgenommen. Eine Kategorisierung vieler abgeschwächter Lautformen …wäre aber für den Deutschunterricht bei den Ausländern, insbesondere das verstehende Hören, sehr zweckmäßig und nützlich.“ (Kurka 1989: 108). Damit war die Diskussion um das Aussprachestandardverständnis nicht beendet. Auch kritische Stimmen wiesen auf …die Verabsolutierung der über die Rundfunksprecher gewonnenen Norm als allgemein gültige Standardaussprache des Deutschen“ (Kohler 1995: 38) und einen Rückfall in die Tradition des Siebs, denn trotz der empirischen Fundierung erklärte man nach Kohler (ebd.) völlig unmotiviert diese Norm als verbindlich für ein ganzes Spektrum von Sprechsituationen. Diese Problematik war auch den halleschen Sprechwissenschaftler*innen bewusst. Auf die Bestimmung neuer Referenzrahmen für die Standardaussprache machte Kurka aufmerksam:
…Eine für die Kodifikation zweckbestimmte und das Aussprachewörterbuch adäquat widerspiegelnde Definition von ‚Standardsprache‘ ist zu erarbeiten, die Normierungsbasis, -umfang, Geltungs- und Wirkungsbereich enthält. Weiter ist es notwendig, die Termini ‚Umgangssprache‘, Alltagssprache‘ [sic!] und ‚Volkssprache‘ nach Möglichkeit genau zu bestimmen. Ein umfassendes Material dafür ist gesichtet und wird noch bereichert. Diese Probleme sollen rechtzeitig vor der Neubearbeitung des ‚Großen Wörterbuchs der deutschen Aussprache‘ geklärt werden und Ergebnisse erbringen, die der weiteren Bearbeitung der ‚Standardaussprache‘ dienlich sein können.“ (Kurka 1989: 109).
Als Fortentwicklung des GWDA gilt das 2009 erschienene Deutsche Aussprachwörterbuch (DAWB) (vgl. Hirschfeld / Stock 2016: 51). Diesem gingen facettenreiche Untersuchungen voraus, welche sich auf oben erwähnte und neue forschungsrelevante Aspekte erstreckt hatten. Um ein deutschlandweit akzeptiertes und erwünschtes Bild der Standardaussprache neu zu ermitteln und somit die Fragen nach der lautlichen Standardsprachlichkeit zu beantworten, wurde eine umfassende soziophonetische Untersuchung durchgeführt. Sie erfasste rund 1700 Personen aus allen Sprachlandschaften der Bundesrepublik. Den Proband*innen wurden Audiomitschnitte aus Nachrichtensendungen, Talkshows und Interviews von insgesamt 43 Sprecher*innen mit unterschiedlichen Ausspracheweisen vorgeführt. Dazu wurden Urteile bezüglich der Angemessenheit der Ausschnitte in verschiedenen situativen Kontexten erfragt. Die Befragung bestätigte, dass die Anforderungen an die Aussprache mit verschiedenen sozialkommunikativen Zusammenhängen in Beziehung stehen. Von den Nachrichtensprechenden wurde deutschlandweit eine überregionale Aussprache erwartet. Bezüglich anderer Sprechberufe wurden auch regionale Einflüsse gutgeheißen. Des Weiteren umfassten Neuerungen und Aktualisierungen älterer Forschungsergebnisse zusätzlich folgende Bereiche (vgl. Hirschfeld / Stock 2016: 51):
die Beschreibung der drei nationalen deutschen Standardvarietäten;
die Aktualisierung der phonostilistischen Differenzierung der bundesdeutschen Standardaussprache;
die Erweiterung und Aktualisierung des Wortschatzes;
die Neukodifizierung der Eindeutschung fremder Namen und Wörter basierend auf Erkenntnissen der sprachkontrastiven phonetisch-phonologischen Beschreibungen.
Zur Untersuchung dieser Bereiche wurde ein Methodenpluralismus gewählt, der neben soziophonetischen Befragungen zur standardsprachlichen Kommunikation auch akustische Analysen des Sprechsignals, Kontrollhören durch Expert*innen und Akzeptabilitätsuntersuchungen umfasst.
Seit Anfang des 21. Jahrhunderts ist nun der Zugang zu digitalen Medien nahezu allen Sprachteilhabenden möglich. Neue technische Möglichkeiten tragen zur Neuspezifizierung der problemorientierten Orthoepieforschung bei. Da sich die Sendungsformate im Laufe der Zeit verändern, um durch einen privateren Ton Alltagsnähe und Vertrautheit zu generieren, spiegelt sich das auch in der Sprechweise wider (vgl. u. a. Böhme 2019; Finke 2019; Schwenke 2020). Die Aussprache einzelner Lautsegmente, ihre syntagmatischen Beziehungen und phonotaktischen Beschränkungen, Realisierung von Lenis-Konsonanten, Lautreduktionen, Akzentuierung in Simplizia und in mehrgliedrigen Komposita sowie situative Variabilität der Standardaussprache und ihre phonostilistische Wertung gehören somit bis dato zum Gegenstand der halleschen Orthoepieforschung. Neue Erhebungsmöglichkeiten von hochqualitativen Sprachdaten, deren Speicherung und Auswertung prägen die aktuellen Untersuchungen. Im Augenmerk stehen abermals sprachliche und außersprachliche Faktoren für den Gebrauch standardsprachlicher Aussprachevarianten sowie ihre soziale Wertung, Präferenz und Akzeptanz im überregionalen Kommunikationskontext. In dieser orthoepischen Forschungstradition entstand auch das Deutsche Aussprachewörterbuch (DAWB, Krech et al. 2010). Dieses Referenzwerk erschien noch in Buchform. Auf der Webseite des Verlags wurden den Kodexnutzer*innen einige Audiobeispiele für Lemmata aus dem theoretischen Teil des Kodex zu Verfügung gestellt. Die Offenheit der halleschen Phonetiker*innen gegenüber technischen Neuerungen zeigt sich allerdings seit langem in vielen Lehrmaterialien für das Fach Deutsch als Fremdsprache. Darin lassen sich verschiedene Übungstypen zum Training der rezeptiven Sprachkompetenz finden, in denen u. a. auf einige für die …dialektneutrale Umgangssprache“ typische Lautabschwächungen eingegangen wird. Lehrmaterialen in Printform werden entweder mit DVDs für Whiteboards publiziert (vgl. Albrecht / Hirschfeld / Kakinuma 2005; Jentges / Schwarz / Sokolowski 2012) oder stehen den Lehrenden und Lernenden als interaktive Webseiten zur Verfügung (Internetquelle 3; Internetquelle 4).
Zehn Jahre nach der Herausgabe des DAWB bieten sich neue Möglichkeiten, große Mengen an Sprachdaten in Form einer Datenbank im Internet anzulegen, zu verwalten und auszubauen. Redaktionelle Einschränkungen die bei der Herausgabe eines Aussprachewörterbuchs gegeben sind, wie Begrenzung der Zeichenzahl oder Anordnung der Stichwörter samt Zusatzinformationen, entfallen somit vollständig. Mit der DAD wurde ein digitaler und nutzerfreundlicher Aussprachekodex für die bundesdeutsche Standardaussprache mit abrufbaren Audiodateien geschaffen. Dieser kann auf jedem Endgerät aufgerufen werden und ist öffentlich zugänglich. Erwähnenswert ist, dass parallel weitere empirische Studien durchgeführt werden, die die digitale Version des Aussprachekodex bereichern sollen. Unter anderem werden Realisationen von Formwörtern in atonalem Kontext analysiert. Des Weiteren wurden anhand umfassender Lautkorpora Eindeutschungstendenzen für Eigennamen aus dem Englischen (vgl. Lange 2015), dem Russischen (vgl. Ebel 2015), dem Polnischen (vgl. Skoczek 2020) und dem Japanischen (vgl. Diehl 2021) im deutschen Rundfunk ermittelt. Nachfolgend werden Anforderungen an Aussprachedatenbanken dargestellt und das hallesche Projekt mit einem Teil seiner Funktionalitäten vorgestellt.
3. Aussprachedatenbanken
Datenbankanwendungen im Internet erlauben es den Nutzer*innen, bestimmte Informationen bzw. Daten aus einer Datenbank abzurufen, die auf einem Server im Hintergrund liegen. Die zumeist großen Mengen an Daten sind in der Datenbank miteinander verknüpft und zueinander in Beziehung gesetzt. Mithilfe von verschiedenen Programmen ist es möglich, auf die Daten zuzugreifen (vgl. Kemper / Eickler 2015: 21). Da Datenbankanwendungen zahlreiche Vorteile bieten, haben sie auch in sprechwissenschaftlichen und phonetischen Forschungsgebieten Einzug gehalten. Gerade gegenüber einem traditionellen Wörterbuch bietet eine Datenbank erheblichen Mehrwert und zwar sowohl auf Seiten der Anwender*innen als auch seitens der Bearbeiter*innen (vgl. Ebel et al. 2021: 175-176):
Datenbankanwendungen erlauben Verknüpfungen der Daten untereinander sowie Verlinkungen zu externen Informationen, wie z. B. anderen Webseiten.
Multimediale Ergänzungen zu den Datenbankeinträgen zum Beispiel in Form von Audio- oder Videodateien ermöglichen erweiterte Nutzungsszenarien.
Eine gezielte Suche nach Einträgen über die Suchfeldsyntax sowie Filterung der Daten ist mit wenigen Klicks möglich.
Zusatzinformationen und Metadaten können auch in größerer Zahl hinzugefügt werden, ohne die Übersichtlichkeit zu beeinträchtigen.
3.1 Anforderungen an Audiodateien in Aussprachedatenbanken
Derzeit (Stand Oktober 2020) existieren im deutsch- und englischsprachigen Internet ca. 20 frei zugängliche Webseiten, über die man die Aussprache ausgewählter Lemmata recherchieren kann. In vielen Fällen handelt es sich dabei um erweiterte Onlineversionen ein- oder zweisprachiger Wörterbücher, wie Duden, Oxford Learner’s Dictionary, Pons oder Longman Dictionary. Andere Angebote sind eigenständig im Internet entstanden, wie howjsay.com, tophonetics.com oder forvo.com. Knappe 70 % der untersuchten Webseiten gibt die Aussprache über Transkriptionen mit Hilfe des Internationalen Phonetischen Alphabets (IPA) an, während 90 % die Aussprache (zusätzlich) über Audiodateien hörbar machen. Die Ergänzung durch Audiodateien ist sicherlich einer der größten Vorteile, den Aussprachedatenbanken gegenüber orthoepischen Wörterbüchern bieten, denn viele der Anwender*innen sind nicht geübt im Lesen phonetischer Lautschriften und haben daher Schwierigkeiten, die Ausspracheangaben vollständig umzusetzen. Für eine optimale Nutzbarkeit der Audiodateien sollten einige Kriterien bedacht werden:
Die hörbare Aussprache sollte eineindeutig die aus der phonetischen Transkription ersichtlichen Merkmale wiedergeben. Das bedeutet auch, dass bei einer komplexeren Transkription, die beispielsweise Plosivaspirationen, Entstimmlichungen oder Elisionen enthält, diese Merkmale auditiv erfassbar sein sollten. Hieran scheitern momentan leider noch häufig viele Sprachsynthesesysteme, auch wenn diese in den letzten Jahren einen erheblichen Qualitätssprung gemacht haben und weit über die reine Verstehbarkeit hinausgehen. Bei einem Einsatz von Text-to-Speech (TTS) Systemen für die Generierung der Audiodateien in Aussprachedatenbanken sollte daher darauf geachtet werden, dass die Anwendungsschnittstelle (API) individuell an die Besonderheiten der Transkription angepasst werden kann. Dadurch ist es möglich, ein vorhandenes TTS-System gezielt anzulernen, so dass es regulär auftretende phonetische Merkmale in der Generierung der Audiodateien umsetzen kann.
Dialektale oder individuelle Aussprachebesonderheiten sollten in einer Aussprachedatenbank nicht enthalten sein oder als solche gekennzeichnet werden. Dieses Kriterium können Datenbanken, die ihre Audiodateien mit Hilfe der User*innencommunity generieren, wie zum Beispiel forvo.com, nicht erfüllen. Dort findet man oft mehrere Suchergebnisse zu einem Lemma, die in vielen Fällen keine in Gänze eindeutige Aussprache erkennen lassen. Sucht man beispielsweise nach der Aussprache von Bonbon auf Deutsch, dann gibt forvo.com neben drei Audiobeispielen sogar eine phonetische Transkription an (Stand Dezember 2020, vgl. Internetquelle 1). Phonetische Transkriptionen werden auf forvo.com nicht bei allen Lemmata angegeben, da die Plattform sich hauptsächlich als Sammlung von Audiodateien versteht. Im Hinblick auf das Beispiel Bonbon lassen sich in den eingesprochenen Audios bereits beim ersten Hören unterschiedliche Akzentstelle ausmachen: Während eine Variante auf der ersten Silbe akzentuiert ist, trägt eine andere Variante eine Zweitsilbenbetonung und eine dritte Variante enthält gleichstarke Akzente auf beiden Silben. In der IPA-Transkription fehlt das Akzentzeichen: [bɔ̃.bɔ̃] (vgl. ebd.), so dass Nutzer*innen auch daraus keinen Hinweis auf die empfohlene Akzentstelle erhalten können. Gerade für Deutschlerner*innen kann ein solches Suchergebnis unbefriedigend sein, da sie mit der Bewertung, welche Aussprachevariante der Standardform entspricht bzw. am häufigsten gesprochen wird, allein gelassen werden.
Hinzu kommt die Frage nach der Einheitlichkeit der Sprechstimme in den Audioausgaben. Wenn die verschiedenen Einträge von mehreren Stimmen vertont sind, kann es beim Vergleich zweier Lemmata für Nutzer*innen schwieriger sein, zu erkennen, welche Unterschiede (z. B. im Grad der Behauchung oder der spezifischen Realisierung eines Wortakzents) lediglich individuell begründet sind und gar keine normphonetische Grundlage haben. Sofern man Berufssprecher*innen zum Einsprechen der Vertonungen engagiert, sollte man bedenken, dass diese möglicherweise in einigen Jahren, wenn Einträge ergänzt oder verändert werden sollen, nicht mehr zur Verfügung stehen. Eine größere Konstanz in Bezug auf die Unveränderlichkeit der Sprechstimme bieten TTS-Systeme, da bei diesen die einmal festgelegte Stimme jederzeit und gleichbleibend zur Verfügung steht.
3.2 Die Deutsche Aussprachedatenbank (DAD)
Die Deutsche Aussprachedatenbank (DAD) wird seit mehreren Jahren an der Abteilung Sprechwissenschaft und Phonetik der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg in Zusammenarbeit mit der Professur für Wirtschaftsinformatik der TH Wildau konzipiert und entwickelt. Die DAD versteht sich als Weiterentwicklung des Deutschen Aussprachewörterbuchs (DAWB) (vgl. Krech et al. 2010). Bereits seit 2011 existiert der Datenbestand von über 130.000 Lemmata, der aus dem Wörterverzeichnis des DAWB erstellt wurde. Dieser Datenbestand wurde zunächst einer Qualitätssicherungskontrolle im Hinblick auf Korrektheit und Vollständigkeit der Einträge sowie auf Systematik und Benutzbarkeit unterzogen (vgl. Förster 2014). Nachdem verschiedene Datenbankmanagementsysteme getestet wurden, fiel die Entscheidung, die erste Version der Datenbank als SQLite Datenbank mit Dokuwiki zu erstellen. Die ersten Einträge in dieser Datenbank lassen sich auf 2017 datieren. Aufgrund der unter 3.1 genannten Kriterien für die Audioausgabe wurde festgelegt, dass die Vertonungen mit Hilfe eines TTS-Systems generiert werden soll. Hierfür mussten die vorliegenden Daten zunächst aufbereitet und um weitere Metadaten ergänzt werden (vgl. Drechsel 2020). Aktuell (Stand: Dezember 2020) ist die Datenbank nur eingeschränkt für registrierte Nutzer*innen (hauptsächlich Studierende, Doktorand*innen sowie die Redakteur*innen) zugänglich. Seit Mitte des Jahres 2020 wird die Datenbank mit Unterstützung der Professur für Wirtschaftsinformatik der TH Wildau in eine MySQL-Datenbank mit Django übertragen, um die Schwächen, die mit dem alten Datenbanksystem verbunden waren, zu überwinden, um mehr Anwender*innenfreundlichkeit zu gewährleisten und um zusätzliche Funktionen anbieten zu können. Nach der Übertragung sollte die Deutsche Aussprachedatenbank gegen Ende 2021 für Internetnutzer*innen zugänglich sein.
Es sollen nun einige Ausführungen zur Nutzung der DAD folgen: Auf der Startseite der Datenbankanwendung dominiert das Suchfeld (vgl. Abb. 1), über das man mit Hilfe von Eingaben die Datenbank durchsuchen kann. Bereits während der Eingabe eines Lemmas werden Suchvorschläge angezeigt, wie es Internetnutzer*innen auch von anderen Suchmaschinen gewohnt sind. Weiterhin kann man über die Seitenleiste der Startseite auf Unterseiten mit Nutzungshinweisen und theoretischen Hintergrundinformationen gelangen. Im Suchfeld kann man sowohl nach der graphematischen Repräsentation der Einträge suchen, als auch nach IPA- und SAMPA-Transkriptionen. Dadurch ist es möglich, dass man gezielt nach Einträgen mit bestimmten Lautfolgen sucht.
Durch Einengung der Suche mit Hilfe der Suchfeldsyntax kann zudem die Position der Lautfolge innerhalb des Lemmas festgelegt werden. Damit die Eingabe der Transkriptionszeichen erleichtert wird, ist es den Anwender*innen möglich, unterhalb des Suchfeldes ein IPA-Keyboard auszuklappen, in dem alle Vokale und Konsonanten sowie ausgewählte Diakritika und weitere Symbole des Internationalen Phonetischen Alphabets enthalten sind (vgl. Abb. 2).
Je nach Eingabe werden dann das Suchergebnis bzw. die Suchergebnisse angezeigt. Beispielsweise ergibt die Suche nach <Forsythie> lediglich einen Treffer, wohingegen die Suche nach <Kaktus> mehrere Treffer ergibt, darunter Kaktusfeige und Echinokaktus. Klickt man das gesuchte Lemma an, gelangt man zur Seite des jeweiligen Datenbankeintrags. Im Folgenden wird anhand des Toponyms Sachsen-Anhalt der Aufbau der Datenbankeinträge erläutert.
Der Eintrag besteht aus fünf Zeilen (vgl. Abb. 3). In der ersten Zeile und hervorgehoben steht zunächst das Lemma in graphematischer Form. Darunter ist die Transkription der Aussprache mit Zeichen des Internationalen Phonetischen Alphabets zu finden. Anschließend folgen Angaben zur Silbenzahl sowie zum Akzentmuster. Das Akzentmuster spiegelt die Akzentstufenzuweisung wider, die automatisiert anhand komplexer Regeln vorgenommen wurde (vgl. Drechsel 2020: 55-56). Dieses Vorgehen war insbesondere im Hinblick auf die Sprachsynthese notwendig, damit eine natürliche Reproduktion des für die deutsche Standardaussprache typischen Rhythmus erreicht werden kann, der aus einem Wechsel von akzentuierten und nicht akzentuierten Silben (schwer-leicht-Struktur) entsteht. Die Stufe 4 im Akzentmuster repräsentiert die hauptakzentuierte Silbe, von der es pro Lemma lediglich eine gibt. Mit der Stufe 3 werden diejenigen Silben gekennzeichnet, die einen Nebenakzent tragen. Nicht jedes Wort trägt einen Nebenakzent, es gibt aber auch Wörter mit mehr als einem Nebenakzent, z. B. einige mehrgliedrige Komposita. Mit einer 2 versehen werden alle Silben, die in der deutschen Standardaussprache akzentuierbar wären, im konkreten Wort aber in nicht akzentuierter Position stehen. Die 1 kennzeichnet schließlich die Silben, die in neutraler Realisation (nicht emotional, nicht kontrastierend) der Standardaussprache nicht akzentuierbar sind, da sie die Reduktionsvokale [ə] oder [ɐ] bzw. nach einer Vokalelision silbische Konsonanten enthalten. In der letzten Zeile des Datenbankeintrags ist ergänzend zur IPA-Transkription noch die phonetische Umschrift in SAMPA (= Speech Assessment Methods Phonetic Alphabet) festgehalten, da die maschinelle Lesbarkeit des Internationalen Phonetischen Alphabets noch nicht in allen technischen Systemen gewährleistet ist. Abbildung 4 zeigt den Eintrag des Lemmas Shampoo, bei dem es sich um ein Wort mit fremdsprachiger Herkunft handelt, womit weitere Besonderheiten verbunden sind:
Hierbei fällt zunächst auf, dass der Eintrag um die Zeile der Herkunftsangabe erweitert wurde. Die Herkunft des Lemmas wird bei allen jüngeren Entlehnungen angegeben. Außerdem gibt es im Beispiel Shampoo zwei Aussprachevarianten, die sowohl in IPA- als auch in SAMPA-Transkription nebeneinanderstehend angegeben werden. Zuerst wird die stärker eingedeutschte Form empfohlen, danach die originalnähere (zur Thematik Eindeutschung vgl. Ebel / Lange / Skoczek 2014; Krech et al. 2010: 120-125). Neben den segmentalen Unterschieden können die angegebenen Varianten auch in der Akzentposition differieren, so auch im Beispiel Shampoo. In diesem Fall werden im Datenbankeintrag ebenfalls die sich daraus ergebenden Akzentmustervarianten angegeben.
Die Deutsche Aussprachedatenbank bietet aber nicht nur die Möglichkeit, nach einzelnen Einträgen zu suchen, sondern ermöglicht dank diverser Filterfunktionen auch eine gezielte Eingrenzung des Wortbestandes. Über die erweiterte Suche können Nutzer*innen sich die gesamte Wortliste in einer mehrspaltigen Tabellenansicht anzeigen lassen. Die Tabelle enthält neben graphematischer und phonetischer Form auch die Silbenzahl sowie ggf. die Herkunftsangabe. Ein denkbares Anwendungsszenario dieser Übersicht für Deutschlehrende könnte folgendermaßen aussehen: Für einen kurzen Merkspruch zur Aussprache des Graphems <q> sucht man noch ein dreisilbiges Reimwort, das mit <q> beginnen und auf <-ei> enden soll. In der Datenbank kann man unter allen Einträgen mit dem Anfangsbuchstaben <q> zunächst nach dreisilbigen Wörtern filtern und anschließend in der IPA-Spalte nach Lemmata suchen, die die Lautkombination [kv̥*aɛ̯] enthalten. Der Asterisk steht in der Suchfeldsyntax stellvertretend für beliebig viele Zeichen, die zwischen den konkret angegebenen Lauten vorkommen können. Das Ergebnis trifft zwar noch nicht zu 100 % auf die angegebenen Kriterien zu, wie aus Abb. 5 ersichtlich wird, da in der Suchfeldsyntax der aktuellen Datenbankversion nicht angegeben werden kann, dass <-ei> ausschließlich auslautend vorkommen soll. Dennoch sind die neun gefilterten Lemmata gut überschaubar und es sollte sich ein passendes Wort für den Merkspruch finden lassen.
3.3 Zukünftige Erweiterungen der DAD
Mit der derzeit laufenden Übertragung der Aussprachedatenbank in das neue Datenbanksystem werden derzeit erste Schwachstellen beseitigt. Diese betreffen vor allem die Anwender*innenfreundlichkeit, da der Aufbau der Seiten sehr lang dauert, die Responsivität für verschiedene Endgeräte nicht gegeben ist und das Design wenig individuelle Anpassungen ermöglicht. Darüber hinaus sind für die nächsten Jahre Erweiterungen in größerem Umfang geplant:
Der wichtigste Punkt ist die Ergänzung aller Einträge mit Vertonungen. Hierfür werden aktuell verschiedene TTS-Systeme getestet, um herauszufinden, welches den Anforderungen (vgl. 3.1) am besten entspricht.
Einen Mehrwert können auch Verlinkungen aus der Datenbank heraus zu anderen Webseiten darstellen. Beispielweise sind Links zu lexikographischen oder etymologischen Angeboten denkbar.
Die Gruppierung des Wortbestandes könnte es Anwender*innen erlauben, gezielt Lemmata aus bestimmten Kategorien angezeigt zu bekommen. Hierfür sind verschiedene Einteilungen vorstellbar. So wäre es möglich, alle Wörter des Grundwortschatzes nach Lerner*innenniveaus zu sortieren. Ebenso könnten Begriffe, die man in bestimmten Situationen häufig nutzt, zusammengefasst werden (im Restaurant, beim Arzt, Fachbegriffe aus dem Bereich Politik, chemische Elemente, Toponyme, Sportler*innennamen etc.). Da die Datenbankstruktur es erlaubt, einzelne Einträge mehreren verschiedenen Gruppen zuzuordnen, gäbe es aus technischer Sicht zumindest keine Einschränkungen bezüglich der Anzahl solcher Sammlungen.
Außerdem soll die DAD um flektierte Formen erweitert werden. Insbesondere für Deutschlerner*innen ist beispielsweise nicht nur die Aussprache des Verbinfinitivs relevant, sondern vor allem die Flexionen. Zu nennen wäre hier exemplarisch der Vokalwechsel von <sprechen> zu <du sprichst> und <du sprachst>, der mit einer Veränderung des nachfolgenden Frikativs verbunden ist, da <ch> lediglich nach Vorderzungenvokalen als [ç] realisiert wird, nach Mittel- und Hinterzungenvokalen jedoch als [x]: [ʃpʁ̥ˈɛçn̩] – [duː ʃpʁ̥ɪçst] – [duː ʃpʁ̥aːxst]. Diese Erweiterungen sollten dann natürlich ebenfalls mit Vertonungen ergänzt werden.
4. Nutzung der Deutschen Aussprachedatenbank im DaF/DaZ-Unterricht
Die phonetische Beschreibung des Standarddeutschen gehört zu den kanonischen Inhalten der Auslandsgermanistik. Zumeist wird der Bereich der artikulatorischen Phonetik im Rahmen des Seminars Einführung in die germanistische Linguistik oder der beschreibenden Grammatik behandelt. Im Bachelor-Studium werden darüber hinaus praktische Übungen zur deutschen Aussprache angeboten. Die Anzahl der Semesterwochenstunden variiert allerdings je nach Modulgestaltung der jeweiligen Bildungseinrichtung. Separate Lehrveranstaltungen, die den phonetisch-phonologischen Einführungen gewidmet werden, sind selten. In diesem Lehrkontext wird auch die phonetische Transkription vermittelt. Entweder macht sie einen seminarbegleitenden Bestandteil eines Aussprachekurses aus oder sie stellt einen Schwerpunkt der beschreibenden Grammatik dar. Die Fertigkeit der Transkription im Fach Deutsch als Fremdsprache beschränkt sich häufig lediglich auf die Vermittlung von Beziehungen zwischen Graphemen und IPA-Symbolen. Hierdurch wird das Transkribieren bedauerlicherweise zum Transliterieren aus der orthografischen Notation in die phonetische Schrift. Die Fertigkeit nimmt daher einen mechanischen Charakter an, indem eine Illusion von konstanten Lautungsformen ohne Variationspotenzial vermittelt wird. Doch auch dieses Potenzial gehört zur Normphonetik und sollte ebenfalls als Ziel der Transkriptionslehre angesetzt werden.
Die modernen Deutschkurse und somit auch die dafür konzipierten Lehr- und Übungsbücher setzen auf einen handlungsorientierten Fremdsprachenunterricht. Deutschlernende sollen von der ersten Lektion an zur kommunikativen Interaktionen befähigt werden. Hierbei nimmt die Entwicklung des Hörverständnisses und des Sprechens einen zentralen Stellenwert im didaktischen Prozess ein. Beide Sprachfertigkeiten sind mit der phonischen Ebene der Sprache untrennbar verbunden. Demzufolge werden Versuche unternommen, das Aussprachetraining in die Lehrwerkkonzeption zu integrieren. Lernende werden je nach dem eingesetzten Lehrwerk dadurch mit IPA-Symbolen mehr oder minder konfrontiert, zumal sie oft Deutsch nach Englisch lernen, für das aufgrund der größeren Diskrepanz zwischen Aussprache und Schreibung das IPA-System einen hohen Stellenwert hat. Der Erwerb der phonetischen Kompetenz im DaF/DaZ-Unterricht ist überdies unabdingbar für die Förderung der Lernerautonomie beim Umgang mit Aussprachekodizes und somit für eine erfolgreiche Anwendung des neuen Wortschatzes in der sprechsprachlichen Kommunikation (vgl. Piccardo 2016). Da es zurzeit an einem wissenschaftlich fundierten Aussprachekodex mit öffentlichem Zugang im Internet fehlt, füllt die Deutsche Aussprachedatenbank passgenau diese Lücke. Somit ist sie als ‚Tool‘ jederzeit griffbereit und könnte zu einem gern genutzten Lernmittel im Fremdsprachenunterricht werden. Ein Vergleich mit zwei weiteren bestehenden digitalen orthoepischen Angeboten soll im Folgenden die Stärken der Deutschen Aussprachedatenbank hervorheben.
4.1 Populäre Referenzwerke mit Ausspracheangaben im Fach DaF
Zu den bekanntesten Referenzwerken, die sich unter den Auslandsgermanisten besonders großer Beliebtheit erfreuen und in denen die Aussprache deutscher Wörter und Namen nachgeprüft werden kann, zählen:
PONS Online-Wörterbuch (PONS) (Internetquelle 2),
DUDEN-Aussprachewörterbuch (DUDEN-AWB) (vgl. Kleiner / Knöbl / Mangold 2015) und seine digitale Fassung,
Deutsches Aussprachewörterbuch (DAWB).
Vorab muss hervorgehoben werden, dass keins der erwähnten Referenzwerke als Lehrmaterial zum dauerhaften Einsatz im Unterricht Deutsch als Fremdsprache konzipiert wurde. Die zurzeit entwickelte elektronische Version des DAWB, also die oben dargestellte und aktuell nur zum internen Gebrauch verfügbare Deutsche Aussprachedatenbank (DAD), gilt als künftige Zielfassung, deswegen wird ihr Potenzial für den Einsatz im DaF/DaZ-Unterricht im vorliegenden Beitrag auch in Betracht gezogen.
Deutschlernende greifen besonders gerne auf das zweisprachige PONS Online-Wörterbuch zurück. Die Suche nach Stichwörtern kann direkt auf der Webseite pons.com durch deren Eingabe in die Suchmaske erfolgen. Den Nutzer*innen steht überdies seit 2008 eine App zur Verfügung. Das Wörterbuch bietet für 20 Sprachen 42 Übersetzungskombinationen. Je nach bilingualer Kombination werden die Stichwörter auch mit transkribierten Ausspracheangaben in IPA aufgezeigt. Darüber hinaus besteht die Möglichkeit, die Aussprache der Stichwörter mit einem TTS-System von Linguatec abzuspielen. Das PONS Online-Wörterbuch bietet für Deutschlehrende und -lernende zudem auch eine einsprachige Version an. Hier liegen zahlreiche Anwendungsbeispiele, gängige Derivate und Komposita sowie Phraseologismen vor. Leider fehlen in dieser Fassung die IPA-Transkriptionen.
Germanistikstudierende nutzen für ihr Studium außerdem gezielt Aussprachekodizes wie das Duden-Aussprachewörterbuch (vgl. Kleiner / Knöbl / Mangold 2015) und das Deutsche Aussprachewörterbuch (vgl. Krech et al. 2010). Die 7. Auflage des Duden-Aussprachewörterbuchs (Band 6 der Duden-Reihe) erschien neben der traditionellen Buchform ebenfalls als digitale Variante, die den Nutzer*innen eine schnelle und bequeme Recherche im Kodex ermöglicht. Leider werden darin nur ausgewählte Stichwörter mit Audiobeispielen versehen. Wegen der großen Bekanntheit der gesamten Duden-Reihe gilt der Band 6 unter den Auslandsgermanist*innen und Deutschlehrer*innen als Referenzwerk, auf das im universitären Bereich in erster Linie verwiesen wird.
Das Deutsche Aussprachewörterbuch (vgl. Krech et al. 2010) wird oft im Germanistikstudium u. a. wegen der Transparenz der phonetisch-phonologischen Systematisierung des Standarddeutschen als Basismaterial benutzt. Da viele Lehrmaterialen sowie Lehrbücher zur deutschen Phonetik auf den im Kodex vorhandenen Ausspracheangaben und auf dem umfangreichen Theorieteil basieren, ist der Bezug auf dieses Werk auch in sprachpraxisorientierten Lehrveranstaltungen begründet. Die kontinuierliche Entwicklung des DAWB, seine wissenschaftliche Fundierung sowie die laufenden Digitalisierungsarbeiten mit der Überführung in die Deutsche Aussprachedatenbank machen zugegebenermaßen diesen Aussprachekodex in seinem neuen Format zu einem unerlässlichen Werkzeug im Fach Deutsch als Fremdsprache. Exempli verbi lassen sich einige Vorteile der DAD schon in der noch unvollendeten Version veranschaulichen, vor allen Dingen, wenn man sie den anderen aktuellen Referenzwerken, auf die bereits Bezug genommen wurde, gegenüberstellt. Bei der Überprüfung der Aussprache von Komposita wie beispielsweise Musikunterricht, Deutschunterricht oder Hausaufgabe, die in vielen Lehrwerken für das Sprachniveau A1 vorkommen, stoßen die Nutzer*innen des Deutschen als Zweit- und Fremdsprache im Duden-AWB und im PONS auf verschiedene Stolpersteine. In einigen expliziten Derivationen z. B. Ausarbeitung oder Determinativkomposita, z. B. Musikunterricht, Deutschunterricht, Hausaufgabe kommt es zum Zusammenstoß der Akzentsilben der einzelnen Komponenten. Aus sprechrhythmischen Gründen kommt es in solchen Fällen zur Verschiebung des Nebenakzentes auf die nächste akzentuierbare Silbe im Grundwort. Diese Wortgruppe wird allerdings irregulär im PONS Online-Wörterbuch und im Duden-Aussprachewörterbuch aufgeführt.
Im Wörterverzeichnis des Duden-AWB finden sich entweder etablierte Zusammensetzungen, die durch die Unmotiviertheit dieser Sprachzeichen wie Simplizia behandelt werden, oder solche, die zu einem Fachwortschatz gehören. Komposita mit dem oben genannten phonetischen Phänomen sollte jedoch in einem Aussprachekodex oder in einem Wörterbuch für das Fach DaF zweifelsfrei Berücksichtigung finden. Im Duden-Aussprachewörterbuch (vgl. Abb. 6) fehlen beispielsweise Stichwörter wie Hausaufgabe oder Musikunterricht, die zum A1-Wortschatz gehören. Selbst vom Kompositum Deutschunterricht, das im Duden-AWB vorkommt, können solche Akzentverschiebung per Analogie nicht abgeleitet werden, denn der Nebenakzent wird im Grundwort gar nicht kenntlich gemacht. In der digitalen Version, die den Nutzenden des Duden-AWB zum Download angeboten wird, werden überdies nur ausgewählte Stichwörter mit Hörbeispielen versehen. Nach welchen Kriterien diese Wahl getroffen wurde, wird ebenfalls im Kodex nicht expliziert.
Im PONS-Wörterbuch (vgl. Abb. 7) werden hingegen lediglich einfache Wörter transkribiert. Die Determinativkomposita, in denen die Akzentverschiebung zustande kommt, werden genauso wie sonstige zusammengesetzte Wörter behandelt. Sie werden weder transkribiert noch wird der Nebenakzent sonst irgendwie kenntlich gemacht. Deutschlernende Nutzer*innen könnten dadurch davon ausgehen, dass eine Zusammenführung beider Komponenten und die Anwendung der allgemeinen Akzentregel für Determinativkomposita genügen, Wörter wie Musikunterricht oder Hausaufgabe korrekt zu realisieren. Diese Annahme wäre aus normphonetischer Sicht von Grund auf falsch, weswegen insbesondere zusammengesetzte Wörter mit abweichenden akzentrhythmischen Strukturen, die im Grundwortschatz des GeR vorkommen, in Wörterverzeichnissen derartiger Sprachkodizes erfasst werden sollten. Auch die im PONS-Wörterbuch vorhandenen Hörbeispiele lösen das Problem der Aussprache von komplexen lexikalischen Strukturen im Augenblick noch nicht, denn die synthetisierten Audioausgabedateien lassen vor allem im Hinblick auf ihre prosodische Struktur zu wünschen übrig und sind für Deutschlernende nur bedingt hilfreich.
Die Ausspracheangaben in der DAD liefern den Deutschlernenden dank einer detailreicheren Lautumschrift mehr Informationen als die Transkriptionen im Duden-AWB und im PONS. In der DAD stehen den Nutzer*innen in den vollständigen Transkriptionen der Komposita neben den markierten Haupt- und Nebenakzenten viele zusätzliche Informationen hinsichtlich der Aussprache zur Verfügung. Deutschlernende können erkennen, dass die Komponenten in beiden Zusammensetzungen nicht zusammengebunden ausgesprochen werden, sondern der wortanlautende Vokal des Grundwortes mit einem Vokalneueinsatz zu sprechen ist.
Neben der Position von Haupt- und Nebenakzenten in der Zusammensetzung wird beispielsweise auch der progressiv entstimmlichte Lenis-Konsonant mit dem Diakritikum [ ̥ ] gekennzeichnet. Außerdem werden weitere lautliche Phänomene vermittelt, wie etwa die Vokalisierung des ersten <r> in Unterricht. Sogar Ausspracheangaben für mehrgliedrige Komposita sind in der Deutschen Aussprachedatenbank zu finden. Drei- und vierteilige Zusammensetzungen, zum Beispiel Hochleistungssport [hˈoːxlaɛ̯stʊŋsʃpˌɔʶt], werden ebenfalls mit Nebenakzenten versehen. In der Transkription dieses Worts kann man auch die Sichtbarmachung der abgeschwächten Realisation des R-Frikativs durch das hochgestellte Lautzeichen [ʶ] erkennen. Diese prosodischen Eigenschaften lassen sich schwer intuitiv ermitteln und können Deutschlernenden ohne Fachwissen Probleme bereiten. Mit der Lautumschrift korrespondierende Audiobeispiele würden zweifelsohne die Deutschlernenden, die mit der IPA-Transkription wenig vertraut sind, in der Aneignung der korrekten Aussprache unterstützen. Die geplanten Vertonungen mittels TTS-Synthese, die einer natürlichen Sprechweise nahekommen, werden somit die Nutzbarkeit für DaF/DaZ-Lehrende und Lernende zusätzlich erhöhen.
4.2 Beispielhafte Einsatzszenarien der Deutschen Aussprachedatenbank im Fach Deutsch als Fremd- und Zweitsprache
Sobald phonetische Aspekte im sprachdidaktischen Prozess im Vordergrund stehen, kann die Deutsche Aussprachedatenbank als gute Referenzbasis gelten, auf die Studierende des Deutschen als Zweit- und Fremdsprache im und nach dem Studium zurückgreifen können. Sie lässt sich dank vieler o. g. Informationen, die man den Transkriptionen und den Metadaten in den Datenbankeinträgen entnehmen kann, in den didaktischen Prozess einbauen oder ihn bereichern. In der Distanzlehre eignet sich der Einsatz der DAD überdies gut, weil den Deutschlernenden die DAD, auch in Kombination mit anderen Online-Wörterbüchern, diverse Aufgaben gestellt werden, die ihnen eine vielfältige Nutzung unterbreiten, und sie im Umgang mit diesen Tools vertraut machen. Aus der praktischen Erfahrung ist das eine Kompetenz, die Lernenden ebenfalls vermittelt werden sollte. Nachstehend werden somit einige Übungsformen veranschaulicht, die sich in Einzel- bzw. Gruppenarbeit durchführen lassen. Die vorgeschlagenen Übungen sollten unter der Leitung des Lehrenden durchgeführt werden.
In den gängigen Lehrwerken, z. B. im Kursbuch Menschen A1 (vgl. Evans / Pude / Specht 2012: 20), werden in den Anfangslektionen Aspekte wie Herkunft, Wohnort, Sprachen berührt. Ergänzend zu diesen Themen könnte eine Ausspracheübung integriert werden, in der man auf den Wortschatz der einzelnen Lektion zurückgreift (Abbildung 9).
Aufgabe 1 eignet sich zweifelsohne als eine Übungsform, die auch zum Basislehrwerk in Deutschkursen eingesetzt werden kann. Deutschstudierenden und Deutschlernenden wird zielführend bewusst gemacht, dass sich die Akzentsilben in den Derivaten verändern. Darüber hinaus wird das Augenmerk auf die IPA-Transkription gelenkt. Es kann somit eine passive Kenntnis der Buchstaben-Laut-Beziehungen vermittelt werden. Diese Übung kann selbstverständlich als Ausgang für weitere kommunikative Übungen in der Gruppe dienen, indem man die Kursteilnehmer*innen beispielsweise folgende Fragen beantworten lässt: Welche Sprache findest du / finden Sie schwer? Welche Sprache findest du / finden Sie leicht? Sprichst du / Sprechen Sie Chinesisch?
Aufgabe 2 (Abbildung 10) ist eher auf Lernende bzw. Studierende mit fortgeschrittenem Sprachniveau zugeschnitten, deswegen kann sie in Seminaren oder in praktischen Übungen mit dem Fokus deutsche Phonetik verwendet werden. Durch den induktiven Charakter kann diese Übung in Gruppenarbeit durchgeführt werden.
Nach dieser Übung kann im Plenum über die Akzentregeln der Wörter mit dem Präfix miss- gesprochen werden. Eine einfachere Variante wäre ein Lückentext mit Regeln, in dem entweder korrekte Antworten anzukreuzen sind oder die Wörter in den Lücken von Deutschlernenden ergänzt werden sollen.
Beispielaufgabe 3 (Abbildung 11) verlangt von den Studierenden linguistisches Vorwissen und kann zur Vertiefung oder Festigung der phonetischen Inhalte dienen. Sie kann in einem mehrstufigen Ablauf erfolgen. Das Hauptziel dieser Übung ist die Vermittlung der normphonetischen Transkription der r-Laute. Bei dieser komplexen Aufgabe können Lernende zuerst die kursiv gedruckten Wörter transkribieren und die IPA-Transkriptionen der Sätze A–D in einen orthografischen Text umwandeln. Danach kann der Lückentext sinngemäß ergänzt werden. Abschließend können die Transkriptionsregeln für die R-Laute in tabellarischer Form präsentiert werden. In Form einer einfachen Nachsprechübung können die Wörter wiederholt werden. Zur Aktivierung des phonetischen Vorwissens lässt sich leicht mit dem Wortschatz eine Identifikationsübung aufbauen, indem Lernende beim Hören eines vokalischen R aufstehen und beim Hören eines konsonantischen R sitzen bleiben.
Als Variante für diese Übung könnten zwei Kärtchen mit verschiedener Farbe genutzt werden, auf diese Weise wäre die Übung auch in der Online-Lehre anwendbar. Diese Übung kann als Vorbereitung und Sensibilisierung für das komplexe Thema sprachniveauunabhängig durchgeführt werden. Für ein Seminar zur Normphonetik oder in einem Aussprachekurs könnte folgende Aufgabe dienen (Abbildung 12):
Der Einsatz der Deutschen Aussprachedatenbank in der Auslandsgermanistik macht Deutschstudierende im Umgang mit diesem Tool vertraut. Aus linguistischer Sicht kann sich diese Arbeit mit fortgeschrittenen Germanistikstudent*innen auch auf die Auseinandersetzung mit den Metadaten erstrecken und zur Projektarbeit im Rahmen von Masterseminaren animieren.
5. Fazit
Die Überführung des Deutschen Aussprachewörterbuchs (vgl. Krech et al. 2010) in eine Online-Datenbank ist ein logischer Schritt im Zeitalter der Digitalisierung, der eine Reihe von Vorteilen für Anwender*innen und Redakteur*innen mit sich bringt. Die DAD kann in Kombination mit Lehrwerken und anderen Online-Ressourcen den Deutschunterricht sowie Seminare im germanistischen Studium attraktiver machen. Deutschlehrende können die DAD für ihre didaktischen Zwecke einsetzen, um das phonetische Bewusstsein ihrer Lernenden von Anfang an zu fördern.
Aussprachedatenbanken können als Hilfsmittel für die Produktion und die Rezeption im Fremdsprachenunterricht benutzt werden und das autonome Lernen fördern. Die DAD kann dabei als seriöse Informationsquelle empirisch fundierte Hinweise zu einem präzisen und normkonformen Sprachgebrauch geben. Für den Unterricht in DaF, DaZ und auch DaM sollte diese Referenzquelle daher von Bedeutung sein.
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Kurzbios
Alexandra Ebel studierte Sprechwissenschaft, Medien- und Kommunikationswissenschaft sowie Interkulturelle Wissenskommunikation an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg. An dieser Universität wurde sie 2015 im Fach Sprechwissenschaft und Phonetik mit einer Arbeit zur Eindeutschung russischer Namen promoviert. Aktuell arbeitet sie als Wissenschaftliche Mitarbeiterin und lehrt und forscht zu Themen der auditiven, akustischen und kontrastiven Phonetik, Orthoepie, Lernvideos auf YouTube sowie zur Konzeption der Deutschen Aussprachedatenbank (DAD). Daneben ist sie Redaktionsmitglied der Fachzeitschrift …sprechen“.
Robert Skoczek ist Phonetiker, Linguist und vereidigter Dolmetscher. Er hat Germanistik an den Universitäten in Lublin und Rostock studiert. Sein Promotionsstudium in Jena und Lublin schloss er 2008 ab und erwarb die Doktorwürde auf dem Gebiet der deutschen Phonetik. Nach seiner Habilitation an der Abteilung Sprechwissenschaft und Phonetik der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg ist er dort seit 2019 als Vertretungsprofessor tätig. Seine Lehr- und Forschungsschwerpunkte liegen in der Sprech- und Sprachwissenschaft sowie im Bereich Deutsch als Fremdsprache.